Wohin steuert Kim Jong Un?

​Nordkoreas Machthaber reist am Geburtstag

Foto: epa/Kcna
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SEOUL (dpa) - Die Geburtstage der früheren Machthaber Kim Il Sung und Kim Jong Il sind in Nordkorea etwas Besonderes. Anders ist das mit Kim Jong Un. Kein Feiertag, kein Pomp - so war es bisher. Vor seinem womöglich 35. Geburtstag bricht er nach China auf, um seine Gipfeldiplomatie fortzusetzen.

Ungewöhnlich schnell berichten die nordkoreanischen Staatsmedien über die Reise von Machthaber Kim Jong Un nach China. Noch bevor er am Dienstagmorgen mit dem Zug in Peking eintrifft, wissen die Menschen des weithin abgeschotteten Landes schon, dass Kim in Sachen Gipfeldiplomatie unterwegs ist. Kein Wort verlieren die Medien in den Berichten über seinen - womöglich - 35. Geburtstag.

In Südkorea wurde sogleich spekuliert, das stalinistisch regierte Nordkorea wolle sich mit der relativ raschen Informierung als normales Land präsentieren, und «nicht viel anders als andere Staaten, was den Umgang mit solchen Angelegenheiten» betreffe, wie die Nachrichtenagentur Yonhap kommentierte. Die schnelle Berichterstattung über die Reise gilt als weiterer Beweis dafür, dass sich Kim im Stil und seinem Auftreten von seinem Vater Kim Jong Il unterscheidet, von dem er nach dessen Tod Ende 2011 die Macht übertragen bekommen hatte.

Kim Junior gibt sich gern leutselig, zeigt sich anders als sein Vater gerne unter Menschen, nimmt mit seiner Frau Ri Sol Ju an Konzerten und Sportveranstaltungen teil und hält öffentliche Reden oder, wie zuletzt am Neujahrstag, Fernsehansprachen.

Warum dagegen sein Geburtstag nicht groß im eigenen Land gefeiert wird, während die Geburtstage seines Vaters und seines Großvater Kim Il Sung als wichtige Feiertage begangen werden, ist unklar. Das hat für das Land, in dem um die Herrscher-Familie ein oft skurriler Kult mit eigener Mythenbildung zelebriert wird, große Bedeutung.

Der 8. Januar 1984 jedenfalls gilt nach Angaben der südkoreanischen Regierung als wahrscheinlichstes Geburtsdatum. Eine Bestätigung aus Nordkorea gab es bislang nicht. Doch als die «Washington Post» 2016 Kims in die USA geflüchtete Tante Ko Yong Suk interviewte, betonte diese, dass 1984 mit Sicherheit das Geburtsjahr sei: «Er (Kim) und mein Sohn waren von Geburt an Spielgefährten.»

In Südkorea wird auch die nach wie vor prekäre wirtschaftliche Gesamtsituation des Landes als Grund dafür gesehen, warum Kims Geburtstag quasi nicht stattfindet. Da die Sanktionen gegen Nordkorea aufgrund seines Atomwaffenprogramms andauern, könnten demnach größere Feierlichkeiten an Kim Jong Uns Geburtstag eventuell auch ein Risiko sein. Als Kim im April 2012 seine erste öffentliche Rede hielt, verhieß er den Bürgern, die herrschende Arbeiterpartei werde sie nicht mehr zwingen, «ihren Gürtel enger zu schnallen».

Als Kim im Juni des vergangenen Jahres bei seinem historischen Gipfeltreffen mit US-Präsident Donald Trump in Singapur eine Erklärung über Wege zur Beendigung des Atomstreits unterzeichnete, war damit für Pjöngjang auch die Hoffnung auf den Beginn einer Ära des Wohlstands verbunden. Doch die Verhandlungen mit den USA sind derzeit festgefahren. Diese wollen so lange an den eigenen Strafmaßnahmen und den UN-Sanktionen gegen Nordkorea festhalten, bis das Land konkrete Schritte zur atomaren Abrüstung unternimmt.

Pjöngjang sieht dagegen Washington am Zug und verlangt eine Lockerung der Sanktionen. Kim hatte im April angekündigt, sein Land werde die Atomtests und Starts von Interkontinentalraketen aussetzen und sich von nun an voll auf das Wirtschaftswachstum konzentrieren.

Mit der Führung in China, über das der größte Teil des nordkoreanischen Handels läuft, will sich Kim nun vor einem geplanten zweiten Gipfel mit Trump abstimmen. Kim braucht Rückendeckung für seine Forderungen. Der südkoreanische Geheimdienst teilte am Dienstag vor Abgeordneten mit, Kim werde mit Präsident Xi Jinping voraussichtlich auch über eine Lockerung von Sanktionen reden.

Unter Kim stärkte Nordkorea ganz allgemein private Initiativen und ließ auch mehr marktwirtschaftliche Mechanismen zu. Westliche Beobachter sehen in dem Land einen zunehmenden Materialismus und wachsende Kaufkraft. Doch sei beides vor allem auf die großen Städte beschränkt, insbesondere Pjöngjang. Die Kluft zwischen einer wohlhabenderen Schicht und dem ärmeren Teil der Bevölkerung wachse.

Vor allem im Winter könnte sich die Nahrungsknappheit für viele verschärfen. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef schrieb im Dezember über Nordkorea, dass in einer Bevölkerung von rund 25 Millionen Menschen die Nahrungssicherheit für 10,9 Millionen nicht gewährleistet sei. Den Menschen fehle der Zugang «zu lebenserhaltenden Grunddiensten wie etwa Wasser, sanitäre Anlagen und Hygiene».

Was die Macht Kims betrifft, so sieht ihn Südkorea nach einer Reihe von politischen Säuberungsaktionen in den vergangenen Jahren fest im Sattel. Kim schart Personen um sich, die sein Vertrauen haben.

Auch wenn Kims derzeitige Charmeoffensive andauert, so sehen Experten schwierige Bedingungen für die Verhandlungen mit den USA. Wenn Kim über «Denuklearisierung» spreche, bedeute das für ihn nicht nur die Aufgabe seines Atomwaffenarsenals, sondern eine Abrüstung auf der gesamten koreanischen Halbinsel, sagt der Forscher des Instituts für Nationale Vereinigung in Seoul, Park Hyeong Jung. Er sei skeptisch, dass Kim auf die Atomwaffen, die er als Sicherheitspfand sieht, wirklich verzichten wolle.

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