Cyberattacken durch russische Geheimdienste?

Foto: epa/Jerry Lampen
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LONDON/DEN HAAG (dpa) - Hackergruppen wie «Fancy Bear» oder «Sandworm» verüben seit Jahren schwere Angriffe auf Datennetze im Westen. Experten ordneten sie schon länger russischen Geheimdiensten zu. Nun folgen offizielle Vorwürfe aus London und Den Haag.

Der Westen wirft Russland in bisher schärfstem Ton vor, hinter vielen großen Hackerangriffen der vergangenen Jahre zu stecken. Dazu gehören auch die Cyberattacken auf den Deutschen Bundestag und das Datennetzwerk des Bundes. Agenten des russischen Militärgeheimdienst GRU seien zudem im April in den Niederlanden bei dem Versuch erwischt worden, sich ins Computernetz der Organisation für ein Verbot von Chemiewaffen (OPCW) zu hacken. Die OPCW untersuchte damals Chemiewaffen-Angriffe in Syrien sowie die Gift-Attacke auf den ehemaligen russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter Julia in Großbritannien.

Die niederländischen Ermittler hätten Laptops und Handys der Spione beschlagnahmt und untersucht, erklärte Verteidigungsministerin Ank Bijleveld am Donnerstag in Den Haag. Daraus sei deutlich geworden, dass auch Hacker-Attacken in der Schweiz und auf die strafrechtliche Untersuchung zum Abschuss des Passagierfluges MH17 geplant waren. Im Kofferraum des Autos fanden die Ermittler Spezialgeräte für Hacker-Angriffe.

Bereits im September war bekanntgeworden, dass zwei russische Spione im April aus den Niederlanden ausgewiesen wurden. Sie sollen auf dem Weg in die Schweiz gewesen seien, um sich dort in ein Labor der OPCW zu hacken. Der niederländische militärische Geheimdienst machte nun Fotos und Namen der insgesamt vier Männer öffentlich.

Wenige Stunden vor den Enthüllungen in Den Haag veröffentlichte die britische Cyberabwehr eine Liste von Hackergruppen, hinter denen «so gut wie sicher» der GRU stehe. Darunter ist auch «APT 28», die hinter den Angriffen in Deutschland vermutet wird. Experten gingen bereits davon aus, die offizielle Anschuldigung aus London untermauert nun den Verdacht. Russland wies den Vorwurf umgehend zurück.

Bei dem Angriff auf den Bundestag im Jahr 2015 hatten sich Angreifer so weitreichenden Zugang verschafft, dass die Bundestags-IT ausgetauscht werden musste. Bei dem im Februar bekannt gewordenen Angriff auf das sensible Datennetzwerk des Bundes und der Sicherheitsbehörden hatten Cyberspione unter anderem erfolgreich das deutsche Außen- und das Verteidigungsministerium attackiert. Dabei sollen sie auch Daten erbeutet haben.

Das britische National Cyber Security Center hat nach eigenen Angaben herausgefunden, dass der GRU für Attacken gegen die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA und die Demokratische Partei vor den US-Präsidentschaftswahlen 2016 verantwortlich ist. Zudem schreibt es dem GRU auch Angriffe zu, die unter anderem einen Flughafen in der Ukraine sowie eine TV-Station in Großbritannien trafen. Bereits früher hatte es Russland für weitere Angriffe verantwortlich gemacht. Beweise wurden zunächst nicht vorgelegt - Experten betonen aber stets, dass es extrem schwer ist, Cyberangriffe eindeutig zuzuordnen.

Politiker griffen zu scharfen Worten: Laut Außenminister Jeremy Hunt zeigen die Angriffe, dass Russland agiere, ohne das Völkerrecht zu beachten. Er hält weitere Sanktionen gegen Russland für möglich. Verteidigungsminister Gavin Williamson sagte am Rande eines Nato-Treffens in Brüssel: «So handelt keine Großmacht, das sind Handlungen eines Pariastaates.» Gemeinsam mit Verbündeten werde man weiter daran arbeiten, Russland zu isolieren. Auch die US-Regierung hatte Russland bereits für Hackerangriffe verantwortlich gemacht.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte Russland auf, unverzüglich die Hackerangriffe auf ausländische Computer und Datennetze einzustellen. «Moskau muss seine rücksichtlose Verhaltensweise beenden», sagte der Norweger. Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker verurteilten das Vorgehen, «das internationales Recht und internationale Institutionen untergräbt».

Williamson verwies darauf, dass Großbritannien und etliche Verbündete bereits nach dem Nervengift-Anschlag auf die Skripals etliche russische Diplomaten ausgewiesen hatten. Begründet wurden die Sanktion damals mit Hinweisen auf eine Verwicklung Russlands in den Anschlag. Bei der Tat wurde der in der früheren Sowjetunion entwickelte Kampfstoff Nowitschok verwendet und britische Ermittler vermuten zwei GRU-Agenten dahinter. Moskau weist jegliche Verantwortung für den Anschlag zurück.

Auch mit Blick auf die Cyberangriffe betonte das russische Außenministerium, London habe keine echten Beweise für die Anschuldigungen präsentiert. Die Fantasie der britischen Behörden kenne keine Grenzen mehr. «Hier wird einfach alles vermischt: GRU, Cyperspione und Kremlhacker. Das ist einfach eine Parfümmischung aus der Hölle», sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Donnerstag in Moskau. Der Satz war eine Anspielung auf die Angaben britischer Ermittler, wonach das Nowitschok-Gift in einer Parfüm-Probe transportiert worden sei. Eine Britin war gestorben, nachdem sie sich mit dem im Müll gefundenem vermeintlichem Parfüm eingesprüht hatte.

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