Wessinghage zum Olympia-Boykott: Konnten Schmidt nicht «umdrehen»

Foto: Pixabay
Foto: Pixabay

BERLIN: Vier Jahrzehnte nach dem Olympia-Boykott der Spiele in Moskau hat der frühere Weltklasse-Leichtathlet Thomas Wessinghage die Entscheidung des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt verteidigt. «Er sah sich politisch genötigt, die Entscheidung der Amerikaner mit zu tragen. Und deshalb empfahl er, dass die Deutschen die Olympischen Spiele in Moskau ebenfalls boykottieren. Das ist die Sichtweise des Politikers - und die akzeptiere ich», sagte der 68 Jahre alte Mediziner der Deutschen Presse-Agentur.

In einer Gesprächsrunde mit ausgewählten Sportlern habe er den Kanzler damals darauf hingewiesen, «dass Boykott immer für diejenigen blöd ist, die nicht hingehen...» Doch Schmidts Meinung habe festgestanden. «Wir konnten ihn jetzt nicht «umdrehen» und sagen: Wenn wir jetzt noch zehn Minuten diskutieren, dann gehen wir zurück und sagen: Wir fahren jetzt doch noch hin», schilderte der 5000-Meter-Europameister von 1982.

«Ich war niemals enttäuscht darüber, dass Deutschland sich politisch bekannt hat zu den USA als seinem Partner und Verbündeten», betonte Professor Wessinghage, der damals schon für Olympia qualifiziert gewesen war. Am 15. Mai 1980 votierte das deutsche NOK mit 59:40 Stimmen dafür, den USA zu folgen und keine Sportler nach Moskau zu schicken. Die Spiele waren dort am 19. Juli 1980 eröffnet worden.

«Heute wird man sagen, dass dieser Boykott keinen großen Effekt hatte. Das wusste ich aber damals nicht», argumentierte Wessinghage, der drei Wochen nach den Moskau-Spielen den noch heute gültigen DLV-Rekord über 1500 Meter aufstellte. «Aber ich habe den Gedankengang verstanden: dass Herr Carter (US-Präsident Jimmy Carter) sagt, hier wird das politische Gleichgewicht in der Welt verschoben, und da sollten wir reagieren.»

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.