Warmlaufen vor dem CDU-Parteitag

Verbaler Showdown in Leipzig?

Foto: epa/Friedemann Vogel
Foto: epa/Friedemann Vogel

BERLIN/BAD WALDSEE (dpa) - Die Gegner laufen sich warm für den CDU-Parteitag in ein paar Tagen. Parteichefin Kramp-Karrenbauer setzt auf Zukunftsthemen. Friedrich Merz lässt sich im Südwesten feiern und versichert: Kein Putsch.

Die 200 Delegierten der Jungen Union in der Turnhalle im oberschwäbischen Bad Waldsee klatschen begeistert zu dröhnender Musik. Sie jubeln, pfeifen, schreien beim Empfang, als wäre der ehemalige Unionsfraktionschef Friedrich Merz ein Popstar. Später rufen sie «Kanzler, Kanzler». Friedrich Merz wischt sich auf der Bühne den Schweiß von der Stirn. Er lächelt, streckt die Hände hoch. Merz hat bekanntlich viele Fans und Fürsprecher im Südwesten - voran Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.

Es ist der letzte größere öffentliche Auftritt von Merz vor dem CDU-Bundesparteitag in Leipzig am kommenden Freitag und Samstag. Der Unionsnachwuchs - traditionell konservativer als die CDU - hat mit Merz und JU-Chef Tilman Kuban namhafte Kritiker am Kurs von Parteispitze und Bundesregierung nach Oberschwaben eingeladen. Die JU setzt sich für einen Mitgliederentscheid in der Frage der Kanzlerkandidatur ein, was als Affront gegen CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer verstanden wird. Und auch Merz selbst hielt die vergangenen Tage die Debatte über die Kanzlerkandidatur am Köcheln.

An Samstag in Oberschwaben gibt sich Merz jedoch loyal. Es sei nicht die Zeit für Personaldebatten, sagt er. «Und wenn ich mich zu der ein oder anderen Person auch einmal kritisch äußere, dann ist das kein Putschversuch. Lasst mal die Kirche im Dorf!» Falls die GroKo platze, werde die CDU in der Lage sein, sehr schnell Entscheidungen zu treffen. «Ich bin bereit, daran mitzuwirken.» Nur im Team, nicht als One-Man-Show. Aber jedem im Saal dürfte klar sein, dass sich der 64-Jährige als Alternative zur Parteichefin sieht.

Kramp-Karrenbauer wandte sich derweil in der «Welt am Sonntag» gegen eine Überarbeitung des Koalitionsvertrags. «Der Koalitionsvertrag gilt, und er wird ganz sicher nicht neu verhandelt», lehnte sie entsprechende Vorstöße aus Union und SPD ab. Sie will die große Koalition in diesen Tagen weder von der einen noch von der anderen Seite über Gebühr belastet sehen.

Doch Kramp-Karrenbauer weiß auch: Delegierte, Unions-Anhänger und die Öffentlichkeit wird beim Parteitag vor allem interessieren, wer aus dem verbalen Showdown zwischen ihr und Merz als Sieger hervorgeht. Fliegen dem eher nüchternen Sauerländer Merz die Herzen zu? Oder gelingt Kramp-Karrenbauer wie schon vor ihre Wahl zur Vorsitzenden in Hamburg im Dezember 2018 eine emotionale Rede, mit der sie einen Großteil der Delegierten mitnehmen kann?

Viele gehen davon aus, dass Merz in Hamburg die Wahl zum Nachfolger von Angela Merkel als CDU-Chef vor allem deswegen verspielt hat, weil er bei seiner Rede weit unter seinen eigentlichen Möglichkeiten geblieben war. Und Merz, so heißt es in der CDU, habe diese Schmach von Hamburg immer noch nicht verwunden. Selbst ihm wohlgesonnene Parteifreunde fragen heute, ob er sich aktuell tatsächlich einen Gefallen getan hat, als er vor kurzem in einer Generalabrechnung mit der Politik seiner Intimfeindin Merkel («Regierung grottenschlecht») ausgerechnet mit der in Umfragen beliebtesten CDU-Vertreterin hart ins Gericht gegangen ist.

Für seine Unterstützer und ihn dürfte es auf dem Parteitag auch äußerst schwierig werden, außer Sympathiebekundungen oder Beifallsstürme konkrete Ergebnisse mit nach Hause zu nehmen. Denn AKK ist für zwei Jahre gewählt, der nächste offizielle Wahlparteitag steht erst Ende 2020 an - dort, so haben es Kramp-Karrenbauer und andere Parteispitzen mehrfach betont, werde auch über die Kanzlerkandidatur entschieden.

In Leipzig steht nur eine Wahl an: Die wegen ihres Wechsels an die EU-Kommissionsspitze als Parteivize ausscheidende Ursula von der Leyen muss ersetzt werden. Als aussichtsreichste Kandidatin gilt die niedersächsische Bundestagsabgeordnete Silvia Breher.

Und auch dass sich die Delegierten in ihrer Mehrheit von einer fulminanten Rede von Merz dazu hinreißen lassen werden, kurzfristig einen Initiativantrag auf die Tagesordnung zu setzen, nun sofort über den künftigen Kanzlerkandidaten - also Merz - zu entscheiden, gilt bei CDU-Insidern als fast ausgeschlossen. Die Parteistatuten ließen einen solchen Antrag gar nicht zu, heißt es dort.

Einmal gelte ein «Überrumpelungsverbot», das verhindern solle, dass Delegierte bei einem eigentlich als Arbeitstreffen angekündigten Parteitag mit derart weitreichenden Entscheidungen konfrontiert werden. Zum anderen seien als Inhalt von solchen Initiativanträgen nur Sach- und keine Personalfragen erlaubt, glaubt man in der Parteizentrale. Darüber hinaus warnen eigentlich alle, die in der Parteispitze etwas zu sagen haben, davor, die Fehler der Sozialdemokraten nachzumachen und die Umfragewerte mit einer langanhaltenden Personaldebatte weiter in den Keller zu treiben.

Die CDU sei keine Partei der Revolution, heißt es unisono. Und außerdem - das wissen auch ihre Kontrahenten - ist der Machtwille Kramp-Karrenbauers nicht zu unterschätzen. Bisher scheint sie jedenfalls trotz des immensen Drucks angesichts eigener Fehler und mieser Umfragewerte im entscheidenden Moment die Nerven zu behalten. Das war auf dem Deutschlandtag der Jungen Union so, wo Merz zuvor ebenfalls fast wie ein Heilsbringer gefeiert worden war. Und das war beim CSU-Parteitag vor ein paar Wochen auch nicht anders, als sie am Ende von den skeptischen Delegierten der Schwesterpartei unerwartet freundlich und mit viel Applaus verabschiedet wurde.

Fast alles werde davon abhängen, ob Kramp-Karrenbauer in Leipzig eine mindestens so gute Rede wie vor einem Jahr in Hamburg halten werde, heißt es aus Seiten ihrer Unterstützer. Erwartet wird, dass sie endlich ihre Visionen bei den entscheidenden Zukunftsthemen skizziert, dass sie liefert, bei Themen wie der Wirtschafts-, der Renten- und Sozialpolitik genauso wie der Außen- und Sicherheitspolitik oder der Digitalisierung.

Doch auch wenn die Revolte in Leipzig ausbleibt: Auf ruhige Monate der Konsolidierung wird sich Kramp-Karrenbauer nicht einstellen können. In zwei Wochen entscheidet die SPD bei ihrem Parteitag in Berlin über ihre künftige Führungsspitze - und damit womöglich auch über einen Ausstieg aus der ungeliebten großen Koalition. Spätestens dann wird die Debatte über die Kanzlerkandidatur erneut ausbrechen.

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Jürgen Franke 18.11.19 15:07
Wenn es lediglich auf die Redebeiträge
bei der Wahl ankommt, wird Merz die Nase vorne haben. Doch die Mehrheit der CDU Wähler will ihn nicht. Redebegabte Personen, die auch noch intelligent und finanziell unabhängig sind, mag man nicht. Frau AKK hat sich leider zu oft in der Vergangenheit mit ihren Äußerungen disqualifiziert. Die CDU könnte noch Herrn Laschet aus NRW ins Rennen schicken. Als Kanzlerkandidat käme aus Bayern jedoch Herr Söder in Frage.