RIAD: Die Entscheidungen über neue Welterbe-Bewerbungen stehen an. Auch eine deutsche Stätte hofft auf die Auszeichnung der Unesco. Ein beliebtes Reiseziel in Italien wird möglicherweise künftig als gefährdetes Erbe eingestuft.
Erfurt träumt vom Unesco-Welterbetitel. Rund 15 Jahre lang hat Thüringens Landeshauptstadt an der Bewerbung für ihr jüdisches Erbe gearbeitet, um die begehrte Auszeichnung zu erhalten. Zwischen dem 10. und 25. September tagt das zuständige Komitee der UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft, Kultur und Kommunikation (Unesco) in Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad und entscheidet, welche Stätten künftig auf die Welterbe-Liste kommen.
Unter den mehr als 50 Bewerbungen gibt es neben dem jüdisch-mittelalterlichen Erbe in Erfurt noch einen zweiten Antrag mit deutscher Beteiligung: die Landschaft mit alpinen und voralpinen Wiesen-, Weide- und Moorlandschaften im Werdenfelser Land, Staffelseegebiet und Ammergau in Bayern. Ein Sprecher des Landratsamtes kündigte allerdings Ende Juli an, der Landkreis Garmisch-Partenkirchen wolle seine Bewerbung zurückziehen. Grund sei, dass eine Beraterorganisation der Unesco die Gegend in Augenschein genommen und die Chancen als negativ beurteilt habe.
Auf der Liste der Nominierungen für einen Eintrag in die Welterbeliste stehen außerdem Wikingerburgen in Dänemark sowie der Bale-Mountains-Nationalpark in Äthiopien.
Die 45. Sitzung des Welterbekomitees sollte eigentlich im Juni 2022 in Russland stattfinden. Wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurde sie jedoch verschoben und wird nun in Riad nachgeholt.
Zu den bisher 1157 Kultur- und Naturstätten in 167 Ländern zählen das Great Barrier Reef in Australien, der Nationalpark Serengeti in Tansania, die Inka-Stadt Machu Picchu in Peru sowie die Pyramiden von Gizeh in Ägypten. In Deutschland gibt es bislang 51 Welterbe-Stätten.
Neu hinzukommen könnte in Kürze das jüdisch-mittelalterliche Erbe in Erfurt. Über den Antrag wird voraussichtlich am 17. oder 18. September entschieden. Konkret geht es unter anderem um mehrere Bauten der Altstadt, darunter ein vor rund 16 Jahren durch Zufall entdecktes mittelalterliches Ritualbad (Mikwe) sowie Erfurts Alte Synagoge. Nach einem Pogrom in der Stadt im Jahr 1349, bei dem quasi die gesamte jüdische Gemeinde ausgelöscht wurde, wurde die Synagoge zunächst zu einem Lagerhaus umfunktioniert und später als Gaststätte sowie Tanzsaal genutzt. Die Stadt vermutet, dass das Gebäude aus diesem Grund vor der Zerstörung durch die Nazis bewahrt wurde.
Heute befindet sich in der Alten Synagoge, deren älteste Bauspuren um 1094 datiert werden, ein Museum. Ausgestellt werden Zeugnisse des jüdischen Lebens im mittelalterlichen Erfurt, die ebenfalls Teil der Bewerbung sind. Dazu gehören mehrere Tausend Silbermünzen und -barren sowie Gold- und Silberschmiedearbeiten aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Forscher vermuten, dass dieser sogenannte Erfurter Schatz während des Pogroms 1349 vergraben wurde.
Bei der vergangenen Sitzung vor zwei Jahren zeichnete die Unesco erstmals jüdisches Kulturgut in Deutschland aus. Die sogenannten Schum-Stätten Mainz, Worms und Speyer erhielten damals als eine Wiege des europäischen Judentums den Welterbe-Titel.
Das Unesco-Komitee wird sich auf der Sitzung in Riad auch wieder mit gefährdetem Erbe auseinandersetzen und gegebenenfalls Maßnahmen zum Schutz und Erhalt der betroffenen Stätten erörtern. Bedroht werden sie demnach etwa durch den Klimawandel, Kriege, Naturkatastrophen oder Baumaßnahmen. In dem Zusammenhang berät die Unesco über Stätten in Bulgarien, der Türkei, der Ukraine sowie in Russland.
In die Liste des bedrohten Erbes könnte zudem auch Venedigs berühmte Lagune aufgenommen werden. Die Stadt wird häufig von Hochwasser heimgesucht. Im November 2019 richtete eine Rekordflut dort verheerende Schäden an. Auch Massentourismus gefährdet die Welterbestätte. Bereits bei der vergangenen Sitzung wurde deshalb die Option diskutiert, Venedig auf die Liste des gefährdeten Erbes zu setzen. Die Unesco sah damals jedoch davon ab.