Streit um 86 Cent - Karlsruhe entscheidet zu Rundfunkbeitragserhöhung

Euromünzen liegen neben den Logos der Apps von ARD und ZDF. Das Bundesverfassungsgericht verkündet an diesem Donnerstag seine Entscheidung über Verfassungsbeschwerden der öffentlich-rechtlichen Sender ARD, ZDF und Deuts... Foto: Soeren Stache/dpa
Euromünzen liegen neben den Logos der Apps von ARD und ZDF. Das Bundesverfassungsgericht verkündet an diesem Donnerstag seine Entscheidung über Verfassungsbeschwerden der öffentlich-rechtlichen Sender ARD, ZDF und Deuts... Foto: Soeren Stache/dpa

BERLIN: Sachsen-Anhalt hat die Erhöhung des Rundfunkbeitrags für ARD, ZDF und Deutschlandradio blockiert, es blieb bei monatlich 17,50 Euro. Die obersten Verfassungsrichter entscheiden nun wenige Wochen vor der Bundestagswahl, ob das so korrekt war.

86 Cent mehr können viel Geld sein. Haushalte in Deutschland sollten - so war es der Plan der Bundesländer - dieses Plus ab 2021 monatlich für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zahlen. So wäre in den nächsten Jahren mehr als eine Milliarde Euro zusätzlich für ARD, ZDF und Deutschlandradio zusammengekommen, um ihrem Auftrag als öffentlich-rechtliche Sender nachzukommen. Doch der Beitrag ist bei 17,50 Euro geblieben, weil sich ein Bundesland gegen die Erhöhung stemmte. Die obersten Verfassungsrichter haben nun in der Sache das letzte Wort.

Wieso entscheidet das Bundesverfassungsgericht?

ARD, ZDF und Deutschlandradio klagten im Dezember in Karlsruhe gegen die Blockade Sachsen-Anhalts. Eigentlich wollten die Bundesländer, die für Medienpolitik im Wesentlichen zuständig sind, in einem Staatsvertrag die Erhöhung des monatlichen Beitrags auf 18,36 Euro ab Jahresstart 2021 beschließen. Es hatten alle 16 Ministerpräsidenten zugestimmt und letztlich auch insgesamt 15 Landtage.

An was scheiterte es dann?

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zog das Papier vor der Abstimmung im Magdeburger Landtag im Dezember zurück. Zuvor drohte die schwarz-rot-grüne Koalition an einem Streit - auch im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Positionen zur Rundfunkbeitragserhöhung - zu zerbrechen. SPD und Grüne waren für das Plus, die CDU im Landtag stemmte sich aber mit aller Kraft dagegen - sie hätte mit der stärksten Oppositionspartei AfD eine Mehrheit bilden können. Haseloff kam dem jedoch zuvor. Die Koalition hielt, aber in der CDU gab es heftige Nachwirkungen bis hin zur Entlassung des Innenministers. Damit der Staatsvertrag zum Rundfunkbeitragsplus in Kraft tritt, hätte es eine einstimmige Entscheidung aller Länder gebraucht. Weicht nur ein Bundesland ab, ist das Ganze hinfällig.

Warum sollte der Rundfunkbeitrag überhaupt steigen?

In einem komplexen Verfahren wird in regelmäßigen Abständen errechnet, welche Kosten auf die öffentlich-rechtlichen Sender in den Folgejahren zukommen, damit sie den von den Ländern per Staatsvertrag festgelegten Auftrag und die Struktur ihrer Häuser finanzieren können. Die Länder bestimmen zum Beispiel, wie viele Programme es geben soll. Um konkrete Programminhalte geht es bei den Staatsverträgen nicht - das liegt in der Hand der Sender. Es gilt das Gebot der Pressefreiheit. Eine unabhängige Finanzkommission - kurz KEF - prüft die von den Sendern eingereichten Finanzprognosen. Die Prüfer streichen dann häufig vieles zusammen und kommen dann zu einer Empfehlung an die Politik zur Höhe des Rundfunkbeitrags - wie in diesem Falle 18,36 Euro. Das Plus von 86 Cent soll eine Finanzlücke von 1,5 Milliarden Euro, die sich in den nächsten Jahren auftun würde, decken.

Ist der Inhalt der Entscheidung in Karlsruhe schon absehbar?

Nein. Es ist bislang offen, wie die Verfassungsrichter mit den Beschwerden umgehen werden. Eilanträge der Sender hatte Karlsruhe im Dezember abgelehnt. Die Richter untermauerten ihre Entscheidung damals so: Die Sender hätten nicht gut genug begründet, warum es ihnen nicht möglich sein sollte, ihr Programmangebot für eine gewisse Zeit auch so weiter zu finanzieren, bis das Gericht in der Hauptsache entscheidet. In der Entscheidung führte das Gericht auch aus, dass die Verfassungsbeschwerden «weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet» seien. Mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung erscheine eine Verletzung der durch das Grundgesetz geschützten Rundfunkfreiheit «zumindest möglich».

Was sind mögliche Folgen des Beschlusses in Karlsruhe?

Auch das ist nicht absehbar. Es ist unklar, ob eine Entscheidung am Donnerstag automatisch auch Klarheit darüber bringt, ob der Rundfunkbeitrag steigt oder nicht. Oder ob die Länder womöglich einen neuen Staatsvertrag aushandeln müssen. Eine weitere denkbare Option ist, dass das Gericht grundsätzliche Hinweise geben könnte zur Art, wie die Höhe des Rundfunkbeitrags erhoben werden soll.

Was bedeutet das Urteil für Sachsen-Anhalt?

In Sachsen-Anhalt wollen sich CDU, SPD und FDP in dieser Woche auf den Entwurf eines Koalitionsvertrages einigen - im Juni hatte es Landtagswahlen gegeben. Wenn das Verfassungsgericht verlangen würde, die abgesagte Abstimmung des Landestags nachzuholen, stünde Haseloff kurz vor dem geplanten Ende der Koalitionsverhandlungen vor einem ähnlichen Problem wie im Dezember: Wenn die CDU-Fraktion ihr Nein ohne AfD-Stimmen durchbringen will, wäre sie auf die Stimmen von Linken, SPD oder Grünen angewiesen. Muss sich der Landtag nicht mit der Frage befassen, dürfte die Entscheidung aus Karlsruhe kaum Einfluss auf die Regierungsbildung in Magdeburg haben. Im neuen Koalitionsvertrag soll die Stabilität des Rundfunkbeitrags nicht mehr als Ziel auftauchen.

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