Präsident setzt sich auf die Malediven ab

Der Präsident Sri Lankas tritt nach gewaltsamen Protesten und der Erstürmung seiner Residenz zurück. Foto: Epa/Chamila Karunarathne
Der Präsident Sri Lankas tritt nach gewaltsamen Protesten und der Erstürmung seiner Residenz zurück. Foto: Epa/Chamila Karunarathne

COLOMBO: Im krisengeschüttelten Sri Lanka überschlagen sich die Ereignisse: Der bisherige Präsident flieht auf die Malediven, sein nicht minder unbeliebter Premier löst ihn vorübergehend ab. Eine Lösung für das politische Chaos ist nicht in Sicht.

Seit Monaten hat sich über Sri Lanka so etwas wie ein perfekter Sturm zusammengebraut. Menschen gingen täglich auf die Straße, um ihren Präsidenten loszuwerden. Am Mittwoch war der 73 Jahre alte Gotabaya Rajapaksa dann endlich weg. Faktisch entmachtet flog er gemeinsam mit seiner Frau in einer Militärmaschine in das nahe gelegene Urlaubsparadis Malediven, wie die Behörden beider Länder bestätigten. Aber der Jubel der Protestierenden in der Hauptstadt Colombo über diese Flucht hielt nur kurz an und schlug dann teils in Wut um.

Denn der ebenfalls unpopuläre Premierminister Ranil Wickremesinghe wurde übergangsweise zu seinem Nachfolger bestimmt. Der 73-Jährige verkündete kurz nach seinem Antritt einen Ausnahmezustand, verhängte eine Ausgangssperre und wies das Militär an, die Kontrolle zu übernehmen.

Trotzdem marschierten einige Hundert Menschen zum Büro des Premierministers, drängten durch die Tore und besetzen das Gebäude - so wie sie seit dem vergangenen Wochenende auch das Büro des Staatschefs und die offiziellen Residenzen des Präsidenten und Premierministers besetzt hatten.

Am Mittwoch setzten Sicherheitskräfte rund um das Büro des Premiers Tränengas gegen Protestierende ein, die lautstark den Rücktritt von Wickremesinghe forderten. Eigentlich hatte sich dieser am Wochenende noch dazu bereit erklärt. Einige Steine wurden geworfen, wie Fernsehbilder zeigten. Mindestens 35 Menschen - fast ausschließlich Protestierende - wurden dabei nach Angaben des größten Krankenhauses Colombos verletzt.

Der Sprecher des Parlaments Mahinda Yapa Abeywardena verkündete am Mittwochnachmittag in einer im Fernsehen übertragenen Rede, dass Noch-Präsident Gotabaya Rajapaksa am Mittwoch - wie zuvor angekündigt - seinen Rücktritt offiziell einreichen wolle. Der ließ diese Frist jedoch verstreichen. Der offizielle Präsidentenstatus garantiere ihm jedoch Immunität vor Strafverfolgung, hieß es in Medienberichten. Das Amt hatte Rajapaksa Ende 2019 angetreten.

Der Parlamentssprecher lud Anführer aller Parteien zu Gesprächen über die politische Zukunft des Landes ein. Die Abgeordneten des Parlaments sollen am 20. Juli einen neuen Staatschef wählen.

Der geschäftsführender Präsident Wickremesinghe plädierte am Mittwoch dafür, dass Amt des Premierministers rasch ein überparteilicher Kandidat gefundet wird.

Präsident Rajapaksa war lange beliebt auf dem Inselstaat südlich von Indien, und seine Familie hielt sich ebenfalls lange an der Macht. Er und sein Bruder wurden von der singhalesisch-buddhistischen Mehrheit als Helden gefeiert, die einen 26 Jahre langen Bürgerkrieg mit Zehntausenden Opfern beendeten, indem sie einen Aufstand tamilischer Rebellen brutal niederschlugen.

Dann braute sich so etwas wie der perfekte Sturm zusammen: wirtschaftlichen Fehlentscheidungen gingen einher mit Fehlinvestitionen in Großprojekte. Mit Krediten aus China wurde das Geld in unprofitable Prestigebauten wie einen Seehafen oder einen Flughafen oder ein Stadion versenkt.

Mit Steuersenkungen als eingelöste Wahlversprechen wurde der finanzielle Spielraum noch enger. Dann folgte die Corona-Pandemie. Touristen blieben unter anderem wegen der Lockdowns aus, damit aber auch die notwendigen Einnahmen.

Der Abwärtsstrudel drehte sich in der Folge immer schneller. Es fehlte Geld, um im Ausland Treibstoff oder Lebensmittel oder Medikamente zu kaufen. Bilder gingen um die Welt, wie verzweifelte Menschen vor Tankstellen in ellenlangen Schlangen stundenlang nach Benzin oder Diesel anstanden oder eben auch nach Gas zum Kochen. Der öffentliche Verkehr brach immer wieder zusammen - ebenso die Stromversorgung im Land.

Schließlich begann Russland seinen Angriffskrieg in der Ukraine. Als Folge internationaler Sanktionen wurden weltweit Lieferketten unterbrochen. Die Folgen bekam auch Sri Lanka zu spüren. Außerdem: Russische Touristen waren eine willkommene Einnahmequelle.

Die aus dem wirtschaftlichen Desaster folgenden Spannungen entluden sich in Demonstrationen, die seit vielen Wochen zum Alltag in Sri Lanka gehören. Die Protestierenden machten den jetzt geflüchteten Präsidenten und dessen Familie für ihr miserables Leben verantwortlich. Es folgten die Rücktrittsforderungen.

Nur, mit einem Wechsel an der Staatsspitze ist das Problem nicht gelöst. Das UN- Nothilfebüro warnte im Juni, die Krise könne eine sich anbahnende Hungerkrise verschärfen. Ein Viertel der 22 Millionen Menschen gilt als besonders verletzlich.

Das Land braucht vor allem frisches Geld. Von sechs Milliarden Dollar (sechs Milliarden Euro) bis zum Jahresende ist die Rede. Sri Lanka sendet inzwischen Signale in alle Welt aus. Indien und China oder der Golfstaat Katar sollen helfen, aber auch Russland. Präsident Wladimir Putin soll mit einem Kredit helfen, dass Sri Lanka den so dringend benötigten Treibstoff einführen kann.

Außerdem bemüht sich das Land, Schulden in Höhe von 50 Milliarden Dollar umzustrukturieren - also die Bedingungen und Laufzeiten für Rückzahlungen zu ändern. Außerdem soll der Internationale Währungsfonds (IMF) helfen.

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Norbert K. Leupi 14.07.22 23:40
" Schäfchen in...
die CH " ? Wohin denn sonst , denn die wahren Sozialhilfeempfänger sind bei uns doch die Banken und Reichen , die sich mit ihren tiefen Steuern und hohen Profiten auf Kosten des Staates und des Normalbürgers ein Leben in Saus und Braus leisten können ! ( Hoffen wir , dass gewisse Andersdenkende nicht wieder mit eine Neiddebatte kontern ! )
Rene Amiguet 14.07.22 22:50
Schäfchen in der Schweiz oder so
Bestimmt sind die gestohlenen Milli's (onen oder arden) schon längst in einem sicheren Hafen geparkt.
Ingo Kerp 14.07.22 13:50
Jetzt darf sich Sri Lanke mit Haiti darum streiten, wer der Ärmere ist. Dabei kann Sri Lanke lernen, wie Milliarden von Hilfsgeldern verschwinden koennen, ohne Ergebnisse für die Menschen. Es ist traurig, wie einige Politiker dieser Welt, ihr eigenes Volk berauben und betrügen. Eine Liste dieser Politiker würde den hiesigen Rahmen sprengen.