SPD will nicht über GroKo abstimmen

Duell Kühnert gegen Heil

Saskia Esken, designierte SPD-Parteivorsitzende, und Norbert Walter Borjans, designierter SPD-Parteivorsitzender, sprechen nach der Sitzung des SPD-Vorstands vor dem Willy-Brandt-Haus zu den Medienvertretrern. Foto: Kay Nietfeld/Dpa
Saskia Esken, designierte SPD-Parteivorsitzende, und Norbert Walter Borjans, designierter SPD-Parteivorsitzender, sprechen nach der Sitzung des SPD-Vorstands vor dem Willy-Brandt-Haus zu den Medienvertretrern. Foto: Kay Nietfeld/Dpa

BERLIN (dpa) - Hart hat die SPD-Führung um einen Kompromiss in der GroKo-Frage gerungen. Jetzt steht der entscheidende Antrag für den Parteitag. Doch die Spannung könnte sich an einer ganz anderen Stelle entladen.

Die SPD will mit ihrer neuen Führung auf dem am Freitag beginnenden Parteitag eine Abstimmung über einen Ausstieg aus der großen Koalition vermeiden. Das neue Führungsduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans will mit der Union aber über Nachbesserungen am Klimapaket und einen Mindestlohn von perspektivisch 12 Euro verhandeln. Zwischen Juso-Chef Kevin Kühnert und Arbeitsminister Hubertus Heil deutet sich eine Kampfkandidatur um den Posten des stellvertretenden Parteichefs an.

Der Vorstand habe ihn und Esken einstimmig als Vorsitzende nominiert, teilte Walter-Borjans am Dienstag nach einer Sitzung der Parteiführung mit. Die beim Mitgliederentscheid unterlegene Brandenburgerin Klara Geywitz sowie die saarländische SPD-Chefin Anke Rehlinger sollten auf Vizeposten rücken. «Es wird eine dritte Stellvertreterstelle geben, zu der es keine Empfehlung gibt, weil mit Kevin Kühnert und Hubertus Heil zwei Kandidaten antreten und der Parteitag das entscheiden wird», sagte Walter-Borjans. Allerdings ist es auch möglich, dass der Konvent doch vier Stellvertreter-Stellen schafft und somit beiden Kandidaten den Weg frei macht. Bisher ist mit einer Parteireform eine Reduzierung von sechs auf drei Vizeposten geplant.

Heil ist ein ausgewiesener Vertreter des Regierungskurses. Kühnert, der Esken und Walter-Borjans in deren Wahlkampf unterstützt hatte, ist ein GroKo-Kritiker. Zuletzt mahnte er in einem Interview aber: «Wer eine Koalition verlässt, gibt einen Teil der Kontrolle aus der Hand.»

Esken und Walter-Borjans wurde zuletzt wie Kühnert vorgeworfen, dass sie die GroKo-kritische Linie aus ihrem Wahlkampf nicht durchhielten. In dem unter ihrer Mitwirkung geschriebenen Leitantrag des Vorstands für den Parteitag heißt es: «Weder der Verbleib in einer Koalition noch der Austritt sind ein Selbstzweck. Für uns steht nicht die Frage im Vordergrund, ob wir die Koalition weiterführen oder beenden.» Entscheidend sei, mit CDU und CSU die Weichen für eine gute Zukunft zu stellen. Walter-Borjans sagte: «Es geht nach den Inhalten, es geht nicht nach der Frage, ob Ja oder ob Nein.»

Esken sagte, der Antrag sei ein guter Kompromiss geworden. «Sie werden nachvollziehen können, dass es nicht die reine Lehre sein kann dessen, wovon wir überzeugt sind.» Walter-Borjans meinte, sie hätten immer gesagt, «dass wir Brücken bauen wollen».

Frühere Forderungen des Duos etwa nach zusätzlichen staatlichen Investitionen von gut 450 Milliarden Euro binnen zehn Jahren finden sich in dem Vorstandsantrag nicht. Die SPD verweist darin lediglich darauf, dass Institute mit so einem Bedarf für Bildung, Verkehr, Kommunikationsnetze und Klimaschutz rechnen. Auch eine Aufgabe der schwarzen Null wird nicht gefordert - aber stetige Investitionen dürften nicht an dogmatischen Positionen wie der schwarzen Null scheitern. Langfristig jährlich zwei Milliarden Euro seien für eine Weiterführung des «Gute-Kita-Programms» nötig, eine Milliarde für den sozialen Wohnungsbau, zwei Milliarden für die Kommunen.

Mit Blick auf das geforderte Investitionsprogramm unabhängig von der Kassenlage sagte Esken der «Süddeutschen Zeitung» (Online): «Damit ist die schwarze Null Makulatur.» Und mit Blick auf den Bundesfinanzminister, der deren Verfechter ist: «Es geht darum, dass Olaf Scholz künftig noch mehr davon umsetzt, was die Partei will.»

Wie bereits in früheren Vorstandsanträgen fordert auch das neue Papier perspektivisch die Anhebung des Mindestlohns auf 12 Euro. Keine Zahl wird beim CO2-Preis genannt, nachdem die Koalition 10 Euro pro Tonne beschlossen hatte. Stattdessen heißt es nun: «Wir streben einen umfassenden, breit wirksamen sozialen Ausgleich an, der für jeden gleichmäßig wirkt, um einen höheren CO2-Preis zu ermöglichen.» Zudem soll es laut Antrag ein Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf Autobahnen geben.

Heil warnte seine Partei vor einem Ausstieg aus der Koalition. «Ich hielte es nicht für richtig, wenn die SPD ohne inhaltlichen Grund die Regierung verlässt», sagte er dem Nachrichtenmagazin «Focus». «Unser Ziel muss es sein, dass nach der Zeit von Angela Merkel auch die SPD wieder einmal den Kanzler oder die Kanzlerin stellen kann.» Geywitz sagte «Zeit Online», es gehe nicht um ein «Nachverhandeln» des Koalitionsvertrags. Es gebe darin noch viele Projekte, die die SPD umsetzen wolle.

Nach Einschätzung von Bundes-Vize Ralf Stegner wird die SPD für die weitere Zusammenarbeit in der Koalition weder rote Linien formulieren noch Ultimaten stellen. «Solche Dinge macht man nur, wenn man ganz besonders töricht ist - und das ist die SPD nicht», sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Die Chefin der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan, geht davon aus, dass Walter-Borjans und Esken für ihre linke Politik «keinen sehr großen Spielraum haben werden». Viel werde von Kühnert abhängen. «Er ist nicht nur der Königsmacher, sondern auch der eigentliche Stratege und die eigentliche Autorität», sagte Schwan der «tageszeitung».

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte sich zurückhaltend. Sie werde keine Erwartungen formulieren, sagte sie auf die Frage, was sie sich von dem Parteitag erhoffe und welche Auswirkungen ein möglicher Rücktritt von Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) auf die große Koalition von Union und SPD hätte. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte eine Verschärfung des Klimapakets. «Von der SPD erwarte ich, dass sie nicht nur Forderungen ins Schaufenster stellt, sondern auch entsprechend handelt», sagte er den Funke-Zeitungen.

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Jürgen Franke 06.12.19 21:30
Nun wird doch an der GROKO festgehalten
Die Hoffnungen einiger SPD Mitglieder sind somit nicht in Erfüllung gegangen