Klimawandel:Hunderttausende auf der Straße

Teilnehmer einer Demonstration füllen den Jungfernstieg. Foto: citynewstv/Dpa
Teilnehmer einer Demonstration füllen den Jungfernstieg. Foto: citynewstv/Dpa

BERLIN (dpa) - «Bye bye CO2», «Konsum killt unser Klima», «Wäre die Erde eine Bank, hättet ihr sie längst gerettet» - ein paar von vielen Slogans bei den Klimademos. «Fridays for Future hat uns alle aufgerüttelt», sagt Finanzminister Scholz.

Tanz, Trommeln und Blockaden: Für einen entschiedeneren Kampf gegen die Erderwärmung sind in Deutschland und rund um den Globus am Freitag Hunderttausende auf die Straße gegangen. Die Jugendbewegung Fridays for Future hatte erstmals ausdrücklich auch Erwachsene aufgerufen, sich an den Freitagsprotesten zu beteiligen.

Der Zulauf in Deutschland war groß: In Berlin gingen nach Angaben der Aktivisten etwa 270.000 Menschen auf die Straße, die Polizei ging von 100.000 aus. In Köln waren es laut Veranstalter 70.000, in Hamburg laut Polizei 70.000. In München und Hannover beteiligten sich gut 25.000 Menschen, und selbst in kleineren Städten wie Münster und Freiburg waren es rund 20.000. Fridays for Future erklärte, 1,4 Millionen Menschen hätten in der Bundesrepublik demonstriert.

In Paris gingen einem Bericht des Nachrichtensenders Franceinfo zufolge rund 10.000 Menschen auf die Straße, in der belgischen Hauptstadt Brüssel waren es nach Angaben der Polizei etwa 15.000. In London waren es nach Angaben der Veranstalter sogar 100.000 - Schätzungen der Polizei lagen zunächst nicht vor.

Auch unter anderem im südafrikanischen Johannesburg, dem indischen Delhi und in Athen gab es Demonstrationen. Allein in Australien folgten rund 300.000 Menschen dem Protestaufruf, wie die Veranstalter mitteilten.

Die schwedische Aktivistin Greta Thunberg äußerte sich aus New York per Livestream zufrieden über den Zuspruch zu den weltweiten Protesten. Übertragen wurde dieser vor Demonstranten in Stockholm. «Es ist unglaublich, was wir zusammen erreicht haben. Es ist ein historischer Tag», sagte sie, während die überwiegend jungen Schweden immer wieder jubelten und «Greta, Greta!» riefen.

Die von Thunberg angestoßene Klimabewegung wird von Schülern und Studenten getragen. Sie fordern von der Politik mehr Ehrgeiz im Kampf gegen die Erderhitzung und die drohende Klimakatastrophe. Vor allem müsse gemäß dem Pariser Klimaabkommen die globale Erwärmung auf unter 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit eingedämmt werden.

In ganz Deutschland waren in Dutzenden Städten mehr als 570 Aktionen und Demonstrationen angemeldet. Auf Plakaten waren Slogans zu lesen wie «Ihr habt verschlafen, wir sind aufgewacht», «Hört auf, uns zu verKOHLEn», «Kurzstreckenflüge nur für Bienen» oder «Dieser Planet wird heißer als mein Freund». In Berlin standen drei Menschen auf abtauenden Eisklumpen unter einem Galgen - mit einer Schlinge um den Hals. Vereinzelt wurden von Gruppen wie Extinction Rebellion Straßen blockiert, unter anderem in Frankfurt und Berlin. In Frankfurt drangen Protestierer in die Paulskirche ein. Für die internationale Streikwoche, die nun begonnen hat, haben Aktivisten Proteste in mehr als 2.900 Städten in über 160 Staaten angekündigt.

Adressat der Protestaktionen in Deutschland war auch das Klimakabinett der Bundesregierung, das am Freitag Eckpunkte für mehr Klimaschutz vorlegte. Unter anderem enthält es einen Preis auf den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids, jedoch auf niedrigem Niveau. Zugleich sollen aber auch Fernpendler entlastet werden. «Fridays for Future hat uns alle aufgerüttelt und in Erinnerung gerufen, dass wir Schritte jetzt gehen müssen, die wir in den vergangenen Jahren nicht gegangen sind», erklärte Finanzminister Olaf Scholz (SPD) bei der Vorstellung der Pläne.

Auf die Beschlüsse reagierte Fridays for Future auf Twitter mit Kritik. Die Aktivistin Luisa Neubauer schrieb: «Während Hunderttausende klimastreiken, einigt sich die GroKo anscheinend auf einen Deal, der in Ambitionen und Wirksamkeit jenseits des politisch und technisch Machbaren liegt.» Und weiter: «Das ist heute kein Durchbruch, das ist ein Skandal.»

Für Deutschland fordert Fridays for Future unter anderem, schon bis Jahresende alle Subventionen für fossile Energieträger wie Öl und Kohle zu streichen, ein Viertel der Kohlekraft abzuschalten und eine Steuer auf Treibhausgasemissionen zu erheben. Die Bewegung bekommt breite Unterstützung. Mit dabei sind Umwelt- und Entwicklungsorganisationen wie Greenpeace und Brot für die Welt, aber auch die Evangelische Kirche, die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Kulturrat.

Auch viele Bürger wünschen sich ein Umsteuern in der Klimapolitik. Laut ARD-«Deutschlandtrend» sind knapp zwei Drittel der von Infratest-dimap befragten Bundesbürger (63 Prozent) der Meinung, dass der Klimaschutz Vorrang haben sollte, selbst wenn dies dem Wirtschaftswachstum schadet.

Die Schwedin Thunberg, die zurzeit in den USA ist, demonstriert seit vergangenem Sommer jeden Freitag - also meistens während der Schulzeit - für mehr Klimaschutz. Ihr Schulstreik hat weltweit Menschen zu Demonstrationen inspiriert. An diesem Samstag startet der Jugend-Klimagipfel der Vereinten Nationen in New York, ihm folgt zwei Tage später der UN-Klimagipfel mit Staats- und Regierungschefs vor der UN-Generalversammlung.

Zum globalen Klimastreik wiesen Umweltaktivisten von Scientists for Future auf wissenschaftliche Fakten zur Erderhitzung hin. So sei weltweit die Durchschnittstemperatur bereits um ein Grad gestiegen, relativ zum Zeitraum 1850 bis 1900, schrieben die Wissenschaftler auf Twitter. Und die vergangenen vier Jahre seien die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gewesen. Auch sei es erwiesen, dass der Mensch mit seinen Treibhausgasemissionen nahezu vollständig verantwortlich sei für dieses Temperaturplus. Schon jetzt verursache die Erderwärmung in vielen Regionen Extremwetter wie Hitzewellen, Dürren, Waldbrände und Starkregen.

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Ronaldo 22.09.19 22:06
@Würgen Franke
Das muss heißen: "die Ausdrucksweise ÜBER die sich Frau K. beschwert hat." Den Satz mit "solange Kriege das Klima nicht gefärden..." habe ich leider inhaltlich nicht verstanden, der ist mir zu hoch. Und falls Ihre Stromrechnung (bei viel zu niedrigen 4 THB/kwh) zu hoch ist, dann machen Sie irgendetwas falsch. Ich kann Sie gern kostenlos und unverbindlich zum Thema Energieeffizienz beraten (Isolierung, effiziente Geräte usw.). Die Stromrechnung war noch nie das Problem. Wenn der Durchschnitts-BRD-Rentner in Thailand sein Leben lang KEINE Braunkohle-, Steinkohle- und Atomsubventionen in Form von Steuern und SV-Abgaben gezahlt hätte, dann hätte er heute ein Condo oder Häuschen mehr!
Mike Dong 22.09.19 14:25
@Ronaldo / Greta
Ein Fakt ist falsch an Ihrer Aussage, denn besagte alte Männer sitzen "vor" und nicht "hinter" ihren Bildschirmen und tun das was Sie so treffend beschreiben, und dazu "skypen" die noch.
Jürgen Franke 22.09.19 14:21
Die Ausdrucksweise erinnert etwas an die,
gegen die sich Frau Künast beschwert hat. Aber solange Kriege das Klima nicht gefährden, kann ruhig weiter demonstriert werden. Das Ergebnis erhalten wir mit der Stromrechnung.
Ronaldo 22.09.19 12:28
Eine 16 jährige bringt Millionen auf die Straße
während weiße alte Männer mit Schaum vorm Mund hinter ihren Bildschirmen hocken und weiterhin die Zeichen der Zeit verleugnen. Es wird Zeit, dass sich was bewegt. Bravo Greta!