Bayern lassen Bayer davonziehen

​«Schlag ins Gesicht» 

Die Spieler des FC Bayern reagieren nach der Niederlage im Fußball-Bundesligaspiel zwischen dem FC Bayern München und Werder Bremen in München. Foto: epa/Anna Szilagyi
Die Spieler des FC Bayern reagieren nach der Niederlage im Fußball-Bundesligaspiel zwischen dem FC Bayern München und Werder Bremen in München. Foto: epa/Anna Szilagyi

MÜNCHEN: Das Trainingslager in Portugal sollte den FC Bayern bei der Jagd auf Liga-Primus Leverkusen beflügeln. Und dann? Verlieren die Münchner daheim. Ein Ex-Münchner ist Bremens Matchwinner.

Eine gute Stunde nach dem mächtigen Wirkungstreffer im Titelkampf saß Thomas Tuchel konsterniert in der Münchner Arena und rang um Worte. «Das war ein großer Dämpfer für uns», sagte der Bayern-Trainer nach dem völlig verdienten 0:1 (0:0) gegen Werder Bremen. Der Titelkampf der Fußball-Bundesliga war Tuchel unter dem Eindruck der eigenen Fehlleistung am Sonntagabend herzlich egal. «Es ist müßig, auf Leverkusen zu gucken.» Auf sieben Punkte ist der Rivale zum Rückrundenstart davongezogen.

Das späte Aufbäumen nach dem Treffer des starken Mitchell Weiser in der 59. Minute wischte Tuchel fast beiseite, zu erschreckend war für ihn der Auftritt davor. «Wir haben 70 Minuten nicht wie eine Mannschaft gespielt, die den Sieg erzwingen will, die um die Meisterschaft spielen will, die eine Antwort geben will», kommentierte der 50-Jährige.

Im überschwänglichen Bremer Siegesjubel standen seine Spieler nach dem Schlusspfiff konsterniert auf dem Rasen. Einen Tag nach dem nächsten beeindruckenden Last-Minute-Sieg von Liga-Primus Leverkusen ließen matte Bayern den Rivalen drei Tage vor dem Nachholspiel gegen Union Berlin in der Tabelle auf sieben Punkte davonziehen.

«Wir waren einfach viel zu träge, einfach ohne Leben drin», sagte der lange Zeit auf der Bank schmorende Nationalspieler Thomas Müller bei DAZN: «Damit meine ich nicht, dass man rumschreit oder mit dem Stollen reingrätscht oder irgendwelche martialischen Dinge macht, sondern da geht es einfach darum: Wie sehr sieht man es einer Mannschaft an, dass sie ein Tor braucht, dass sie ein Tor will?» Mit bitterer Miene fügte Müller an: «Das war natürlich ein großer Schlag ins Gesicht für uns - aber da haben wir auch mitgeholfen.»

Ins Bild des ersten Werder-Sieges gegen den FC Bayern seit September 2008 passte in der ausverkauften Allianz Arena, dass ein Ex-Münchner das Siegtor erzielte. Der starke Mitchell Weiser traf in der 59. Minute nach einer brillanten Einzelleistung. Nationaltorhüter Manuel Neuer war ohne jede Abwehrchance. «Das war ein super Spiel von uns. Wir haben alles gezeigt, was es braucht, um hier zu gewinnen», sagte Weiser: «Wir hatten einen perfekten Tag, und dann kann man auch die Bayern schlagen.» Am Ende hielt der starke Werder-Torwart Michael Zetterer den Sieg für die Gäste fest. Unter anderem parierte er überragend gegen Bayern-Joker Mathys Tel (87.). «So einen Tag braucht man», sagte Zetterer.

Schon vor Weisers Geniestreich hatten die Bayern die Hilfe des Video-Assistenten benötigt. Ein Kontertor von Werder-Stürmer Justin Nijanmah in der 25. Minute nahm Schiedsrichter Marco Fritz auf Intervention des VAR zurück. Jens Stage hatte vor dem erfolgreichen Bremer Konter Bayern-Spielmacher Jamal Musiala per Foul vom Ball getrennt, was Fritz in der Live-Ansicht zunächst nicht so bewertet hatte. «Wir müssen natürlich den Ernst der Lage erkennen, dass wir nicht vorne stehen», sagte Kapitän Manuel Neuer.

Nach dem Kurz-Trainingslager in Portugal wirkten die Bayern-Stars im Münchner Winter wie eingefroren. Tuchel bewertete die Tage an der Algarve vor dem noch als «guten Impuls». Blöd, dass davon rein gar nichts auf dem Rasen zu sehen war. Statisch, ohne Hingabe, ohne Inspiration und ohne Tempo plätscherte das Angriffsspiel dahin. Tuchel nannte den Auftritt «schlampig» und ohne Struktur. Und im Gegensatz zum Vorbild Bayer Leverkusen verpufften auch die einstudierten Münchner Ecken-Varianten komplett.

Und Werder? Agierte defensiv kompakt und nach vorne auch ohne Nationalspieler Marvin Ducksch und Leonardo Bittencourt (beide Gelbsperre) mutig. Was fehlte, war lange Zeit nur die Belohnung. Das Tor von Nijnmah zählte nicht. Und Bayern-Kapitän Neuer lenkte bei einer Flugeinlage einen abgefälschten Schuss von Weiser mit den Fingerspitzen zur Ecke (24.).

Auf einen Impuls von der Bank mit Müller oder Leon Goretzka verzichtete Tuchel zur Halbzeitpause. Harry Kane schoss auf der Distanz (50.), aber einen Hallo-Wach-Effekt hatte die Aktion nicht. Vielmehr kam der große Moment von Weiser, der erst Alphonso Davies ausspielte und den Ball dann aus spitzem Winkel unter die Latte drosch. «Dass Mitch das Tor macht, war kein Zufall. Für uns ist er ein Unterschiedsspieler», sagte Werder-Coach Ole Werner: «Die Leistung der gesamten Mannschaft war außergewöhnlich gut.»

Tuchel musste in Rückstand reagieren. Müller, Goretzka und Tel kamen. Der Bayern-Druck nahm zwangsläufig zu. Sané, Tel und andere Bayern-Spieler prüften den in München geborenen Zetterer. Bremens Torwart stand in der Schlussphase ständig im Blickpunkt, ehe er mit seinen Feldspieler-Kollegen den großen Sieg bejubeln konnte. «Am Schluss war es Harakiri», sagte Tuchel zum Münchner Anrennen nach 70 Leerlauf-Minuten.

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michael von wob 23.01.24 03:30
Hi Ole
Ich gönne Vicekusen 1x die Meisterschaft. Haupsache daß die BL spannend bleibt bis zum letzten Spieltag. Ich hoffe daß FCB im CL mind. bis zum 1/2 Finale kommt. Im Sommer auch noch die EM und somit ist 2024 ein gutes Fußballjahr ! Kucke gerade die Handball EM D vs Hun .
Ole Bayern 23.01.24 03:10
Ja klar Herr Thielen ,
.... ist das das Salz in der Suppe . Und der FCB muß nicht immer wieder Meister werden , auch klar .
Wenn die Bayern die CL gewinnen bin ich vollends zufrieden , das steht mal fest . :-)))
Nach dem Spiel haben wir noch mit einem Bremer Fan - Truppe im Augustiner Keller angestoßen ,,,,
"schee war's" .
Ein Bremer sagte zu mir .... wir ( SVW ) sind zwar die besseren Fußballer , deswegen haben wir ja auch gewonnen :-))))) .... aber ihr ( Bayern ) habt das bessere Bier und die sowieso besten Bierkeller weltweit . Ja wir hatte 2 - 3 Stunden echten Gaudi , vollkommen freundlich ohne Aggression .... so soll es sein !

VG Ole
Herbert Thielen 22.01.24 15:40
Bayern-Niederlage
Moin, Ole Bayern. Wenn Sie mich schon so direkt fragen: Nein, keine Häme aber eine stille Genugtuung, dass so etwas noch möglich ist. Und beileibe keinen Triumphmarsch mit Fanfaren und Trompeten...:-))).
Ist einfach nicht mein /unser Stil. Denn wir wissen, wo wir herkommen. Freuen wir uns einfach, dass die Bundesliga diese Überraschungen hergibt. Denn sie sind das Salz in der Suppe, nicht wahr??
Grüße nach München
Ole Bayern 22.01.24 15:20
Das Glück ....
.... was sonst eigentlich immer dem FCB exklusiv zustand , hat jetzt B04 übernommen..
Die letzten Spiele haben die in der Nachspielzeit jeweils zum Siege geführt .
Die Bayern rennen 70 Minuten an und bringen nichts außer ca. ein dutzend Torchancen zustande , ohne Erfolg .... teilweise sogar jämmerlich vergeben, wie eine Oberliga - Mannschaft - unbegreiflich.
OK ... der Zug ist noch nicht raus aus dem Bahnhof für den FCB , aber schwer wird es allemal mit der erneuten Meisterschaft in 2024.
Ich prophezeie einmal , das sich die Meisterschaft bereits in 3 Wochen zumindest vorentscheiden kann.
Gewinnt B04 zu Hause gegen die Bayern, dann ist die Fahrt zur Meisterschaft für Leverkusen freigegeben ,
wenn nicht , also wenn der FCB gewinnen sollte , wird es weiter spannend bleiben.
Übrigens Herr Thielen ....liegen Sie noch unterm Tisch vor Freude über den SVW , es ist komisch ... beim Abpfiff gestern habe ich sofort an Sie gedacht, daß ich jetzt die Häme wohl auszuhalten habe :-))))) .... halte ich auch aus, da Fußball eben nur die schönste NEBENSACHE der Welt ist.

VG Ole
jaagen chon 22.01.24 13:10
Mia san mia
Mir gefaellts. Allein schon Tuchels Gesicht ist unbezahlbar!