Ex-KanzlerKernwillnachBrüssel

Österreichs Ex-Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern. Foto: epa/Michael Reynolds
Österreichs Ex-Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern. Foto: epa/Michael Reynolds

WIEN - Einen hellen Kopf der europäischen Sozialdemokratie zieht es nach Brüssel: Österreichs Ex-Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern will als Spitzenkandidat seiner Partei um Stimmen bei der Europawahl werben.

Die Rolle des Oppositionschefs passt bisher so ganz und gar nicht zu ihm. Christian Kern war erfolgreicher Manager, zeitweise Lichtgestalt der Sozialdemokraten in Österreich und Kurzzeit-Kanzler. Jetzt will der 52-Jährige nach nur zehn Monaten in der Opposition auf einer anderen politischen Bühne angreifen - und zwar in Brüssel. Zuvor hatte die SPÖ am Dienstag noch Medienberichte bestätigt, der 52-Jährige werde die politische Bühne verlassen und sich ganz aus der Politik zurückziehen. Später korrigierte sich die SPÖ. Wie es zu der Kehrtwende kam, blieb zunächst unklar.

Die Europawahl sei nicht die «Mutter aller Schlachten», aber doch besonders wichtig, sagte Kern in Wien. «Weil wir sehen dass das Konzept einer liberalen, weltoffenen Demokratie massiv herausgefordert wird von den Orbans, den Kaczynskis, den Straches, den Salvinis.» Die Spitzenkandidatur für seine Partei sei für ihn damit verbunden, spätestens nach der Europawahl den Parteivorsitz abzugeben.

Der Schritt erfolgt gut zwei Wochen vor dem SPÖ-Bundesparteitag, auf dem die Sozialdemokraten in Österreich die Weichen für die Rückkehr an die Macht stellen wollen. Die Genossen ringen innenpolitisch trotz aller ausgefeilten Strategiepapiere immer noch mit dem richtigen Kurs in der Migrationspolitik und der Frage: Wie halte ich es mit der rechten FPÖ? Denn strategisch gesehen kann nur eine Koalitionsfähigkeit von Rot und Blau, der Parteifarbe der Freiheitlichen, bei der nächsten Parlamentswahl in vier Jahren die Mehrheit bringen.

Solche nationalen Farbenspielen sind für Kern in einigen Monate aller Voraussicht nach nur noch zweitrangig. Stattdessen will er sich den Menschen entgegenstellen, «die die Abrissbirne gegen Europa einsetzen», wie er selbst sagt. «Ich denke, es ist für uns Sozialdemokraten in dieser Situation die wichtigste Herausforderung, dafür zu sorgen, dass das europäische Erbe bewahrt bleibt.»

Der 52-Jährige, zuvor Chef der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB), startete im Mai 2016 mit einem rhetorischen Paukenschlag als SPÖ-Chef. «Wenn wir dieses Schauspiel weiterliefern, ein Schauspiel der Machtversessenheit und der Zukunftsvergessenheit, dann haben wir nur noch wenige Monate bis zum endgültigen Aufprall.» Das war an die Adresse der allzu selbstgerechten Politik allgemein und der Sozialdemokraten im Besonderen gerichtet. Für diese Art des schonungslosen Artikulierens schätzten ihn viele. Sein Vorgänger war der als «Kuschel-Kanzler» schon mal belächelte Werner Faymann. Kern war der kantige, kluge Gegenentwurf.

Und er führte Österreichs Sozialdemokratie tatsächlich auf ein - gerade auch mit Blick auf die deutschen Verhältnisse - bemerkenswertes Niveau. Knapp 27 Prozent bei der Wahl im Oktober 2017, in Umfragen lagen die Sozialdemokraten zuletzt bei 28 Prozent. Davon kann die SPD nur träumen.

Kerns Verhängnis war Kurz. Der damals 30-Jährige krempelte in kürzester Zeit die lahmende konservative ÖVP zur flotten Bewegung um. Das Dauerthema Migration trieb Kurz die Wähler in Scharen zu. Er wurde jüngster Regierungschef in Europa - und sitzt heute dank einer vergleichsweise reibungslosen Koalition mit der rechten FPÖ fest im Sattel.

Kern stritt sich derweil parteiintern mit einigen Kritikern, nicht zuletzt Hans Peter Doskozil forderte den Parteichef mit öffentlichen Statements heraus. Der ehemalige Verteidigungsminister warnte die SPÖ vor «grün-linker Fundi-Politik», Adressat der Kritik war wohl eindeutig Kern. Wenn dieser nun nach Brüssel geht und sein Amt als SPÖ-Vorsitzender abgibt, gehört Doskozil zu den aussichtsreichen Kandidaten für die Nachfolge.

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Andreas Aichinger 21.09.18 02:33
Der einzige echte Sozaldemokrat war Kreisky, der nichtgewählte Ex BK Kern schaut nicht und hört nicht auf das eigene Volk, sondern Er ist ein Manager aus dem geschützten Bereich, Er schaut und hört nur auf Geld ! (das eigene) Wahrscheinlich bekommt Er in Brüssel mehr Geld als bei Siemens, wo es viele rote Versorgungsposten gibt. Aber vielleicht doch bei Schröder und Gazprom, was weis ich !
Jürgen Franke 19.09.18 19:48
Der Mann gehört nach Brüssel,
denn, wie aus dem Redaktionsbericht hervorgeht, war er auch mal die Lichtgestalt der Sozialdemokraten in Österreich. Dort trifft er sich dann sicherlich mit der Lichtgestalt der SPD, dessen Name ich bereits vergessen habe, aus Deutschland. Bekanntlich kamen die meisten Politiker, die es in Brüssel zu nichts gebracht haben, anschießend in ihre Heimatländer zurück. Hauptsache die Bezüge werden weiter gezahlt.