NS-Nachfahren: Für Demokratie einstehen

Klaus Maria Brandauer liest Dietrich Bonhoeffer-Texte während des Holocaust-Gedenkwochenendes. Foto: epa/Clemens Bilan
Klaus Maria Brandauer liest Dietrich Bonhoeffer-Texte während des Holocaust-Gedenkwochenendes. Foto: epa/Clemens Bilan

BERLIN: Ihre Eltern, Großeltern und Urgroßeltern haben sich dem NS-Unrecht entgegengestellt. Nun haben Nachfahren von Widerstandskämpfern in Deutschland einen dringenden Appell veröffentlicht. Sie sind tief besorgt.

Nachkommen deutscher Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus haben in einem Appell vor dem Zusammenbrechen der Demokratie gewarnt und mehr Engagement für eine offene Gesellschaft gefordert.

«Es waren unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern, die sich dem NS-Unrecht damals als Widerstandskämpfer entgegengestellt haben», heißt es in dem Aufruf, den die «Berliner Morgenpost» am Montag im Wortlaut veröffentlichte. «Deshalb melden wir uns als Angehörige und Nachkommen heute zu Wort und fordern alle Mitbürger dazu auf, der Neuen Rechten in unserem Land und europaweit die Stirn zu bieten.» Alle sollten sich dafür verantwortlich fühlen, die liberale und rechtsstaatliche Demokratie zu bewahren und zu verteidigen.

Das Schreiben mit dem Titel «Aus der Geschichte lernen, die Demokratie stärken!» wurde von mehr als 280 Frauen und Männern unterzeichnet, unter anderem den Nachfahren von Dietrich Bonhoeffer, Claus Schenk Graf von Stauffenberg und Carl Friedrich Goerdeler. Sie schreiben, dass Populisten und Feinde der Demokratie in vielen Ländern an Zustimmung gewännen, indem sie Ängste, Misstrauen und Hass schürten. «In Krisenzeiten sind Menschen dafür besonders empfänglich. Wir haben in Deutschland schon einmal erlebt, wohin das führen kann.»

Viele Menschen hätten vergessen, wie schnell Enttäuschung und Perspektivlosigkeit verführbar machten. «Wenn selbst Bundestagsabgeordnete von millionenfacher «Remigration» sprechen, wenn rechtsextreme Parteien in mehreren Bundesländern die Umfragen anführen und demokratische Parteien hilflos zwischen Anbiederung, abgrenzender Arroganz und Verbotsfantasien schwanken, dann müssen bei allen Anhängern der offenen Gesellschaft die Alarmglocken schrillen.»

Die Verfasser warnen in ihrem Appell: «Demokratische Strukturen und Institutionen können zusammenbrechen, wenn die Bürger nicht hinter ihnen stehen und sie bewahren helfen.» Deshalb brauche es ein stärkeres Engagement der Demokratinnen und Demokraten.

Die Massendemonstrationen gegen rechts der vergangenen Wochen bezeichnen die Nachfahren der Widerstandskämpfer als ermutigendes Zeichen. Demonstrationen alleine reichten aber nicht. Noch wichtiger sei es, wählen zu gehen. So wird in dem Appell auf die Europawahl Anfang Juni und die Befürchtung verwiesen, dass aufgrund einer niedrigen Wahlbeteiligung vor allem rechte Parteien zu den Gewinnerinnen zählen könnten.

Man beobachte mit Sorge, «dass die demokratischen Parteien bisher zu wenig Wahlkampf betreiben». Die Landtagswahlen in Brandenburg, Thüringen und Sachsen im September dürften nicht zugunsten der AfD ausgehen. Neben der Stimme bei der Wahl sei auch die Debatte mit Freunden, Bekannten, Kollegen und in den Medien gefragt.

«Wir sind überzeugt, dass es eine gute Zukunft geben kann - wenn wir es schaffen, gemeinsam daran zu arbeiten. Lasst uns aus der Geschichte lernen und die Demokratie stärken!»

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