Mit der Sonne im Tank - Schweizer fliegen ohne Kerosin um die Welt

 Die Schweizer Piloten und Abenteurer Bertrand Piccard (l.) und Andre Borschberg (3. v. l.) nach ihrer Landung in Abu Dhabi. Foto: epa/Peter Klaunzer
Die Schweizer Piloten und Abenteurer Bertrand Piccard (l.) und Andre Borschberg (3. v. l.) nach ihrer Landung in Abu Dhabi. Foto: epa/Peter Klaunzer

ABU DHABI/ZÜRICH (dpa) - Blitzsauber um den Globus: Die Flugpioniere Piccard und Borschberg haben ihre Mission für eine Zukunft mit erneuerbaren Energien erfüllt. Dennoch bleiben Passagierflüge mit Sonnenkraft eine Utopie.

Was für ein Triumph. Ohne einen Tropfen Kerosin, allein mit der Kraft der Sonne sind die Schweizer Forscher, Piloten und Abenteurer Bertrand Piccard (58) und André Borschberg (63) um die ganze Welt geflogen. Eine Pionierleistung, die viele Experten noch vor wenigen Jahren für unmöglich hielten. Umso größer nun die Begeisterung über den Sonnenflieger «Solar Impulse 2» (Si2). «Das war eine Heldentat, sowas auf die Beine zu stellen und durchzuziehen», sagt Professor Josef Kallo, der beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Technologien für emissionsfreies Fliegen entwickelt.

Die Schweizer Flugpioniere und ihr Team mit mehr als 80 Ingenieuren und Technikern verdienten ein Riesenlob, findet auch DLR-Forscher Marc Böswald. «Sie haben in jahrelanger Arbeit jedes einzelne Bauteil genauestens bedacht, berechnet, geprüft und aufeinander abgestimmt, so dass diese Maschine so leicht und zuverlässig wie irgend möglich wurde.»

Seit 2008 haben DLR-Experten die Entwicklung von «Solar Impulse» unterstützt. Sie führten die Standschwingungstests durch, die zur Bewertung der sogenannten Flattergefährdung des Flugzeugs erforderlich waren. Eine Flügelspannweite größer als bei einem Jumbojet, aber nur ein kurzer Rumpf mit dem Ein-Personen-Cockpit bei lediglich dem Gesamtgewicht eines Mittelklasseautos - da hätten schon kleine Böen große Verformungen hervorrufen können, wären nicht alle Komponenten optimal aufeinander abgestimmt gewesen.

Kein Wunder, dass die größten Herausforderungen - und sensationellen Rekorde - jeweils die Überquerungen der Ozeane mit ihren schwer vorhersehbaren Windverhältnissen waren. Die ganze Welt staunte, als Borschberg in einem fünf Tage und Nächte dauernden Flug den Pazifik überquerte und dann müde, aber sicher auf Hawaii landete. Nach solchen Etappen wurde ordentlich gefeiert. «Zum Glück ist einer unserer Sponsoren ein Champagnerhersteller», sagte Piccard.

Die beiden wechselten sich auf den 17 Etappen im Solo-Cockpit ab. Jeder durfte weltbekannte Bauten überfliegen. Piccard drehte eine Ehrenrunde über die Golden-Gate-Brücke, Borschberg über der Freiheitsstatue. Piccard absolvierte den Solarflugrekord über den Atlantik nach Spanien, Borschberg winkte den Pyramiden bei Kairo von oben zu, ehe Piccard dann die letzte Etappe zum Start- und Zielflughafen Abu Dhabi in Angriff nahm.

Doch es ging natürlich um weit mehr, als das Aufsehen erregende Überfliegen von Sehenswürdigkeiten: «Wir wollen eine neue Welt repräsentieren, eine Welt mit sauberer Technologie», sagte Piccard. «Denn wir glauben an eine saubere Zukunft und wir glauben, dass sie jetzt begonnen hat.»

Heißt das, wir können in absehbarer Zeit quasi mit der Sonne in den Urlaub fliegen, und der Kerosin-Zuschlag fällt weg? Nein. Denn was Reiseveranstalter wohl als netten Werbeslogan aufgreifen würden, bleibt trotz der eindrucksvollen «Si2»-Rekorde nach Einschätzung der meisten Experten auf lange Zeit Utopie.

Dass Flugzeuge von Elektromotoren durch die Lüfte getragen werden, halten Forscher zwar für realistisch. Aber aus Solarzellen könne die erforderliche Antriebsenergie für Passagierflugzeuge einfach nicht gewonnen werden. Schon um mit nur einer Person zu fliegen, brauchte «Si2» mehr als 200 Quadratmeter Fläche für Solarzellen auf den Flügeln. Für 100 Passagiere und hohe Fluggeschwindigkeiten wären jedoch mehrere Quadratkilometer nötig.

Die Lösung auf dem Weg zum emissionsarmen Fliegen mit Elektromotoren seien Hybride aus Gasturbinen oder Wasserstoffbrennzellen und Hochleistungsbatterien, sagt Josef Kallo. «Speziell mit Wasserstoffbrennstoffzelle funktioniert ein viersitziges Flugzeug namens «HY4», das wir beim DLR entwickelt haben. Ende September soll es in Stuttgart zum offiziellen Erstflug starten.»

Bis zur Serienreife dieses deutschen Elektro-Viersitzers sei «noch Fleißarbeit von fünf bis sieben Jahren erforderlich», sagt Kallo. Dann könne «HY4» zum Beispiel als Lufttaxi auf kurzen Strecken eingesetzt werden. «Bis 20-Sitzer mit Wasserstoffbrennzellen unterwegs sind, dürften noch 15 Jahre vergehen, bei 70-Sitzern etwa 20 Jahre», schätzt der DLR-Forscher.

Auch in den USA und anderen Ländern wird an der Entwicklung solcher Flugzeuge gearbeitet. Überall wird aber nur mit kleineren Maschinen und geringen Reichweiten gerechnet. Der Mittel- und Langstreckenverkehr bleibt auf lange Zeit den Kerosin-Fliegern vorbehalten - und er wird noch zunehmen.

Die Flugzeugbauer Airbus und Boeing erklärten kürzlich, dass sie mit starken Zuwächsen im Luftverkehr rechnen - vor allem in aufstrebenden Wirtschaftsmächten wie Indien, China oder Brasilien. Nach ihren Schätzungen werden Airlines weltweit in den nächsten 20 Jahren zwischen 33.000 und 40.000 neue Flugzeuge mit jeweils mindestens 100 Sitzplätzen anschaffen.

Der Gesamtwert liegt laut Schätzungen bei über fünf Billionen Euro. Wenigstens ein kleiner Teil davon könnte mit umweltschonenden Technologien verdient werden, meint DLR-Forscher Böswald. Die Schweizer hätten für «Si2» Innovationen geschaffen, die bei der Konstruktion herkömmlicher Flugzeuge verwendbar wäre. Denkbar sei zum Beispiel, dass eines Tages mit Solarzellen auf den Tragflächen ein Teil der für die Bordversorgung benötigten Energie gewonnen wird.

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