Merkel reist nach Japan

Archivfoto: epa/Kay Nietfeld
Archivfoto: epa/Kay Nietfeld

BERLIN/TOKIO (dpa) - Zwei Tage lang nimmt sich Kanzlerin Merkel für den ersten bilateralen Japanbesuch seit 2015 Zeit. Es geht um die Wirtschaft - und um Partnerschaft in einer sich verändernden Welt.

Mit einem zweitägigen Besuch in Japan will Kanzlerin Angela Merkel an diesem Montag und Dienstag ein Signal für multilaterale Krisenlösungen und freien Welthandel senden. In der Hauptstadt Tokio ist nach der Ankunft am Montag ein Gespräch mit Ministerpräsident Shinzo Abe geplant. Dabei dürften auch aktuelle Themen wie die Aufkündigung des INF-Vertrags zum Verzicht auf atomar bewaffnete Mittelstreckenwaffen zwischen den USA und Russland sowie die Lage in Venezuela zur Sprache kommen. Die Kanzlerin war zuletzt 2015 zu einem bilateralen Besuch in Japan.

Krisen, Handel und Werte im Mittelpunkt

Deutsche Regierungskreise betonen, angesichts der schwieriger gewordenen weltpolitischen Rahmenbedingungen mit Konflikten zwischen den USA, China und Russland solle von dem Besuch das Signal einer engen Partnerschaft ausgehen. Beide Länder stehen vor ähnlichen Herausforderungen beim demografischen Wandel, der Digitalisierung, Veränderungen am Arbeitsmarkt und der Energieversorgung.

Deutschland und Japan verbinde eine Wertepartnerschaft, hieß es weiter - man teile grundlegende Überzeugungen wie das Bekenntnis zu Multilateralismus, Demokratie und freien Handel. Dies konnte auch als Zeichen in Richtung von US-Präsident Donald Trump gewertet werden, der auf einen nationalistischen Kurs und Protektionismus setzt. Abe dürfte sich angesichts der anhaltenden territorialen Konflikte mit China im Ost- und Südchinesischen Meer von Merkel auch ein Signal der Unterstützung für multilaterale Konfliktlösung erhoffen.

Weitere Themen des Gesprächs von Merkel und Abe dürften das Atomprogramm Nordkoreas, das für Japan eine besondere Bedrohung bedeutet, sowie die Zukunft des Atomabkommens mit dem Iran sein. Daneben wird die Vorbereitung des G20-Treffens der großen Wirtschaftsmächte Ende Juni in Osaka eine Rolle spielen. Neben den üblichen Themen Handel, Klima und Multilateralismus will Abe dort die Bereiche Digitalisierung, künstliche Intelligenz, den freien Datenfluss sowie die Unterstützung der Welthandelsorganisation WTO im Bereich digitalen Handels zu einer der Prioritäten machen.

Am Dienstag ist ein Treffen der Kanzlerin mit Kaiser Akihito geplant - Merkel kommt zum dritten Mal mit ihm zusammen. Der 85-jährige Monarch wird am 30. April abdanken. Später will sie auch mit dem 58 Jahre alten Kronprinzen Naruhito sprechen, der seinem Vater am 1. Mai auf den Thron folgen soll. Geplant ist zudem eine Diskussion Merkels mit Studenten der Keio-Universität, einer der bedeutendsten Privatuniversitäten Japans mit starker internationaler Ausrichtung, sowie eine Rede auf einem Wirtschaftsforum.

Eine zentrale Rolle bei dem Besuch wird die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen spielen. Japan ist für die Bundesrepublik der zweitgrößte Handelspartner in der Region nach China, Deutschland der wichtigste Handelspartner Japans in der EU. Insgesamt machen etwa 400 deutsche Unternehmen in Japan Geschäfte. An diesem Freitag war das Freihandelsabkommen der EU mit Japan in Kraft getreten. Es ist das bisher größte von der EU geschlossene Abkommen und soll Märkte mit mehr als 600 Millionen Menschen verbinden. Insgesamt soll es 40 Prozent des Welthandels umfassen.

Die wichtigsten Themen beim Besuch der Kanzlerin in Japan

INTERNATIONALE ORDNUNG: Seit dem jüngsten bilateralen Besuch der Kanzlerin in Japan 2015 haben sich viele Konstanten verändert. In den USA regiert inzwischen Präsident Donald Trump mit seiner Abneigung gegen multilaterale Krisenlösung und freien Welthandel. China tritt offensiver auf, das Riesenreich strebt selbstbewusst eine stärkere internationale Position an. Und Russland mischt kräftig mit, wenn es um die neue Austarierung des weltweiten Kräfteverhältnisses geht.

Für die Kanzlerin geht es angesichts dessen darum, die Zusammenarbeit mit verlässlichen Partnern wie Japan zu stärken - von einer Wertegemeinschaft ist die Rede. Merkel und Ministerpräsident Shinzo Abe dürften die Bedeutung internationaler Krisenlösungen hervorheben.

KRISEN: Der multilaterale Ansatz gilt für Merkel und Abe gerade auch nach der Kündigung des INF-Vertrags über Mittelstreckenraketen mit atomarer Bewaffnung durch die USA und angesichts der Krise in Venezuela. Zwar sind die USA seit dem 2. Weltkrieg wichtigste Schutzmacht Japans und Abe war schon öfters mit Trump golfen. Aber etwa im Streit um das Atomabkommen mit dem Iran sind sich Berlin und Tokio einig: Es soll erhalten werden. Beide Länder müssen sich hier mit der US-Sanktionspolitik auseinandersetzen.

Für Abe ist das Verhältnis zu Peking und Moskau besonders kniffelig. China ist größter Handelspartner Japans - im Süd- und Ostchinesischen Meer gibt es aber andauerende Territorialkonflikte. Gleiches gilt für Russland: Zwar spricht man über tiefere Wirtschaftsbeziehungen, aber eine Lösung der Territorialkonflikte ist kaum absehbar.

WELTHANDEL: Berlin und Tokio verfechten den freien Welthandel - und stehen klar gegen Trump. Am Freitag ist das Freihandelsabkommen der EU mit Japan in Kraft getreten - das bisher größte von der EU geschlossene Abkommen dieser Art. Es soll Märkte mit mehr als 600 Millionen Menschen verbinden und 40 Prozent des Welthandels umfassen. Japan ist nach den USA und China die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt und damit ein sehr interessanter Absatzmarkt für europäische Unternehmen. Merkel und Abe sind für eine Reform der Welthandelsorganisation WTO - die von Trump kritisiert wird.

AUSBAU DER WIRTSCHAFTSBEZIEHUNGEN: Auch wenn eine Unterzeichnung von Abkommen nicht geplant ist - gerade was den Ausbau der Zusammenarbeit in den Zukunftstechnologien angeht, dürfte der Besuch spannend sein. Abe hat in der japanischen G20-Präsidentschaft für den Gipfel im Juni in Osaka die Themen Industrie 4.0, Digitalisierung und künstliche Intelligenz zu einer Priorität gemacht.

Auch in der Diskussion, ob der umstrittene chinesische Telekommunikationsanbieter Huawei beim Ausbau der 5G-Technologie in Deutschland zum Zuge kommen soll, könnte es interessante Ansätze geben: Merkel besichtigt zum Abschluss ihres Besuchs das Labor für künstliche Intelligenz eines Unternehmens, dass sich auch intensiv mit 5G-Netzwerkausrüstung beschäftigt.

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Ingo Kerp 04.02.19 13:26
Da bangen die Piloten und die Flugbereitschaft, ob der Flieger auch abhebt. Das nächste Zittern gibt es dann, wenn Merkel wieder heim kommen moechte.
Jürgen Franke 03.02.19 23:42
Hoffentlich hält diesmal die Maschine
Ein sicherlich spannender Besuch, da es gilt, wieder etwas gegen Trump zu stänkern. Die mitfliegende Wirtschaftsdelegation wird dafür sorgen müssen, dass sich Besuch auch gelohnt hat.