Wer gibt nach - Merkel oder Seehofer?

Bundeskanzlerin Angela Merkel. Foto: epa/Hayoung Jeon
Bundeskanzlerin Angela Merkel. Foto: epa/Hayoung Jeon

BERLIN (dpa) - Wer gibt nach - Merkel oder Seehofer? Bislang zeigt im Asylstreit von CDU und CSU keiner der beiden Politiker Kompromissbereitschaft. Dabei steht letztlich sogar die Regierungskoalition auf dem Spiel. Und sogar noch mehr, wie aus der SPD gewarnt wird.

Im hitzigen Unionsstreit um die Asylpolitik lässt Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kein Abweichen von ihrer Position und damit Zugehen auf die CSU erkennen. In ihrer wöchentlichen Videobotschaft beharrte sie am Samstag auf einer europäischen Lösung und blieb damit weiter auf Konfliktkurs zu ihrem Innenminister Horst Seehofer (CSU). Dieser pocht darauf, Flüchtlinge - quasi im nationalen Alleingang - an der Grenze zurückzuweisen, wenn sie bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden.

Nach einem Medienbericht betrifft dies derzeit etwa ein Viertel aller Asylbewerber. Bis Ende Mai hätten in diesem Jahr rund 78 000 Menschen Asyl in Deutschland beantragt, schreibt die «Passauer Neue Presse» (Samstag) und beruft sich dabei auf Zahlen des Innenministeriums, das diese nicht bestätigen wollte. Bis Mitte Juni seien 18 349 Asylsuchende in Deutschland aufgenommen worden, die bereits in der europäischen Fingerabdruckdatei Eurodac erfasst waren. Sie hätten nach den geltenden Dublinregeln ihr Asylverfahren in dem EU-Staat durchlaufen müssen, in dem sie registriert worden waren. Allerdings sind diese Zahlen weit niedriger, als zur Hochzeit der Flüchtlingskrise ab Sommer 2015. Damals kamen pro Tag bis zu 10.000 Menschen nach Deutschland.

Merkel betonte in ihrem Podcast, das Thema Migration sei «eine Herausforderung, die auch eine europäische Antwort braucht. Und ich halte dieses Thema für eines der entscheidenden für den Zusammenhalt Europas.»

Die CSU-Führung will nicht mehr auf eine europäische Lösung warten, nachdem es Merkel seit Beginn der europäischen Flüchtlingskrise 2015 nicht gelungen ist, eine umfassende Einigung mit den EU-Partnern zu erzielen. Merkel setzt nun auf den EU-Gipfel am 28. und 29. Juni.

Der früherer Außenminister Sigmar Gabriel warf CDU und CSU vor, «unglaublich verantwortungslos» zu handeln. «Sie verhalten sich wie Oppositionsparteien, obwohl sie die Verantwortung für die Regierung tragen - etwas, was man bislang nur von der SPD kannte», schrieb er in einem Beitrag im «Tagesspiegel» (Samstag) und warnte: «Wer jetzt eine Regierungskrise in Deutschland herbeiführt, wird Europa zum Beben bringen.»

Merkel hatte bereits in den Vortagen die Möglichkeit ins Auge gefasst, mit einzelnen Ländern wie Italien oder Griechenland bilaterale Abkommen zu schließen, um dort bereits registrierte Flüchtlinge an der Grenze zurückweisen zu können. Man sei sich zwar grundsätzlich einig, dass Asylanträge jeweils im Erstankunftsland der Migranten in Europa bearbeitet werden sollten. Die Zurückweisung sei aber in diesem Fall nicht das richtige Mittel, «weil es eine unilaterale Maßnahme ist».

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ergänzte in diesem Zusammenhang, solche bilateralen Vereinbarungen erreichten im Grund das gleiche Ziel, wie es die CSU habe, aber in einem europäischen System. Vorbild könnte ein bestehendes Abkommen zwischen Frankreich und Italien sein.

Seehofer war am Vortag mit Kramp-Karrenbauer aneinander geraten. Diese hatte in einem Brief an die Parteimitglieder geschrieben, dass die von Seehofer geforderten Zurückweisungen an der Grenze die Gefahr bergen, «Europa weiter zu spalten und zu schwächen». Seehofer hielt ihr daraufhin in der «Süddeutschen Zeitung» vor, nicht seine CSU, sondern die CDU sei es gewesen, «die mit der Flüchtlingsentscheidung 2015 die Spaltung Europas herbeigeführt hat».

Fast wortgleich argumentierte am Samstag auch der AfD-Vorsitzende Alexander Gauland: «Die deutsche Kanzlerin und ihre CDU haben Europa gespalten», erklärte er in einer schriftlichen Mitteilung. «Jetzt nach einer europäischen Lösung zu rufen, ist nicht nur wohlfeil und unrealistisch, es ist geradezu grotesk. Deutschland bricht mit seiner Asylpraxis europäisches Recht - und das seit Jahren.»

Im Krisenjahr 2015 waren rund 890 000 Flüchtlinge weitgehend unkontrolliert nach Deutschland eingereist. Das verschärfte die Überforderung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), was nun auch der Behördenleiterin Jutta Cordt den Posten kostete. Sie hatte das Amt erst Anfang 2017 übernommen. Die 54-jährige Beamtin werde von ihren Aufgaben entbunden, teilte das Bundesinnenministerium am Freitagabend mit.

Brandenburgs CDU-Landesvorsitzender Ingo Senftleben rief die CSU zur Mäßigung und Kompromissbereitschaft auf. Eine Einigung sei zwingend notwendig, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Samstag). «Denn jedem ist doch klar: Ohne Einigung stellt sich automatisch die Frage nach der Zukunft der Unionsgemeinschaft.» Dies käme auch dem Ende der Regierungskoalition gleich. «Und das würde ein politisches Erdbeben nach sich ziehen.» Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber hielt im Redaktionsnetzwerk Deutschland dagegen: «Die Frage nach der Zukunft der Fraktionsgemeinschaft stellt sich für die CSU nicht. Die stellt sich allenfalls denjenigen, die den Weg des zuständigen Bundesinnenministers nicht mitgehen wollen.»

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Jürgen Franke 18.06.18 22:03
Herr Kromarek, ich gehe davon aus, dass
die beiden vor uns liegenden Landtagswahlen zeigen werden, ob und was die Menschen im Lande begriffen haben und vor allem, von welcher Partei sie regiert werden wollen. Lassen wir uns also überraschen.
Jürgen Franke 18.06.18 20:36
Herr Dong, Ihren Ausführungen
kann man nun wirklich nichts mehr entgegensetzen.
Mike Dong 18.06.18 10:05
@Hr.Franke / Regierung von Bevölkerung gewählt -NO
Die Regierung wurde nicht von der Bevölkerung gewählt. Vielmehr wurden Kandidaten gewählt, die im Normalfall Parteien repräsentieren. Diese wählen dann, nach Koalitionsverhandlungen den/die Bundeskanzler/in. Diese/r ernennt die MinisterInnen nach den Absprachen in Koalitionsverhandlungen. Sogar bei absoluter Mehrheit wird die Regierung nicht von der Bevölkerung gewählt.
Hardy Kromarek Thanathorn 18.06.18 09:50
Herr Franke..........
die "momentanen " Mehrheitsverhältnisse im Bundestag sind mir bekannt! Das die Abneigung " momentan " von den anderen Parteien noch zu groß ist, was die AfD betrifft auch! Das ist aber nur ein " momentaner " Zustand! Entweder tut Frau Merkel ohne wenn und aber das Konzept von Ihrem Innenminister Seehofer sofort vollziehen, oder Sie muss sich dann einer " Vertrauensfrage " im Bundestag stellen! Nach dem wie Sie auch richtig sagen " Vorbild " von den Altkanzlern Brandt und Schröder! Tut Sie das " Nicht " hat Sie Ihr Gesicht dann endgültig mit "allen Charaktereigenschaften verloren!" Ruck Zuck ist diese Regierung sehr wohl weg! Wenn der Innenminister mit sofortiger Wirkung ab heute umsetzt was Er vor hat und Frau Merkel Ihn dann absetzen tut! Egal was passiert in der Politik von Deutschland-Europa, die Wende wird mit 100% Sicherheit kommen, wenn nicht ein sofortiges Handeln und Umdenken in den großen Volksparteien CDU/CSU und SPD erfolgen wird! Noch hat es die momentane Regierung in Ihrer Hand! Momentan!
Jürgen Franke 17.06.18 23:03
Herr Kromarek, nur wer die Mehrheitsverhältnisse
im Bundestag nicht kennt, kann zu dem Ergebnis kommen, dass ausgerechnet Frau Dr. Weidel, von der AfD dort als Bundeskanzlerin gewählt werden könnte. Die Dame wäre bestimmt fähig, dieses Amt zu übernehmen, obwohl sie auch schon viel populistischen Unsinn von sich gegeben hat. Doch die Abneigung gegen die AfD ist von den anderen Parteien noch zu groß.
Jürgen Franke 17.06.18 23:03
Noch hat Deutschland eine Regierung,
die exakt so von der Bevölkerung, nach demokratischen Regeln, gewählt wurde, auch wenn es heute keiner mehr wahrhaben will. Ein Wechsel wäre nur möglich, wenn die Merkel im Bundestag die Vertrauensfrage stellen würde. Nach dem Vorbild seinerzeit von Brandt bzw. Schröder, die hatten das Format für eine derartige Handlung. Mit "Ruckzuck, waren sie weg", eine Regierung zu beseitigen, funktioniert so etwas heute leider nicht.
Ingo Kerp 17.06.18 19:43
Jetzt wird es politisch eng fuer Merkel. Knickt sie ein und laesst Seehofer agieren, waere es eine Schlappe ohnegleichen. Entlaesst sie Seehofer, waere die Katastrophe perfekt. Neuwahlen waeren die Folge, da die CSU aus der Groko ausscheren wuerde. CDU und SPD haben keine Mehrheit mehr. Was dann, wieder 6 Monate zaehe Verhandlungen mit einer Neuauflage von Jamaika oder mit einer erstarkten AfD? Es kann nur Verlierer geben und der Dumme ist der Buerger.
Hardy Kromarek Thanathorn 17.06.18 16:39
Alles eine reine Show-Veranstaltung zur
weiteren Verdummung des deutschen Volkes! Was sich Mutti Merkel bisher geleistet hat, ist nicht mehr zu toppen! Eine Bankrotterklärung nach der anderen! Selbst als Marionette ist Sie für Ihre " Förderer " nicht mehr zu halten! Wenn Seehofer sein Gesicht wahren will, muss Er das sofort umsetzen in der Asylpolitik, wie von Ihm vorgeschlagen! Ansonsten Ist Er komplett unten durch und als Memme gezeichnet! Für Mutti Merkel wird es sehr eng jetzt! Wenn Sie weiter an der Macht bzw. den Titel der Bundeskanzlerin führen will, muss Sie sofort der Asylpolitik von Ihrem Innenminister Seehofer folgen! Das völlig auch zu Recht!!! Die Asylpolitik muss sich zu 100% ändern! Totaler Aufnahmestopp von Asylanten!!! Wer wirklich Asyl haben will und dieses dann auch berechtigt ist, kann in einer Auffangstation an der Grenze zu Deutschland innerhalb 24 Stunden entschieden werden! Frau Dr. Alice Weidel übernehmen Sie! Die neue Bundeskanzlerin für Deutschland!