Sieben italienische Terrorverdächtige festgenommen

​Macrons Wende 

Der französische Justizminister Eric Dupond-Moretti besucht das Gefängnis de La Sante in Paris. Foto: epa/Martin Bureau / Pool
Der französische Justizminister Eric Dupond-Moretti besucht das Gefängnis de La Sante in Paris. Foto: epa/Martin Bureau / Pool

PARIS/ROM: Rom streitet seit Jahrzehnten mit Paris über die Auslieferung von früheren Mitgliedern der Terrororganisation Rote Brigaden. Nun macht Frankreichs Präsident Macron einen überraschenden Schritt. Italien zeigt sich erleichtert.

Frankreich Staatschef Emmanuel Macron hat im eigenen Land die Festnahme von sieben Ex-Mitgliedern der italienischen Terrororganisation Rote Brigaden ermöglicht. Macron sei seit Jahren mit den italienischen Partnern in Kontakt, die endlich über «diese Terroristen» richten wollten, sagte der französische Justizminister Éric Dupond-Moretti in Paris.

Französische Ermittler nahmen die sieben Verdächtigen am Mittwoch fest. Nach drei weiteren Menschen, die nicht an ihrem Wohnort angetroffen wurden, werde noch gefahndet, teilte der Élyséepalast mit. Die linksextremistischen Roten Brigaden hatten in Italien in den 1970er und 1980er Jahren zahlreiche Mordanschläge verübt. Viele Mitglieder hatten im Nachbarland Frankreich Zuflucht gesucht.

Der Streit zwischen Rom und Paris über die Auslieferung geflüchteter Ex-Mitglieder der Roten Brigaden schwelt seit Jahrzehnten. Aus Rom gibt es Gesuche für 200 Menschen. Der Entscheidung, die Namen der zehn Verdächtigen an die Staatsanwaltschaft weiterzuleiten, sei eine intensive Arbeit zwischen beiden Ländern vorausgegangen. Es gehe um besonders schwere Verbrechen, berichtete der Élyséepalast. Hinter den Kulissen wurde deutlich, dass Paris den alten Streit beilegen wollte.

Italien zeigte sich erleichtert. Ministerpräsident Mario Draghi erklärte, seine Regierung sei sehr zufrieden mit der Pariser Entscheidung. Der einstige Chef der Europäischen Zentralbank sprach von «barbarischen Taten» der Linksterroristen, die im italienischen Bewusstsein verankert seien. Auch Außenminister Luigi Di Maio von der Fünf-Sterne-Bewegung begrüßte die Festnahmen. «Man kann sich seiner Verantwortung, dem Schmerz, der erzeugt wurde, nicht entziehen», schrieb er auf Facebook.

Die eher linke italienische Zeitung «La Repubblica» kommentierte, es gehe um «Gerechtigkeit, nicht um Rache». Weiter hieß es: «Dieses kleine Stück Gerechtigkeit, das endlich kommt, ist wichtig für alle Bürger, nicht nur für Opfer und Überlebende.» Italiens Medien erinnerten an die traurige Bilanz «der bleiernen Jahre», wie die Jahrzehnte der Gewalt genannt werden. Die Gesellschaft des Mittelmeerlandes wurde damals von der Vielzahl der terroristischen Anschläge geradezu zerrissen. Die linken «Brigate Rosse» entführten, verletzten und ermordeten Politiker, Juristen und Journalisten.

Der Élyséepalast machte keine Angaben zu den Umständen der Festnahmen und zu den Festgenommenen. Diese seien von der italienischen Justiz wegen Terrortaten verurteilt worden, es gebe zudem italienische Haftbefehle. «Frankreich, das selbst vom Terrorismus getroffen wurde, versteht den uneingeschränkten Bedarf der Opfer nach Gerechtigkeit.» Es sei nun an der französischen Justiz, in unabhängiger Weise zu entscheiden, wie weiter verfahren werde. Scharfe Kritik kam von der französischen Menschenrechtsliga: Betroffen von Macrons Wende seien Frauen und Männer, die seit über 40 Jahren im Land lebten. Mit der Entscheidung würde alte Wunden wieder aufgerissen, schrieb die Ligue des droits de l'Homme.

Bei mindestens zwei Festgenommenen, die Mitte 60 beziehungsweise um 80 Jahre alt seien, müsse der Gesundheitszustand geprüft werden, hieß es in italienischen Medien. Womöglich verbiete eine Krankheit in diesen Fällen eine Auslieferung.

Frankreich hatte sich lange gesperrt, frühere Mitglieder der Roten Brigaden auszuliefern. Der französische Präsident Francois Mitterrand bot Mitte der 1980er Jahre Ex-Terroristen aus Italien, die der Gewalt abgeschworen hatten, politisches Asyl an. Zahlreiche Menschen nahmen das Angebot an. Obwohl diese «Mitterrand-Doktrin» später zurückgenommen wurde, ließ auch der damalige Staatschef Nicolas Sarkozy eine verurteilte Ex-Terroristin 2008 nicht abschieben - aus Gesundheitsgründen, hieß es damals.

Justizminister Dupond-Moretti zufolge sind zwischen 1969 und 1980 genau 362 Menschen von den Roten Brigaden getötet worden. Es seien außerdem 4490 Menschen verletzt worden - einige von ihnen schwer. «Ich bin stolz, Teil dieser Entscheidung zu sein, die es Italien hoffentlich erlaubt, nach 40 Jahren ein neues Kapitel seiner Geschichte aufzuschlagen, die mit Blut und Tränen befleckt ist», sagte der Ressortchef, der früher ein bekannter Anwalt war.

Die Roten Brigaden entstanden um 1970 in Mailand. Ihr Kampf gegen den italienischen Staat beeinflusste das politische Geschehen und die gesellschaftliche Stimmung des Landes in den 1970er und 1980er Jahren. Zu den spektakulärsten Terrortaten gehörte die Entführung und Ermordung des ehemaligen italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro im Jahre 1978.

Im Laufe der Zeit ging der Staat unter anderen mit verschärften Gesetzen gegen den Linksterrorismus immer massiver vor. Es gab zahlreiche Verhaftungen, Prozesse und Urteile. Die jetzt in Frankreich Festgesetzten gehörten zum Teil auch anderen linken Gruppierungen an.

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