Maas vom Papst empfangen - Auch sexueller Missbrauch Thema

Außenminister Heiko Maas, rechts, nimmt an einem Treffen der EU-Außenminister im Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel teil. Foto: epa/Olivier Matthys
Außenminister Heiko Maas, rechts, nimmt an einem Treffen der EU-Außenminister im Gebäude des Europäischen Rates in Brüssel teil. Foto: epa/Olivier Matthys

ROM: Eigentlich empfängt der Papst keine Minister, sondern nur die Chefs von Staaten und Regierungen. Für den früheren Messdiener und heutigen Bundesaußenminister Heiko Maas macht er eine Ausnahme. Es geht etwa um Corona, Nahost, die EU - und ein heikles Thema.

Bei der ersten Privataudienz eines Bundesaußenministers beim Papst seit fast 20 Jahren hat Heiko Maas auch das heikle Thema sexueller Missbrauch bei der katholischen Kirche angesprochen. Man habe über die Verantwortlichkeiten in der katholischen Kirche auch in Deutschland geredet, sagte Maas am Mittwoch nach dem Gespräch mit Franziskus im Vatikan, das mit mehr als 40 Minuten außergewöhnlich lang dauerte. Die Segnungsgottesdienste auch für homosexuelle Paare, mit denen Katholiken in Deutschland am Montag bewusst gegen ein Verbot des Vatikans verstießen, waren dagegen kein Thema.

Man habe aber über die Eskalation des Nahost-Konflikts, die Bekämpfung der Corona-Pandemie, die Zukunft der Europäischen Union und die deutsche Lateinamerika-Politik gesprochen, sagte Maas. Der SPD-Politiker hatte bereits vor dem Gespräch angekündigt, dass er mit Franziskus über den sexuellen Missbrauch von Kindern durch katholische Priester sprechen wolle. Dies sei eine Frage, die viele Menschen bewege und ihr Verhältnis zu ihrer Religionsgemeinschaft bestimme, sagte er.

Wie der Papst sich zu dem Thema geäußert hat, wollte der SPD-Politiker nicht sagen: «Ich bin nicht befugt, das, was der Papst zu diesem Thema gesagt hat, hier zu verkünden. Es ist aber sicherlich ein Thema, das hier im Vatikan nicht unbekannt ist», sagte er.

Zuletzt hatte vor allem der Umgang des Erzbistums Köln mit dem Missbrauch von Kindern durch Priester für Aufregung gesorgt. Kardinal Rainer Maria Woelki hatte ein Gutachten dazu lange Zeit unter Berufung auf rechtliche Bedenken zurückgehalten. Maas betonte, dass die Aufarbeitung des Missbrauchs nicht alleine Sache der Kirche sei. Der Staat könne sich gar nicht aus dieser Frage heraushalten, «wenn es Opfer gibt, die ein Anrecht darauf haben, dass die Täter zur Verantwortung gezogen werden müssen».

Maas hatte vor der Audienz auch die etwa 100 Segnungsgottesdienste für hetero- und homosexuelle Paare in Deutschland begrüßt, die international für viel Aufsehen gesorgt haben. Im März hatte die Glaubenskongregation des Vatikans klargestellt, dass es nicht erlaubt sei, homosexuelle Partnerschaften zu segnen. Im deutschsprachigen Raum protestierten zahlreiche katholische Verbände und über 280 Theologieprofessoren dagegen.

Joschka Fischer war vor Maas der letzte deutsche Außenminister, der von einem Papst empfangen wurde. Das war 2003. Eigentlich sind Privataudienzen beim Papst Staats- und Regierungschefs sowie im Fall Deutschlands auch Ministerpräsidenten der Länder vorbehalten, da diese Kirchenvertragspartner des Heiligen Stuhls sind. Für die Vier-Augen-Gespräche mit dem Papst sind in der Regel 15 Minuten vorgesehen. Der Katholik Maas, der als Kind fast sieben Jahre lang Messdiener war, redete nun fast drei Mal so lange mit Franziskus.

Die Eskalation zwischen Israel und den Palästinensern bezeichnete Maas als «sehr bedrohlich». «Das wird auch im Vatikan sehr aufmerksam verfolgt», sagte er.

Bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie sei es darum gegangen, dass auch die ärmeren Länder mit Impfstoff versorgt würden. Falls das nicht geschehe, «wird diese Pandemie die Ungleichheiten zwischen Nord und Süd noch weiter verschärfen, daran kann niemand ein Interesse haben», sagte er.

Bei der Frage, wie man die Impfstoffverteilung gewährleistet, gibt es allerdings Differenzen zwischen dem Vatikan und der Bundesregierung. Der Papst setzt sich für eine Aufweichung des Patentschutzes für Corona-Impfstoffe ein, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich klar dagegen ausgesprochen.

Nach der Audienz traf Maas den italienischen Außenminister Luigi Di Maio. Dabei sollte es unter anderem um die wieder zunehmenden Flüchtlingsbewegungen über das Mittelmeer gehen. Maas rief die anderen EU-Staaten zur Solidarität mit Italien auf, wo besonders viele der Menschen an Land gehen. «Wir sind grundsätzlich der Auffassung, dass man Italien nicht alleine lassen kann mit dieser Situation», sagte er.

Auf der kleinen Mittelmeerinsel Lampedusa kommen seit einigen Tagen wieder deutlich mehr Bootsmigranten vor allem aus Libyen und Tunesien an - innerhalb kurzer Zeit waren es mehr als 2000. Am Dienstag sagte ein Sprecher der EU-Kommission, dass Deutschland und die anderen EU-Staaten Italien bislang nicht angeboten hätten, einen Teil der Migranten aufzunehmen.

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