Weg frei für Ampel-Koalitionsgespräche

Olaf Scholz, deutscher Finanzminister und Spitzenkandidat der Sozialdemokratischen Partei (SPD) für die Bundestagswahl. Foto: epa/Clemens Bilan
Olaf Scholz, deutscher Finanzminister und Spitzenkandidat der Sozialdemokratischen Partei (SPD) für die Bundestagswahl. Foto: epa/Clemens Bilan

BERLIN: SPD und Grüne haben bereits Ja gesagt, jetzt zieht auch die FDP mit. Die Koalitionsverhandlungen in Deutschland können losgehen. FDP-Chef Lindner macht aber klar: Es ist keine Liebesheirat.

Rund drei Wochen nach der Bundestagswahl können die Koalitionsverhandlungen zur Bildung der ersten Ampel-Regierung auf Bundesebene in Deutschland beginnen. Nach Sozialdemokraten (SPD) und Grünen stimmten am Montag auch die Liberalen (FDP) für die Aufnahme intensiver Gespräche.

«Wir begeben uns nun auf den Weg, Verantwortung für Deutschland mit zu übernehmen», sagte Parteichef Christian Lindner in Berlin. «Deutschland braucht eine stabile Regierung, Deutschland darf nicht führungslos sein, Deutschland benötigt eine umfassende Modernisierung von Gesellschaft, Wirtschaft und Staat.» Zugleich begannen vor allem zwischen Grünen und FDP bereits unterschwellige Debatten über die Besetzung wichtiger Ministerien.

Bisher hatten SPD, Grüne und FDP Sondierungsgespräche geführt, um unverbindlich Gemeinsamkeiten und Differenzen auszuloten. Bei Koalitionsgesprächen, dem nun anstehenden Schritt, haben die Partner eine gemeinsame Regierung schon fest im Blick.

Lindner machte deutlich, das nun angestrebte Ampel-Bündnis sei vor der Wahl keine Wunschkonstellation gewesen und werde wohl eher ein Zweckbündnis. Es gebe nach wie vor große inhaltliche Unterschiede, bei denen es auch in Zukunft bleiben werde. Diese erfordere von allen viel Toleranz und Bereitschaft zu «neuem Denken».

Am Freitag hatten die Ampel-Unterhändler ein gemeinsames Ergebnispapier ihrer Sondierungsgespräche präsentiert, in dem einige Konflikte geklärt, andere Differenzen aber noch ungelöst blieben. Danach sollen wichtige Steuern wie die Einkommen- und Unternehmenssteuern nicht erhöht werden.

Außerdem soll die sogenannte Schuldenbremse wieder eingehalten werden. Dieser in der Verfassung verankerte Grundsatz sieht vor, dass der Bund nur in ganz geringem Maße neue Kredite aufnehmen darf, nämlich maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung. Der gesetzliche Mindestlohn soll auf 12 Euro pro Stunde steigen. Beim Klimaschutz sind unter anderem ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien und ein Kohleausstieg im Idealfall schon bis 2030 geplant.

Die Koalitionsgespräche, in denen das Sondierungspapier konkretisiert werden soll, könnten noch in dieser Woche beginnen. Dabei wird es in den kommenden Wochen auch um den Zuschnitt und die Besetzung der einzelnen Ministerien gehen. Allerdings sollen zunächst die inhaltlichen Vorhaben des Koalitionsvertrags festgelegt werden.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hatte im Wahlkampf stets betont, sein Kabinett solle paritätisch, also mit gleich vielen Frauen wie Männern besetzt sein. Davon zeigten sich führende FDP-Politiker nun wenig begeistert. «Bei der Besetzung von Kabinettsposten sollte immer die Qualifikation und die Fähigkeit, ein Ministerium zu führen, eine Hauptrolle spielen», sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

FDP-Vorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann erklärte: «Wenn man die gesellschaftliche Realität im Kabinett abbilden möchte, macht es natürlich Sinn, Minister und Ministerinnen gleichermaßen im Kabinett zu haben.» Aber zuallererst müsse die fachliche Kompetenz eine Rolle spielen.

Vor allem um die Besetzung des Finanzressorts bahnt sich eine Auseinandersetzung zwischen Grünen und FDP an. Lindner signalisierte bereits Interesse, betonte aber zugleich, so etwas solle jetzt nicht öffentlich diskutiert werden.

Mehrere Spitzenpolitiker der Ampel-Parteien versuchten, die Personaldebatte auszubremsen. SPD-Chef Norbert Walter-Borjans drang darauf, zuerst über Inhalte zu sprechen. «Wir reden jetzt nicht darüber, was an einzelnen Ministerien wie zugeschnitten wird», sagte er RTL und ntv. «Ich erwarte, dass wir das machen, was wir auch verabredet haben: Nämlich, dass wir zuerst über die Inhalte reden.» Lindner wolle scheinbar bereits Pflöcke einschlagen für Verhandlungen.

Auch Lindners Parteifreund Volker Wissing bezeichnete Personaldiskussionen als verfrüht. «Natürlich müssen am Ende, wenn man Koalitionsverhandlungen abgeschlossen hat, auch Ressortfragen geklärt werden», sagte er. «Aber die jetzt zu thematisieren, halte ich nicht nur für verfrüht, sondern auch für wenig hilfreich, weil es von den Inhaltsfragen ablenkt.» Personaldebatten überlagerten «ganz schnell auch die politischen Gespräche». Das helfe jetzt niemandem.

Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, erklärte im RTL/ntv-«Frühstart»: «Ich finde, über Personal muss geredet werden, aber ehrlicherweise: Das macht man am Ende von Verhandlungen.» Grünen-Chef Robert Habeck sagte der ARD, es gehöre «zur Fairness, zum guten Ton und auch zur politischen Klugheit», jetzt keine Personaldebatten aufzumachen.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.