Justiz im Fall Koh Tao – wie ein Mauersegler

Erhielt einen offenen Brief der auf Koh Samui angeklagten Gastarbeiter aus Myanmar: Burmas politische Ikone und Freiheitskämpferin Aung San Suu Kyi, hier mit US-Präsident Barak Obama.
Erhielt einen offenen Brief der auf Koh Samui angeklagten Gastarbeiter aus Myanmar: Burmas politische Ikone und Freiheitskämpferin Aung San Suu Kyi, hier mit US-Präsident Barak Obama.

KOH TAO: Offene Briefe von Eltern zweier ermordeter britischer Touristen – nun der Konter der angeblichen Tatverdächtigen mit einem offenen Brief an Myanmars große Freiheitskämpferin Aung San Suu Kyi: die Grotesken im Vorfeld des unüberschaubaren Koh Tao Doppelmord-Prozesses reißen nicht ab.

Wie gestern berichtet, ist der Prozessbeginn vor dem Provinzgericht Koh Samui gegen Zaw Lin und Win Zaw Htun (auch als Wai Phyo genannt) mit einem Paukenschlag vom 25. Februar 2015 auf den 26. Dezember vorverlegt worden. Nicht nur der Verteidigung der beiden Angeklagten Gastarbeiter aus Myanmar behagt diese Hauruck-Prozedur der thailändischen Justiz nicht. Sie äußerte gestern große Bedenken, ob mit den bislang gewährten Akteneinblicken und einer nebulösen Liste von Belastungszeugen der Anklage überhaupt eine adäquate Verteidigung möglich sei.

Ausgerechnet die in Thailand als außerordentlich seriös und fair bekannte Tageszeitung ‚Bangkok Post‘ titelte nun in einer weiteren aktualisierten Berichterstattung über die Merkwürdigkeiten dieser Mordermittlung und der folgenden gerichtlichen Abwicklung mit spitzer Feder: „Swift Justice?“ – was aus dem Englischen übersetzt so viel bedeutet wie „Mauersegler-Justiz“. Offensichtlich ist auch den Journalisten in Thailand der rasante Kurswechsel von Staatsanwaltschaft und Gericht in der Provinz Surat Thani nicht ganz geheuer.

Die beiden am 2. Oktober als mutmaßliche Tatverdächtige im Doppelmordfall von Koh Tao verhafteten Zaw Lin und Wai Phyo (beide 21) bestreiten vehement, die jungen Touristen Hannah Witheridge und David Miller am Strand von Sairee erschlagen und das Mädchen mehrfach vergewaltigt zu haben. In ihrer Verzweiflung schrieben sie nicht nur an ihre mittlerweile auf Koh Samui weilende Familie viele Briefe. Jüngste Adressatin ist die Friedensnobelpreisträgerin von 1991 und burmesische Ikone Aung San Suu Kyi.

In dem handschriftlich in burmesischer Sprache verfassten Brief führen die beiden aus, dass sie weder in dieses Verbrechen involviert waren, dass sie ungerechtfertigt als Mörder im Gefängnis von Koh Samui festgehalten werden und dass sie wirkliche Gerechtigkeit und ein Verfahren wollen, in dem sie auch eine tatsächliche Chance erhalten, ihre Unschuld zu belegen.

Der psychologische Krieg im Vorfeld eines so spektakulären Mordprozesses durch offene Briefe von Opfer-Verwandten und anschließend von mutmaßlichen Tätern wird in westlichen Ländern mit großem Unbehagen beobachtet. Auch in Großbritannien, dem Mutterland der ermordeten Hannah Witheridge und David Miller, ist die Veröffentlichung eines Lobbriefes ihrer Eltern an die britischen und thailändischen Ermittler nicht gut angekommen.

Rechtsexperten in England sprachen gegenüber Zeitungen und Fernsehsendern von einer „unnötigen und fragwürdigen Beeinflussung des Gerichts“. Weshalb die Eltern von Hannah und David insbesondere der thailändischen Polizei ihre Anerkennung ausgesprochen haben sollen – so kurz vor Prozessbeginn, konnten viele nicht nachvollziehen.

Die politische Tragweite dieser Mordermittlung machte in dieser Woche ein Besuch von Thailands Polizeichef Generalmajor Somyot Pumpunmuang in London deutlich. Er traf dort am Dienstag Keith Bristow, den Generaldirektor der Nationalen Verbrechensagentur (National Crime Agency). Hauptgrund war zwar eine Abstimmung über internationalen Menschenhandel. Der Koh Tao Doppelmord spielte bei der Begegnung jedoch ebenso eine herausragende Rolle. Noch nie hat ein Prozess in der Geschichte Thailands ein solches Echo gefunden und so viele hochrangige Politiker aus drei Ländern elektrisiert: Thailand, England und Myanmar. 

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