Harte Bandagen bei Ryanair

​Heil will leichtere Betriebsratsbildung

Ryanair-Maschine auf dem Flughafen Bremen. Foto: epa/Focke Strangmann
Ryanair-Maschine auf dem Flughafen Bremen. Foto: epa/Focke Strangmann

FRANKFURT/BERLIN (dpa) - Der Tarifkonflikt bei Ryanair kommt in Deutschland kaum von der Stelle. Nun gibt es politische Rückendeckung für die Beschäftigten. In anderen Ländern gehe es schneller voran, sagen die Iren.

Von einem interessanten Leben in vielen europäischen Städten hat die junge Spanierin geträumt, als sie bei Ryanair als Flugbegleiterin anheuerte. Jetzt soll die Basis der 28-Jährigen in Bremen geschlossen werden - und sie steckt mittendrin in einem der härtesten Tarifkonflikte Europas. Bei den Tarifverhandlungen für die in Deutschland stationierten Piloten und Flugbegleiter geht es besonders schleppend voran.

«Uns begegnen hier Arbeitsbedingungen aus dem 19. Jahrhundert», schimpft Verdi-Chef Frank Bsirske am Freitag am Frankfurter Flughafen. Er kann nur von zähen Verhandlungen berichten, die zeitgleich in Berlin für die rund 1.000 Flugbegleiter laufen. Seine Gewerkschaft macht ebenso wie die Vereinigung Cockpit (VC) eine Lösung von Sozialplänen für die Standorte Bremen und Weeze abhängig. Dort will Ryanair zum 5. November mehrere Flugzeuge abziehen, das Personal wird an andere Basen in ganz Europa verwiesen.

Politische Rückendeckung für die Beschäftigten kommt von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Er wirft den Iren vor, mit ihrem Beschäftigungsmodell die Hoffnungen junger Menschen aus ganz Europa zu missbrauchen. Der Konflikt bei Ryanair sei mehr als eine Tarifauseinandersetzung, aus der sich die Politik normalerweise heraushalten würde. «Wer sich so benimmt, legt sich mit der gesamten Regierung eines wichtigen Mitgliedstaates an», sagte Heil.

Der Minister will Forderungen der Gewerkschaften nachkommen und die Bildung von Betriebsräten des fliegenden Personals erleichtern. Dieser Prozess ist bislang laut Betriebsverfassungsgesetz nämlich abhängig von einer vorhergehenden Tarifvereinbarung zur Bildung eines solchen Gremiums, die Ryanair wie auch die Lufthansa-Beteiligung SunExpress bislang dauerhaft blockieren. Man müsse nur einen Satz im Gesetz streichen und die Crews dem übrigen Personal gleichstellen, sagt Heil, der eine Neuregelung noch vor Weihnachten anstrebt.

Die Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion kritisierte die Drohungen von Ryanair zu Standortschließungen, die zurückgenommen werden müssten. «Unternehmen, die ihren Beschäftigten sowohl Tarifverträge als auch betriebliche Interessenvertretungen aktiv verweigern, sind rückwärtsgewandt und verspielen das wichtigste Potenzial: den Menschen. Verdienen in Deutschland, Steuern zahlen in Irland und undurchsichtige Arbeitsverträge - ein solches Geschäftsmodell ist weder sozial noch marktwirtschaftlich», erklärte der Gruppenvorsitzende Uwe Schummer.

Verdi und die VC fordern in den Tarifverhandlungen deutlich höhere Gehälter - aber auch bessere Arbeitsbedingungen nach den Standards des jeweiligen Landes, in dem die Mitarbeiter angestellt sind. Für Bremen verlangen beide Gewerkschaften mindestens einen Sozialplan, besser noch eine Fortführung des Standortes. Sonst werde es keine Fortschritte bei den Verhandlungen geben. Nach dem Treffen in Frankfurt warf Verdi-Chef Bsirske dem Unternehmen «nackte Repression» vor. Seine Organisation werde alles Notwendige unternehmen und sei auch zu weiteren Arbeitsniederlegungen bereit.

Die Vereinigung Cockpit erwartete für Freitag ein verbessertes Tarifangebot von Ryanair, sagte VC-Präsident Martin Locher. Die Schließung der Basis in Bremen stehe zweifelsfrei im Zusammenhang mit den vorangegangenen Streiks. «Die Kollegen sollen sich innerhalb von zwei Wochen entscheiden, ob sie künftig aus Marokko, Portugal, Italien oder Polen fliegen sollen. Das werden wir nicht hinnehmen.»

Währenddessen meldete Ryanair eine Teileinigung mit der portugiesischen Pilotengewerkschaft SPAC unter anderem über Versetzungen und Karrierechancen. Verhandlungen für einen vollständigen Tarifvertrag sollten vor Ende dieses Monats aufgenommen werden. Auch in Spanien, Großbritannien und Italien komme man voran.

Zuletzt hatten Flugbegleiter und Piloten von Ryanair in Deutschland am 12. und am 28. September je einen Tag lang gemeinsam gestreikt. Zahlreiche Flüge in Deutschland waren ausgefallen.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.