Frauen fordern mehr Hilfe für Gewaltopfer

Amnesty-Studie

Foto: epa/Hayoung Jeon
Foto: epa/Hayoung Jeon

BERLIN/LONDON (dpa) - Zehntausende Frauen werden allein in Deutschland jedes Jahr Opfer von Gewalt. Politikerinnen setzen sich für mehr Hilfsangebote ein. Je nach Land ist das Verständnis von Gewalt jedoch sehr unterschiedlich.

Mehr Hilfsangebote für weibliche Gewaltopfer haben führende Politikerinnen in Deutschland gefordert. «Zu wenige von Gewalt betroffene Frauen suchen Hilfe und wenn sie es doch tun, bekommen sie oft zu wenig davon», schrieb Justizministerin Katarina Barley (SPD) in einem Gastbeitrag für die «Rhein-Neckar-Zeitung» zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen an diesem Sonntag. «Dafür sorgt auch das Machtgefälle zwischen Männern und Frauen. Wir müssen die männlich geprägten Strukturen aufbrechen.»

Was aber gilt als Gewalt? Die meisten Länder in Europa stufen beispielsweise ungewollten Sex nur dann als Vergewaltigung ein, wenn es dabei zu körperlicher Gewalt, Drohungen oder Zwang kommt. «Nein heißt Nein» gelte in weniger als einem Drittel der europäischen Länder, teilte Amnesty International (AI) in London mit. Die Menschenrechtsorganisation hatte die Gesetzeslage in 31 europäischen Ländern auf die entsprechenden Regelungen hin untersucht.

Nach Zahlen des Bundeskriminalamtes versucht im Schnitt jeden Tag ein Mann in Deutschland, seine Partnerin oder Ex-Partnerin zu töten. Im vergangenen Jahr starben dabei 147 Frauen. Hinzu kommen Tausende Fälle von Vergewaltigung, Körperverletzung, Stalking und sexueller Nötigung. Fast 140 000 Fälle von Gewalt in der Partnerschaft wurden 2017 angezeigt. Die Dunkelziffer ist weitaus höher.

Regierungen könnten Gesetze ändern, damit Frauen nicht mehr bezweifeln, dass die Täter bestraft werden, sagte Anna Blus, die bei Amnesty für Frauenrechte zuständig ist. Letztlich biete das besseren Schutz vor Vergewaltigungen. Der AI-Untersuchung zufolge haben nur 8 von 31 untersuchten Ländern sogenannte «zustimmungsbasierte Definitionen» von Vergewaltigung in ihren Gesetzen festgelegt.

In Deutschland, Irland, Großbritannien, Belgien, Zypern, Island, Luxemburg und Schweden gilt es als Vergewaltigung, wenn Menschen Sex haben, obwohl einer der Beteiligten Nein gesagt hat. Die Gesetze der übrigen Länder gehen laut Amnesty nur bei Gewalt, Androhung von Gewalt oder Zwang von einer Vergewaltigung aus. «Viele Leute glauben noch immer, es handele sich nicht um Vergewaltigung, wenn das Opfer betrunken oder freizügig gekleidet ist oder sich nicht körperlich wehrt.» Dies sei jedoch falsch, erklärte die Organisation: «Sex ohne Zustimmung ist Vergewaltigung, Punkt.»

Frauenministerin Franziska Giffey (SPD) setzt sich für einen Ausbau der Hilfsangebote in Frauenhäusern ein. Ihren Angaben zufolge können derzeit in den 350 Frauenhäusern und 600 Fachberatungsstellen pro Jahr 30.000 Frauen betreut werden. Im kommenden Jahr soll ein Aktionsprogramm gegen Gewalt an Frauen starten, das Länder wie Kommunen beim Ausbau von Hilfsstrukturen unterstützt. Im ersten Jahr sollen 6,1 Millionen Euro fließen, im zweiten Jahr 35 Millionen Euro.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock forderte mehr Geld für den Schutz von Frauen. Bundesweit fehlten mindestens 4.000 Plätze in Frauenhäusern, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag). Das Übereinkommen des Europarats zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen schreibe einen Schutzplatz pro 7.500 Einwohner vor. Deutschland müsse einen «Rechtsanspruch auf Schutz» schaffen, verlangte Baerbock.

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