Finale für Enders bei Airbus

viel Arbeit für seine Erben

Foto: epa/Guillaume Horcajuelo
Foto: epa/Guillaume Horcajuelo

TOULOUSE (dpa) - Tom Enders verabschiedet sich - und der Luftgigant A380 gleich mit. Was für ein bitterer Abschluss. Doch das ist längst nicht alles. Der 60-Jährige hinterlässt viele Baustellen.

Noch ein letztes Mal die große Bühne in Toulouse - Lichtershow und Musik, für Fotos posieren. Nun heißt es Abschied nehmen für Airbus-Chef Tom Enders, Übergabe an seinen Nachfolger Guillaume Faury.

Der europäische Luftfahrt- und Rüstungskonzern präsentierte am Donnerstag in der südfranzösischen Stadt nicht nur seine jährliche Bilanz - sondern noch einen Paukenschlag dazu: Das Ende seines weltweit größten Passagierjets A380. Trotzdem sieht Enders den Konzern auf einem guten Weg. Was hinterlässt er seinem Nachfolger?

Der erste Impuls sei es, alles aufgeräumt zu hinterlassen, sagt Enders. Doch dann habe er schnell festgestellt: Das ist schwer möglich. Als der 60-Jährige auf seine Jahre in der Airbus-Führung zurückblickt, spricht er von «Erfolgen und Fehlschlägen».

Auf der Erfolgsseite stand zur Jahrtausendwende die Schaffung von EADS als europäischem Luftfahrt- und Rüstungskonzern, der heute unter dem Namen seiner einst größten Tochter Airbus firmiert und sich mit dem US-Konzern Boeing ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Rolle als weltgrößter Flugzeugbauer liefert.

Und mit der spritsparenden Neuauflage ihrer Mittelstreckenjets aus der A320neo-Familie haben die Europäer den langjährigen Platzhirsch Boeing im weltweit absatzstärksten Flugzeugsegment klar auf den zweiten Platz verdrängt.

Doch auf der anderen Seite sind da auch die Misserfolge. Das Management hat sich Fehleinschätzungen geleistet, an denen auch die künftige Airbus-Führung zu knabbern haben wird.

Da ist das zunächst die Fehleinschätzung bei dem Luftgiganten A380. Als der im Jahr 2005 erstmals abhob, löste er Boeings Jumbo-Jet 747 als weltgrößten Passagierjet ab - und Airbus schrieb Luftfahrtgeschichte. Immer größer, immer weiter, lautete die Devise.

Doch dem doppelstöckigen Airbus A380 war kein langes Leben vergönnt. Als sich Airbus um die Jahrtausendwende für den Bau des Riesenjets entschied, gab es Langstreckenflüge meist nur zwischen großen Drehkreuzen wie Frankfurt oder London. Dort stiegen Passagiere aus kleinen Maschinen in die großen Langstreckenjets um.

Noch vor wenigen Jahren schien der langjährige Airbus-Verkaufschef John Leahy fest daran zu glauben, dass das starke Wachstum in der Luftfahrt ohne solche Riesenjets kaum zu bewältigen sei. Schließlich gerieten viele Airports an ihre Kapazitätsgrenzen - da blieben nur größere Maschinen, um immer mehr Passagiere pro Stunde in die Luft und zurück auf die Erde zu bringen.

Doch längst hat sich die Welt verändert. Boeings jüngster Langstreckenjet 787 «Dreamliner», der deutlich kleiner ist als der Airbus 380, machte direkte Langstreckenflüge zwischen mittelgroßen Flughäfen plötzlich für die Airlines rentabel. Selbst mit hohen Rabatten ließ sich keine Airline mehr zu A380-Bestellungen verleiten.

Einziger Trost: Auch Boeing erlag im Wettkampf mit Airbus noch einmal dem Reiz der schieren Größe. Die Amerikaner zogen nach dem Start des A380 mit einer verlängerten Neuauflage des Jumbos nach. Doch von dessen Passagierversion wollten Airlines bis zuletzt nur 47 Maschinen haben - allein 19 davon gingen an die Lufthansa.

Und dann ist da der Militärtransporter A400M, den der Konzern zusammen mit Partnern im Auftrag mehrerer europäischer Regierungen entwickelte. Die Entwicklung des Fliegers, der ursprünglich im Jahr 2009 fertig sein und ausgeliefert werden sollte, wurde für Airbus und die Käuferstaaten zum Milliardengrab.

Bei einem Testflug 2015 kamen vier Besatzungsmitglieder ums Leben. Noch heute fehlen dem Turboprop-Flieger, der Panzer transportieren, kopfüber fliegen und auf Graspisten starten und landen kann, versprochene militärische Fähigkeiten.

Und nach milliardenschweren Mehrkosten und Nachverhandlungen mit den Regierungen musste Airbus 2018 weitere gut 400 Millionen Euro als Belastung verbuchen. Ob das alles war? Das hofft man im Management, versprechen kann man es nicht.

Auch beim Kampfjet Eurofighter, ein weiteres europäisches Gemeinschaftsprojekt, ist die Freude nicht ungetrübt. Erhoffte Exportaufträge in Länder außerhalb Europas hielten sich lange in Grenzen, zeitweise war die Zukunft der Produktion in Gefahr. Jetzt will Airbus die ältesten Eurofighter der deutschen Luftwaffe durch neue Maschinen ersetzen - und hofft, dass der Flieger auch die Nachfolge der veralteten Tornado-Flotte antreten kann.

Damit müsste er im Ernstfall auch Atombomben zum Ziel bringen können - etwas, wofür der Jet bisher nicht gemacht ist. Das Bundesverteidigungsministerium hat Insidern zufolge als Alternativ-Modell einen Boeing-Kampfjet ins Auge gefasst.

Für Airbus-Chef Enders hat der Abschied aus der Führungsetage nun einen bitteren Geschmack. Eine «schmerzhafte Entscheidung» sei das A380-Aus gewesen, bekennt er - und glaubt doch, den Konzern in all den Jahren zu einem besseren Unternehmen gemacht zu haben.

Dafür müssen allerdings auch noch die seit 2016 laufenden Korruptionsermittlungen abgeschlossen werden, in deren Folge dem Konzern möglicherweise Milliardenstrafen in Europa und den USA drohen. Die muss dann sein Nachfolger Faury den Aktionären erklären.

Überzeugen Sie sich von unserem Online-Abo:
Die Druckausgabe als voll farbiges PDF-Magazin weltweit herunterladen, alle Artikel vollständig lesen, im Archiv stöbern und tagesaktuelle Nachrichten per E-Mail erhalten.
Pflichtfelder

Es sind keine Kommentare zum Artikel vorhanden, bitte schreiben Sie doch den ersten Kommentar.