Bleibt die CDU gespalten? Merz vermiest Laschet den Start

Der neue Parteivorsitzende Armin Laschet (r) gestikuliert neben Friedrich Merz zum Abschluss beim digitalen Bundesparteitag der CDU. Foto: Michael Kappeler/dpa
Der neue Parteivorsitzende Armin Laschet (r) gestikuliert neben Friedrich Merz zum Abschluss beim digitalen Bundesparteitag der CDU. Foto: Michael Kappeler/dpa

BERLIN: Armin Laschet steht als neuer CDU-Chef zum Start ins Superwahljahr vor vielen Baustellen. Vor allem muss er nach seinem knappen Ergebnis die Partei einen. Welche Rolle spielt Friedrich Merz?

Der Sieg von Armin Laschet ist erst seit gut drei Stunden verkündet, da bekommt der neue CDU-Chef einen Eindruck davon, welches Spaltpotenzial sein schärfster Konkurrent entfalten kann. Um 14.41 Uhr twittert Friedrich Merz am Samstag einen Satz, den manche in der Partei rasch als vergiftetes Angebot bewerten. Er habe sich entschlossen, zugunsten der Frauen auf eine Kandidatur für das Präsidium zu verzichten, schreibt Merz zunächst. Und schiebt hinterher: «Dem neuen Parteivorsitzenden Armin #Laschet habe ich aber angeboten, in die jetzige #Bundesregierung einzutreten und das Bundeswirtschaftsministerium zu übernehmen.»

Merz scheint mit seiner wichtigsten Botschaft am Tag der Niederlage nach fast einjährigem Kampf um den Parteivorsitz gerade noch abgewartet zu haben, bis der Online-Parteitag mit der Nationalhymne vorüber war. Der 65 Jahre alte Wirtschaftsexperte dürfte die Wirkung wohl kalkuliert haben - in der CDU war der Wirbel jedenfalls groß. Pikant sind ja die Details des Angebots. So schreibt der Sauerländer, er habe den Vorschlag Laschet unterbreitet - obwohl dieser ja gar nicht zuständig ist für die Besetzung des aktuellen Kabinetts. Das ist Kanzlerin Angela Merkel.

Nachdem Merz die Regierungsarbeit Merkels in der Vergangenheit häufig und scharf kritisiert hat, ist allgemein bekannt, dass das Verhältnis beider nicht zum Besten steht. Manche nennen es zerrüttet. Schon nach seiner knappen Niederlage gegen Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem Hamburger Parteitag 2018 hatte es Gerüchte gegeben, Merz habe der Kanzlerin Interesse am Wirtschaftsministerium übermitteln lassen. Schon damals galt es in der Partei als ausgeschlossen, dass Merkel, die Merz 2002 vom Amt des Unionsfraktionschefs verdrängt hatte, auf ein solches Ansinnen eingehen würde. Zumal die Kanzlerin dafür ihren Vertrauten Peter Altmaier aus dem Ministeramt entfernen müsste.

Weil Merz diese Hintergründe natürlich genau kennt, macht in der CDU schnell das Wort vom «vergifteten Angebot» die Runde. Wollte der Unterlegene direkt zum Start Laschets in die ohnehin schwierige Amtszeit einen Keil zwischen den neuen CDU-Chef und die Kanzlerin treiben? Oder Laschet schwach aussehen lassen, weil dieser das Angebot wohl kaum bei Merkel würde durchsetzen können? Für den neuen Vorsitzenden dürfte es im Wahlkampfjahr 2021 ja ohnehin schwer genug werden, sich neben der bei den Bürgern wieder überaus beliebten Kanzlerin zu profilieren.

Die Absage der Kanzlerin an Merz kommt am Samstag eine halbe Stunde nach seinem Angebot, in denkbar knappen Worten: «Die Bundeskanzlerin plant keine Regierungsumbildung», sagt ein Regierungssprecher.

Laschet betont später in Fernsehinterviews von ARD und ZDF, er sei von Merz über dessen Interesse am Wirtschaftsministerium informiert worden, habe ihm aber nur einen Platz im Präsidium angeboten. Das Angebot, in der neuen Parteiführung mitzumachen, bleibe bestehen. «Andere Themen stehen im Moment nicht an.» Eine Kabinettsumbildung sei kein Thema gewesen. Er habe mit Merz verabredet, gemeinsam zu überlegen, «wie auch sein Beitrag für unsere Partei aussehen kann». Und: «Es ist für uns eine wichtige Persönlichkeit. Uunabhängig von den Personen «müssen wir die Themen, die er uns ins Stammbuch schreibt, jetzt noch intensiver bearbeiten.»

Der Grund für die werbenden Worte des neuen CDU-Chefs ist klar: Das knappe Ergebnis der Stichwahl zeigt, wie gespalten die Partei nach wie vor ist. Zwar hoffen manche in der Parteispitze darauf, dass das Ergebnis der Briefwahl, das am Freitag feststehen soll, deutlich besser als die 52,6 Prozent ausfällt, mit denen Laschet die Stichwahl gewonnen hat. Dafür müssten etliche, die online für Merz gestimmt haben, bei der aus Rechtsgründen nötigen schriftlichen Bestätigung doch noch für Laschet stimmen. Den Delegierten werde acht Monaten vor der Bundestagswahl am 26. September bewusst sein, dass es im Wahlkampf auf Geschlossenheit ankomme, ist die Hoffnung.

Zumal Laschet auch noch eine andere schwierige Aufgabe hat, bei der es auf Geschlossenheit in den eigenen CDU-Reihen ankommt. Er muss mit CSU-Chef Markus Söder klären, wer von beiden das Kanzleramt für die Union verteidigen soll. Es geht um das Erbe Merkels, nach 15 Jahren Kanzlerschaft. Zwar dürfte es beiden Ministerpräsidenten in der Corona-Krise gut passen, diese Frage erst im Frühjahr zu klären. Dann sind nicht nur die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg durch, auch in der Pandemie ist dann hoffentlich das Schlimmste überstanden. Doch schon in den ersten Gesprächen von Laschet mit Söder dürfte die K-Frage Thema sein. Da kann Laschet nicht wollen, dass er durch eine gespaltene CDU geschwächt wirkt.

Ob sich Merz mit seinem Vorstoß einen Gefallen getan hat, ist nicht ausgemachte Sache. Zum einen stößt einigen in der Partei ein Satz aus seiner Bewerbungsrede in diesem Zusammenhang sauer auf. Er sei mit 16 Jahren in die CDU eingetreten, hatte er da gesagt und betont: «Ich bin nicht in eine Vermittlungsagentur für Regierungsämter eingetreten, sondern ich bin in eine Partei eingetreten, die Grundsätze hatte.» Wie das mit seinem Vorstoß für ein Ministeramt zusammenpasse, wird da hinter vorgehaltener Hand süffisant gefragt.

Selbst Parteifreunde, die als Merz-Fans gelten, sind von dessen Volte nicht begeistert. «Er hat sich persönlich damit sicher keinen Gefallen getan», sagt Thomas Bareiß, parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, den «Stuttgarter Nachrichten» und der «Stuttgarter Zeitung» (Montag). «Ich glaube, die Lücke, die Friedrich Merz hinterlässt, müssen jetzt Jüngere füllen.» Bareiß spielt als Chef des CDU-Bezirks Württemberg-Hohenzollern eine wichtige Rolle in der Südwest-CDU, die als eine Hochburg der «Fans of Friedrich» galt. Dessen Agieren nach der Laschet-Wahl sei «nicht besonders klug, das musste ins Leere gehen», sagt Bareiß nun.

Auch der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch hat eine ziemlich eindeutige Einschätzung, was den Merz-Vorstoß angeht. Dem Magazin «Cicero» sagt er auf die Frage, ob Merz sein politischer Instinkt verlassen habe, nur knapp: «Auch das gehört in die Kategorie Pulverdampf.»

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Thomas Sylten 18.01.21 20:37
@M.Meier
Ich bezweifle nicht, dass Merz von Wirtschaft mehr versteht als alle anderen Minister von ihren Ministerien. Aber zu wessen Vorteil er diese Fähigkeiten einsetzen würde, scheint bei ihm halt besonders deutlich durch -
so deutlich, dass sogar die Wirtschaftspartei CDU sich nicht so einseitig verortet sehen will.

Die will ihren christlichen Anschein wenigstens ETWAS wahren - auch wenn sie Merz ja ein Wirken im Hintergrund in Aussicht stellt. Das passt ihm in seiner Eitelkeit zwar nicht - ist aber doch konsequent in jeder Beziehung.
Thomas Sylten 18.01.21 14:52
Ich kann nicht sehen dass Merz hier Laschet ein vergiftets Angebot gemacht hätte - im Gegenteil: der eigentlich windelweiche Laschi Laschet wirkt jetzt fast souverän gegen den Loser Merz, der sich mit der absehbaren (weiteren) Abfuhr nur einmal mehr selbst demontiert hat. Ein derart peinlich selbstverliebter Mensch ohne jeden politischen Instinkt und völlig aus der Zeit gefallenes U-Boot der Großfinanz hätte die CDU komplett desavouiert.
Ingo Kerp 18.01.21 13:22
Nach der Wahl vom Laschet, der auch noch Kanzlerabsichten hat, kann man sich beruhigt zurücklehnen, wenn man nicht in DE leben muß.