50 Tage vor den «Midterms»

Schicksalswahl für Donald Trump

US-Präsident Donald J. Trump. Foto: epa/Michael Reynolds
US-Präsident Donald J. Trump. Foto: epa/Michael Reynolds

WASHINGTON (dpa) - Die Zwischenwahlen sind traditionell ein Spießrutenlaufen für die Regierungspartei. Doch für Donald Trump könnten sie weit mehr werden. Ein Verlust von Mehrheiten im Kongress könnte ihm auch persönlich gefährlich werden.

50 Tage sind es noch, ehe rund 90 Millionen Wähler in den USA ihre Stimme abgeben werden. Bei den «Midterms», den Zwischenwahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Senat, bestimmen sie über alle 435 Sitze im «House» und auch über 35 der 100 Senatoren. Mehr noch als traditionell ohnehin üblich, wird die Wahl im Herbst 2018 zu einem Tribunal über die Arbeit und die Person des Präsidenten - Donald Trump. Wird das Wahlvolk den Daumen über den ungewöhnlichsten US-Präsidenten der vergangenen Jahrzehnte heben oder senken?

Die Wahl wird auch für die Zukunft des Präsidenten selbst einschneidende Bedeutung haben. Sollten die Demokraten die Mehrheit von Trumps Republikanern im Repräsentantenhaus knacken, wird nicht nur das Regieren für Trump hochgradig schwieriger. Auch ein Amtsenthebungsverfahren, über dessen Einleitung eine House-Mehrheit entscheiden muss, würde wahrscheinlicher. Sollte Trump gar den Senat verlieren, würde das Eis für den Präsidenten in der zweiten Hälfte seiner ersten Amtszeit noch einmal deutlich dünner.

Die Historie spricht gegen Trump: «Es ist wohl bekannt, dass die Amtsinhaber bei den Midterms Sitze verlieren», sagt James Campbell, Wahlforscher und Professor für Politische Wissenschaften an der Universität Buffalo. Seit dem Jahr 1900 hat die Regierungspartei in 26 von 29 Wahlen zur Mitte der Amtsperiode des Präsidenten Sitze verloren. Die Frage ist nur: Wie viele gehen diesmal flöten? Die meisten Umfragen und Analysen gehen davon aus, dass die Demokraten es schaffen werden, mindestens 23 bisher von den Republikanern gehaltene Sitze zu «drehen» und damit erstmals seit acht Jahren wieder die Mehrheit im Abgeordnetenhaus zu holen.

Doch Wahlumfragen sind Momentaufnahmen, gerade in den Zeiten von Donald Trump scheint besonders wenig vorhersehbar. Trump liegt mit Zustimmungswerten um die 40 Prozent zwar nicht gut, aber auch nicht so viel schlechter als einige seiner Vorgänger zu diesem Zeitpunkt. Seine Basis scheint zu stehen - auch wenn die «Russland-Affäre» und viele Fehltritte vor allem die Protestwählerschaft des Jahres 2016 nachdenken lässt.

Viele Umfragen sehen die Demokraten im Rennen um das Repräsentantenhaus mit zweistelligen Vorsprüngen - doch das sind Aussagen der Grundstimmung mit wenig Aussagekraft für die tatsächlichen Wahlen in den einzelnen Stimmkreisen. Die Midterms sind streng genommen keine nationale Wahl, sondern 435 kleine Einzelabstimmungen, die jeweils ihre eigenen Besonderheiten haben. Das Magazin «Politico» sieht daher gegenwärtig eher ein Patt - mit nur ganz leichten Vorteilen für die Demokraten.

So gewaltig das Medieninteresse an den Zwischenwahlen geworden ist, so undurchsichtig ist das Bild. Unzählige Reportagen beschäftigten sich in den vergangenen Worten mit einem angeblichen Phänomen, dass bei den Demokraten sich vor allem linke Kandidaten in der Bugwelle des 2016 von Hillary Clinton ausgebooteten Senators Bernie Sanders in Stellung bringen können.

Alleine: Die Realität hat das Medienphänomen nur unzureichend bestätigt. Einzelne Rebellen konnten lokale Partei-Beben auslösen, etwa die 28 Jahre junge Linke Alexandria Ocasio-Cortez. Doch in 97 Prozent der Fälle hätten sich bei den Vorwahlen die Kandidaten des Establishments durchgesetzt, sagt der «New-York-Times»-Kolumnist David Brooks. «Es hat keinen Schwung nach ganz links gegeben», sagt er. Die alte Parteigarde, allen voran die hochumstrittene, 78 Jahre alte Nancy Pelosi, die noch einmal Vorsitzende des Repräsentantenhauses werden möchte, klebt an ihren Posten.

Wiederholen die Demokraten also ihre Fehler von 2016? Setzen sie erneut auf das, was Trumps Wählerschaft den «Sumpf» von Washington nennt? Lassen Sie noch einmal Barack Obama Wahlkampf machen, in der Hoffnung, er sei noch immer ein Zugpferd? Die Strategie der Demokraten ist so plump nicht. Sie wollen vor allem jene Wahlkreise holen, in denen derzeit Republikaner die Parlamentssitze halten, die aber 2016 bei der Präsidentenwahl an Hillary Clinton gingen.

Wahlkreise mit gemäßigten Wählern also, mit vielen Wechselwählern. Wahlkreise, in denen die politische Mitte eine gute Chance hat, weniger das Extrem. Das sind auch die Wahlkreise, in denen Obama als Kandidat besonders erfolgreich war. Bei ein paar Nachwahlen, gemeinhin als Testwahlen betrachtet, hat das aus Sicht der Opposition gut geklappt - in Pennsylvania etwa, wo der Demokrat Conor Lamb einen lange Jahre von den Republikanern gehaltenen Sitz erobern konnte.

Während die Demokraten offenbar eher auf alter Linie bleiben, als zunächst erwartet, unterzieht sich die Regierungspartei der Republikaner gerade einer Neuaufstellung. Bei vielen Vorwahlen setzten sich die Kandidaten durch, die innerparteilich von Präsident Trump favorisiert wurden. Gleichzeitig treten parteiinterne Kritiker des Präsidenten wie die Senatoren Jeff Flake und Bob Corker von der Bühne - ein Generationswechsel. «Die Republikaner haben einen Pakt mit dem Teufel geschlossen», sagt deshalb David Brooks.

Nicht nur er glaubt, dass die Partei sich mehr und mehr ihrem Präsidenten unterordnet - bis zur möglichen Selbstaufgabe. Und möglicherweise auch bis hin zu finanziellen Problemen. Potente Parteispender haben der «Grand Old Party» bereits den Rücken gekehrt. Mit dem superpotenten Politgeflecht des Industriellen Charles Koch liegt Trump offen im Clinch. Das konservative Netzwerk drohte sogar bereits an, im Zweifel Demokraten zu finanzieren.

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