THAILAND: Wie wichtig es als Langzeiturlauber bzw. als Resident ist, für den Ernstfall vorzusorgen, beschreibt FARANG-Leser Ulrich Jaeger. Er übernahm die Betreuung einer in Thailand lebenden Bekannten, als diese ins Wachkoma fiel. In der FARANG-Ausgabe 13/2016 berichtete er über den aufregenden Kranken-Rücktransport von Pattaya nach Deutschland. Heute schreibt er über seinen zweijährigen Nervenkrieg mit den thailändischen Behörden und Banken.
Es war ein Montag, als ich um drei Uhr nachts einen Anruf von der Deutschen Botschaft in Thailand erhielt. „Kennen Sie Frau Maria Nordmann (*Name von der Redaktion geändert)?“ Ich schlaftrunken am Telefon: „Ja..., wieso?“ Der Botschaftsmitarbeiter teilte mir mit: „Frau Nordmann liegt im Krankenhaus in Pattaya auf der Intensivstation. Sie ist im Wachkoma.“
Frau Nordmann ist seit 15 Jahren eine sehr gute Bekannte von mir. Sie hat keine Verwandten mehr. Nach ihrer Scheidung ist die Deutsche nach Pattaya ausgewandert. Mit diesem Telefonat begann für mich eine aufregende Geschichte.
Um den Krankenrücktransport von Pattaya nach Deutschland zu organisieren, musste ich erst einmal in Deutschland die Betreuung für meine Bekannte beantragen. Allein dies war schon eine aufregende Story. Aber auch die Auflösung der Geldkonten in Thailand war abenteuerlich und zog sich über zwei Jahre hin. Die Auflösung der zwei Sparkonten bei der thailändischen Bank war mit großen Hürden verbunden. Der Kampf mit dem Geldinstitut hat sich insgesamt über zwei Jahre hingezogen und war wahrlich keine einfache Aufgabe. Es war ein sehr zeit- und arbeitsintensiver Nervenkrieg.
Die Frage der Zuständigkeit
Zuerst habe ich mich an die thailändische Bank gewandt. Von dort erhielt ich auf meine mehrfachen Anfragen keine Antwort. Daraufhin habe ich mich hilfesuchend an die Deutsche Botschaft in Bangkok gewandt. Die Rechts- und Konsularabteilung teilte mir mit, dass der Botschaft keine Erfahrungswerte vorliegen, wie eine Kontoauflösung durch einen in Deutschland bestellten Betreuer in Thailand erfolgt. Der Botschaftsmitarbeiterin war lediglich bekannt, dass es in Fällen der Kontoauflösung eines Verstorbenen in Thailand, thailändischem Recht entsprechend, eines thailändischen Gerichtsurteils zu Gunsten der Erben bzw. zur Einsetzung eines Nachlassverwalters bedarf. Die Erteilung des Urteils kann nur durch einen ortsansässigen Anwalt betrieben werden.“
Weiter erhielt ich noch die Auskunft, dass der Deutschen Botschaft nicht bekannt sei, ob eine Kontoauflösung im Betreuungsfall ohne Gerichtsurteil möglich ist. Dann folgte noch der Tipp, dass ich mich an die Thailändische Botschaft in Berlin wenden kann. Ich bat also die thailändische Auslandsvertretung um Unterstützung. Von dort erhielt ich die Mitteilung: „Eigentlich sollte schon die Deutsche Botschaft in Thailand Ihnen dabei helfen, denn sie vertritt ja die Interessen der deutschen Staatsbürger.“ Dann folgte noch der „aufmunternde“ Satz: „Auf Sie kommen aber bestimmt viele bürokratische Hürden bei der Bank zu.“
Was nun...? Die thailändische Bank reagiert nicht auf meine Nachfragen. Die Deutsche Botschaft konnte mir nicht helfen. Die Thailändische Botschaft verwies mich wieder an die Deutsche Botschaft zurück.
Keine Lösung ohne Rechtsanwalt
Fakt war: Ich benötige das Geld um die hohen Heimkosten von Frau Nordmann bezahlen zu können. Mir wurde schnell klar: Ich alleine komme in dieser Angelegenheit nicht mehr weiter. Ich brauche professionelle Unterstützung. Also wandte ich mich noch einmal an die Deutsche Botschaft. Diese hat mir eine Liste von Rechtsanwälten zukommen lassen. Auf dieser Liste war unter anderem auch ein deutscher Rechtsanwalt aufgeführt, der eine Kanzlei in Thailand unterhält. Der deutsche Rechtsanwalt, der schon jahrelang in Thailand lebt, ist Geschäftsführer einer Rechtsanwaltskanzlei in Pattaya, und er spricht auch Thai. Er wies mich gleich beim ersten Kontakt darauf hin, dass er befürchte, dass ich in Thailand ein neues Gerichtsverfahren zur Betreuerbestellung durchlaufen müsse. Und das, obwohl ich ja vom deutschen Gericht zum Betreuer für alle Aufgabenbereiche bestellt wurde. Die Besonderheit im vorliegenden Fall lag darin, dass das thailändische Recht eigentlich nur Familienmitglieder als Betreuer ernennt. Ich war – und bin – zwar ein sehr guter Freund, aber eben kein Familienmitglied.
Der Rechtsanwalt teilte mir mit: „Mangels internationaler Abkommen und sonstiger Rechtsinstitute werden deutsche Entscheidungen in Thailand nicht anerkannt.“ Und weiter: „Aufgrund der Schwere des Eingriffs in die Rechtspersönlichkeit Ihrer Bekannten, ordnen die thailändischen Gerichte im Regelfall auch Ihre Anwesenheit zum Verhandlungstermin in Thailand an.“
Deutscher Beschluss nicht anerkannt
Im Klartext: Mein Beschluss vom deutschen Gericht zum gesetzlich bestellten Betreuer wird in Thailand nicht anerkannt. Ich musste also meine Bekannte auch vom thailändischen Gericht zur „unmündigen Person“ bzw. als „geschäftsunfähig“ erklären lassen. In Thailand laufen die Uhren anders. Diese Aussage stimmt zwar, ist aber ein wenig mühsam. Besser: andere Länder, andere Gerichtsverfahren.
Der Rechtsanwalt informierte mich beim zweiten Kontakt, dass in Thailand im Allgemeinen und vor Gericht im Besonderen „die Uhren anders laufen würden“: So können Gerichtsverfahren viel Zeit in Anspruch nehmen, besonders in meinem Fall, da es – wie oben erwähnt – dafür eigentlich keine gesetzliche Regelung gibt, da ich kein Familienmitglied von Frau Nordmann bin. „Ein Verfahren zur Bestellung eines ausländischen Betreuers ist nicht unerheblich und wahrscheinlich sehr langwierig.“ Dass der Rechtsanwalt damit recht haben sollte, habe ich dann in insgesamt zwei Jahren feststellen müssen. Mir war zwar klar, dass es keine leichte Aufgabe werden würde, aber dass dieser „Akt“ dann wirklich zwei Jahre dauern sollte, war mir zum damaligen Zeitpunkt nicht bewusst.
Unzählige E-Mails, vier volle dicke Leitz-Ordner, hohe Übersetzungskosten von Unterlagen, ein Flug nach Thailand, ein thailändisches Gerichtsverfahren...
Aber der Reihe nach:
Als erstes musste ich sämtliche Unterlagen (einen dicken Aktenordner) nach Thailand senden. Diese wurden dann von einem thailändischen Übersetzungsbüro ins Thailändische übersetzt. Die Übersetzungskosten der insgesamt 134 Seiten waren nicht unerheblich. Zugegebener Weise waren die Texte, insbesondere die medizinischen, ziemlich anspruchsvoll. Aber eben auch unverzichtbar für das eventuelle Gerichtsverfahren.
„So was hat es noch nie gegeben“
Parallel dazu versuchte der Rechtsanwalt schon vorab Gespräche mit der Bank und dem Gericht zu führen. Die erste Reaktion des Filialleiters der Bank: So was hat es bisher noch nie gegeben und er müsse erst einmal Kontakt mit seiner Zentrale in Bangkok aufnehmen. Und die Reaktion des Richters gegenüber dem Rechtsanwalt? Dieser zog „beide Augenbrauen“ hoch…
Weigerung der thailändischen Bank
Trotz mehrmaliger Vorsprachen meines Rechtsanwaltes bei der kontoführenden Bankfiliale in der Zentrale in Bangkok: es nutzte nichts. Die Bank weigerte sich, die Sparbücher von Frau Nordmann ohne thailändisches Gerichtsurteil aufzulösen. Mein Rechtsanwalt, der ja auch die thailändische Mentalität kennengelernt hat, erklärte mir, dass man verstehen muss, dass in Thailand eigentlich nur Familienmitglieder zu Betreuern bestellt werden. Und nun sollte ich, als „Nicht-Familienmitglied“ und dazu dann auch noch als Ausländer, für eine in Thailand lebende Deutsche als Betreuer bestellt werden. Aufgrund der konservativen Einstellungen in Thailand (welche ja nicht unbedingt schlecht sein müssen) stellt dies die thailändischen Richter vor ein großes Problem. Auch haben die Richter in Thailand einen weitaus größeren Ermessensspielraum als ihre Amtskollegen in Deutschland.
Die Rechtsanwaltskanzlei reichte nun beim thailändischen Gericht einen Antrag auf Ernennung meiner Person als Betreuer in Thailand ein. Mein Rechtsanwalt stellte beim thailändischen Gericht zudem einen Antrag auf Anerkennung des deutschen Betreuerstatus. Dies hatte den großen Vorteil, dass ich nicht nach Thailand fliegen musste und das Verfahren nach Aktenlage entschieden wurde. Dies würde mir die Reise nach Thailand ersparen, erklärte er. Im nächsten Schritt musste ich die thailändische Gerichtsvollmacht für das Betreuungsverfahren in Gegenwart eines Notars in Deutschland unterschreiben und dann nach Thailand senden. Die beglaubigte Vollmacht für das Verfahren wurde dann von meinem Rechtsanwalt beim thailändischen Gericht eingereicht.
Erste Verhandlung im September
Am 2. Juli wurde die Klage eingereicht und vierzehn Tage später erhielt mein Rechtsanwalt vom Gericht die Mitteilung, „dass die formalen Voraussetzungen der Klage erfüllt sind“. Vom Gericht wurde der Verhandlungstermin auf den 14. September angeordnet. Und große Erleichterung: Ich musste nicht zu der Gerichtsverhandlung nach Thailand anreisen. Die Gerichtsverhandlung könne ohne mich stattfinden.
Am 14. September erfolgte nun die erste Verhandlung, an der mein Rechtsanwalt teilnahm. Dann der Schock: der Richter ordnete nach Erörterung der rechtlichen Umstände und der Besonderheiten des Falls nun doch meine persönliche Anwesenheit an. Trotz der Einwände meines Rechtsanwaltes, dass die Kosten der Reise den Vermögenswert von Frau Nordmann reduzieren würden und ich berufliche Verpflichtungen zu erfüllen habe, bestand der Richter auf meine persönliche Anwesenheit und setzte als neuen Termin den 2. November fest.
Tausend Fragen…
Nachdem ich den ersten Schock verdaut hatte, quälten mich tausend Fragen wie:
• Wird vom thailändischen Familiengericht ein Übersetzer (von Thai ins Deutsche) bestellt?
• Wird die Verhandlung mit einem Urteil abgeschlossen oder muss man mit Folgeterminen rechnen?
• Gibt es die Möglichkeit, dass ich – statt des persönlichen Erscheinens – eine eidesstattliche Erklärung abgeben kann?
• Was passiert, wenn das thailändische Gericht mich nicht als Betreuer anerkennt?
Mein Rechtsanwalt versuchte mich zu beruhigen und wünschte mir einen guten Flug nach Thailand.
Was muss ich vor Gericht beachten?
Am Samstag vor der Gerichtsverhandlung kam ich zu einer Besprechung in die Kanzlei meines Rechtsanwaltes in Pattaya. Er versuchte mich zu beruhigen und erteilte mir Tipps für das Gerichtsverfahren am darauffolgenden Montag. Unter anderem, dass ich auf eine korrekte Kleidung (langärmeliges Hemd) sowie auf die thailändische Mentalität achten solle, wie, dass man dem Richter nicht den Rücken zukehrt, eine leichte Verbeugung vor dem Gericht macht und die Beine nicht über Kreuz legt usw.
Gerichtsverhandlung
2. November: Nun war es soweit. Die Verhandlung vor dem Gericht in Thailand. Der Richter befragte mich zu den Umständen von Eva Nordmann, um festzustellen, ob ich auch als Betreuer geeignet bzw. zu ernennen sei. Denn erst dann könnte ich die Bankkonten in Thailand auflösen. Schließlich benötigte ich das Geld, um die Heimunterbringungs- und Pflegekosten in Deutschland zu finanzieren. Der Richter fragte mich unter anderem auch, ob ich geistig gestört sei? Und, ob ich bankrott wäre? Nachdem ich beide Fragen verneinte, war die Verhandlung nach ca. einer halben bis dreiviertel Stunde zu Ende. Der Richter teilte nach Beendigung der Befragung mit, dass sein Urteil am 3. Dezember verkündet werden würde.
Spannung bis zum Urteil
Bis zur endgültigen Entscheidung dauerte es aber noch weitere Wochen. Letztendlich erhielt ich am 25. Dezember die Mitteilung, dass das Urteil einschließlich Rechtskraftvermerk zur Abholung durch meinen Rechtsanwalt bereitliege: Ich wurde nun auch vom thailändischen Gericht zum Betreuer berufen.
Ende gut, alles gut...?
Von wegen! Denn trotz des Urteils weigerte sich die Bank die Konten aufzulösen. Der Filialleiter schaute sich das Gerichtsurteil an. Er telefonierte mit seiner Rechtsabteilung der Bankzentrale in Bangkok. Die bereits oft gehörte Aussage: „So einen Fall hatten wir noch nie!“ wurde mehrfach geäußert. Die Bank bat um weitere Bedenkzeit. Nachdem sich nichts getan hatte, telefonierte mein Anwalt am 11. Januar direkt mit dem Syndikus der Bankzentrale. Ohne Ergebnis.
Ende Januar immer noch kein Bescheid! Am 2. Februar teilte nun der Syndikus der Bank meinem Rechtsanwalt mit, dass ein solcher Fall in dieser Konstellation so noch nie vorgekommen sei. Mein Rechtsanwalt erhielt die Auskunft: „Die Gerichtsentscheidung wird noch intern diskutiert.“ Weitere Wochen vergingen.
Geschafft – nach zwei Jahren
Erst zweieineinhalb Monate nach der Entscheidung des Gerichts, erklärte sich die Bank endlich bereit, dass Geld an mich auszuzahlen. Für europäische Verhältnisse schwer vorstellbar. Aber es dauerte tatsächlich zwei Jahre, bis ich endlich über das Geld auf der thailändischen Bank verfügen konnte. Dank der Hartnäckigkeit meines Rechtsanwalts und seiner Erfahrung mit der thailändischen Mentalität, habe ich nach zwei Jahren Nervenkrieg das Geld nach Deutschland überwiesen bekommen und kann nun die Kosten für das Pflegeheim in Deutschland begleichen.
Man sieht also, wie wichtig es für Residenten und Langzeiturlauber ist, rechtzeitig vorzusorgen, z. B. einer weiteren Person eine Bankvollmacht bzw. Kontobefugnis zu erteilen.
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