Wann, wo und welche Kritik ist derzeit erlaubt?

„Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, mit Kritik einen bereits weit vorangeschrittenen Versöhnungsprozess zu behindern!“ Thailands Landeschef Prayuth Chan-o-cha geht gegen lautstarke Kritiker in der Presse vor.
„Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt, mit Kritik einen bereits weit vorangeschrittenen Versöhnungsprozess zu behindern!“ Thailands Landeschef Prayuth Chan-o-cha geht gegen lautstarke Kritiker in der Presse vor.

BANGKOK: Thailands amtierender Ministerpräsident Prayuth Chan-o-cha drohte Kritikern der Regierung mit der Einbestellung zum Nationalen Rat für Frieden und Ordnung (NCPO), falls sie weiterhin mit ‚unangemessenen Kommentaren den Versöhnungsprozess des Landes stören‘. 

Anlass sind verstärkt auftretende öffentliche Kritiken – auch in großen und angesehenen Tageszeitungen Thailands – am Führungsstil des Ministerpräsidenten sowie dem jüngsten Scheitern eines neuen Verfassungsentwurfes. Chan-o-cha sagte, es sei jetzt nicht der Zeitpunkt, den für die Zukunft wichtigen Erneuerungsprozess des Landes zu unterlaufen.

Schon seit Wochen wagen es Kommentatoren der Zeitungen Bangkok Post und The Nation, den ihrer Auffassung nach ‚militanten Führungsstil' des Regierungschefs anzuprangern. Immer wieder wird Prayuth Chan-o-cha vor allem in intellektuellen Kreisen Thailands vorgeworfen, den von ihm angestrebten Versöhnungsprozess zu brachial durchzudrücken und jegliche Art von Kritik als Beleidigung der amtierenden Regierung zu interpretieren. Der Chefkommentator der Zeitung The Nation, Pravit Rojanaphruk, ist am Sonntag von der Armeeführung einbestellt und auf seine Bürgerpflichten hingewiesen worden.

Der sichtlich verärgerte Ministerpräsident Prayuth Chan-o-cha erklärte gestern, er könne nicht nachvollziehen, weshalb ein erkennbar fortschrittlicher Kurs der Regierung ständig durch unnötige Zwischenrufe gestört werde. Es sei jetzt nicht die Zeit dafür, politische Diskussionen zu führen – dies könne zu einem späteren Zeitpunkt, nach der Rückgabe der Verantwortung an eine demokratisch gewählte Regierung geschehen.

Der Thailändische Journalistenverband verurteilte die Einbestellung des Chefreporters der Tageszeitung The Nation als massiven Eingriff in die Pressefreiheit. Der Vorsitzende Manop Thip-osod sagte, es sei normal Regierungen zu beobachten und zu kritisieren und Aufgabe der Journalisten, auf diese Art ihrer täglichen Arbeit nachzukommen. Auch der Club Ausländischer Korrespondenten in Thailand äußerte sich befremdet über die Vorladung von Journalisten, die nur ihre Meinung geschrieben hätten.

Der am Sonntag vom Militärrat einbestellte Kommentator der ‚Nation‘ ist seit Wochen durch spitzfindige Bemerkungen zur politischen Lage in Thailand aufgefallen. Eine seiner Kernaussagen war dabei der Satz, ‚dass Frieden nicht erzielt werden könne, wenn man nicht bereit sei ihn zu verteidigen‘. Die Stimmung zwischen Thailands Landesregierung und kritischen Journalisten wird zunehmend eingetrübt – vor allem seit nach dem Scheitern einer Verfassungsvorlage feststeht, dass die amtierende Militärregierung voraussichtlich bis Frühjahr 2017 die Amtsgeschäfte weiterführen wird.

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Leserkommentare

Vom 11. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Jürgen Franke 16.09.15 00:17
Super Peter,
wie Du das wieder alles formuliert hast. Voraussetzung dafür ist aber, dass das Volk Thailands auch so regiert und so "frei" werden will.