Versauern wie eine Ratte im letzten Loch

Abschiebehäftling Bernd W. (51) – Im Netz einer landesweiten Aktion gegen obdachlose Ausländer

Besuch im überbelegten Abschiebeknast in Bophut, Koh Samui: Brigitte Gomm vom Dog Rescue Center hat auch ein Herz für Menschen und spendet Lebensmittel und gute Worte.
Besuch im überbelegten Abschiebeknast in Bophut, Koh Samui: Brigitte Gomm vom Dog Rescue Center hat auch ein Herz für Menschen und spendet Lebensmittel und gute Worte.

12 schmutzige Quadratmeter. Am Ende der Zelle ein Loch für die Notdurft. Ein rostiger Hahn liefert spärlich frisches Wasser. In diesem Raum im Erdgeschoss der Polizeiinspektion Bophut auf Koh Samui kennt Bernd W. (51) jeden Zentimeter. Er ist seit drei Wochen sein Zuhause. Vorübergehend. Der Deutsche sitzt hier im September 2013 mit 12 Leidensgenossen in Abschiebehaft.

Wie eine Ratte im zugemauerten Loch. Ohne Visum, ohne Pass, ohne Geld und ohne Perspektive. Thailand möchte Leute wie ihn loswerden. Er und die anderen zerlumpten Gestalten sollen zurück in ihr Herkunftsland. Ausgespuckt wie Müll.

Beinahe als Härtefall im Deutschen TV

Eine „ganz oben“ im Innenministerium angeordnete Aktion gegen obdachlose Ausländer läuft seit Monaten. Im Großraum Phuket und auf Koh Samui sind im Juli und August fast 40 Personen verhaftet und festgesetzt worden. Bernd W. aus Hannover fühlte sich auf Samui sicher, obwohl er seit eineinhalb Jahren weder einen Pass noch ein gültiges Visum besaß. 15 Jahre hatte sich der als „Computer-Bernd“ bekannte Aussteiger auf der Insel durchgeschlagen. Mit Gelegenheitsjobs finanzierte er auch seine Heroinsucht.

Wie man als Süchtiger und Illegaler auf Thailands Straßen überlebt, das hätte ihm beinahe einen Beitrag bei RTL im deutschen Fernsehen eingebracht. Dumm nur, dass zwei Tage vor Drehbeginn der Einsatz der Polizei erfolgte. Am Spätnachmittag des 16. August griffen ihn Beamte der Touristenpolizei an der Lamai-Ringstraße auf - gezielt. Das Innenministerium hatte ein hartes Durchgreifen angeordnet.

Bernd W. aus Hannover: Jahrelang hinter Gittern für Visavergehen?
Bernd W. aus Hannover: Jahrelang hinter Gittern für Visavergehen?

Dass Bernd W. zu einer ganzen Gruppe von unerwünschten Obdachlosen im Königreich gehörte, die schon länger aktenkundig gewesen waren, konnte er da nicht wissen. Erst nach seiner Überstellung vom Provinzgefängnis Koh Samui in die Haltezelle der Polizeistation Bophut wurde dem 51-Jährigen klar, seine Tage in Thailand waren gezählt. Kein Schmiergeld und keine andere Finte konnten ihn vor dem berüchtigten „IDC“ bewahren, der letzten Station vor der Abschiebung: dem Immigrations Detention Center in Bangkok.

Mit Sammeltransport bis nach Bangkok

Bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe war der Mann aus Niedersachsen bereits mit einem Sammeltransporter in die Hauptstadt überführt worden. Während der mehrtägigen Fahrt füllte sich der Bus des Elends mit Burmesen und anderen westlichen Leidensgenossen. Raus aus der Zelle, rein in die Zelle. Über Surat Thani, Ranong, Chumphon und Hua Hin quälte sich der Gefange­nentross nach Bangkok.

Ein Zellengefährte von Bernd W. war Matthew B. (31) aus London. Dessen Schicksal war ebenfalls klassisch für einen gestrauchelten Auswanderer. Den Pass zu spät verlängert, kein Geld, Visum überzogen, die schwangere Thaifreundin in Lamai – und kein Erbarmen der Behörden. „Wie Ratten im Loch sitzen wir seit einem Monat fest“, klagte der Brite namens seiner Leidensgenossen auf Koh Samui. „Das Schlimmste ist, dass uns keiner sagt, wie lange wir hier verrotten müssen, und wann es endlich raus geht.“

Mit der Verlegung nach Bangkok waren für Bernd W. und Matthew B. die Tage des Horrors keineswegs gezählt, im Gegenteil. Ein Australier sitze beinahe sechs Jahre in Abschiebehaft, erfuhren sie von Mitgefangenen. Dieses Schicksal drohe jedem, dessen Angehörige im Heimatland nicht für die Kostenübernahme der Abschiebung garantierten.

Keine Finanzhilfe von den Botschaften

„Dass die Botschaften automatisch die Flüge bezahlen“, ist ein haltloses Gerücht, sagt die gebürtige Düsseldorferin Liz Luxen auf Koh Samui. Sie arbeitet seit neun Jahren als Dolmetscherin und „Rettungssanitäter“ für in Not geratene Ausländer. Besonders in Thailand gilt nach ihrer Erfahrung: „Ohne Moos nichts los, kein Geld, keine Abschiebung und damit unbefristeter Verbleib im Gefängnis in Bangkok.“

Weltweit aktive Hilfsorganisationen beklagen, dass auf diese Weise in Thailand nicht straffällig gewordene Menschen wie Schwerstkriminelle behandelt würden. Wer kein Geld mehr besitze, könne nicht einmal telefonieren und direkt Kontakt mit Verwandten aufnehmen. Es sei nicht Aufgabe der Botschaften, das Geld für die Heimreise aufzutreiben, warnt allerdings Liz Luxen. In diesem Dunstkreis drohe den Entwurzelten jahrelanges Verschwinden hinter Gittern.

Ob Bernd W. nach 15 Jahren Thailand zügig nach Deutschland abgeschoben werden kann, stand Mitte September in den Sternen. Seine hochbetagte Mutter lebt von einer kargen Rente und hatte sich noch nicht durchgerungen, ihrem gestrauchelten Sohn ein weiteres Mal zu helfen. Etwa 1.000 Euro Kosten entscheiden so darüber, ob Illegale in Thailand in einem total überbelegten Gefängnis vegetieren müssen oder zurück in ein menschenwürdiges Leben kehren können. Ein hoher Preis für Sorglosigkeit und eine verpfuschte Existenz im einstigen Traumland.

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Mil Meloni 03.12.14 21:08
Sehr gut
Es ist mehr als gut, dass Thailand kriminelle Migranten konsequent abschiebt. Es reicht vollkommen, dass Deutschland kriminelle Migranten mit Transferleistungen unterstützt. Thailand muss nicht auch noch diesen bescheuerten Weg gehen.
Toni 01.12.13 19:48
Versauern wie eine Ratte im letzten Loch
Ich lebe jetzt ein Jahr in Thailand, meine Rente kann man durchaus als sehr gut bezeichnen, nach Deutschland will ich nicht mehr zurück. Deshalb muss ich mich nun mal an die Thailändischen Spielregeln halten und meine Visa Termine einhalten, ansonsten muss ich die Konsequenzen tragen. Wichtig ist vor allem eine Kranken/Unfall VS wenn ich als Farang in Thailand leben will. Wenn meine Info richtig ist haben 75-80% keinen VS Schutz, da kann Thailand sehr schnell zum Alptraum werden. Auf Koh Samui ist so ein Kandidat, hatte Gesundheitliche Probleme, ist im Hospital und bettelt im Internet um Geld um die Rechnungen vom Hospital zahlen zu können. Das ist einer von Vielen, also mein Mitleid hält sich in Grenzen. Dann sehe ich immer wieder Farangs die in Abfallbehälter nach Verwertbarem suchen, solche Leute fördern nicht gerade das Image der hier lebenden Farangs. Ich finde es durchaus richtig dass solche Leute abgeschoben werden.