Treffen am Deutschen Eck: Le Pen, Wilders und Petry starten Wahlkampf

Foto: epa/Julien Warnand
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KOBLENZ (dpa) - Marcus Pretzell hat viele Hüte auf. Er ist Landesvorsitzender der AfD in Nordrhein-Westfalen, Mitglied der rechtspopulistischen Fraktion «Europa der Nationen und Freiheit» (ENF) und Ehemann von AfD-Chefin Frauke Petry. Nach diesem Wochenende wird er zudem der Mann sein, der Marine Le Pen die Tür nach Deutschland geöffnet hat.

Doch zuerst einmal wird abgesperrt. Die Polizei riegelt die Rhein-Mosel-Halle in Koblenz, wo Le Pen und andere Rechtspopulisten auftreten sollen, schon am Freitag hermetisch ab. Polizeibeamte, die zum Teil aus anderen Städten anreisen mussten, beobachten an den Bahnhöfen der Stadt, wer den Zug verlässt. So ein Aufwand wird normalerweise nur getrieben, wenn Staatsgäste kommen.

Le Pens für Samstagvormittag geplante Rede beim Kongress der ENF-Fraktion wird der erste öffentliche Auftritt der französischen Präsidentschaftskandidatin in Deutschland sein. Die im Bundestag vertretenen Parteien wollen mit ihrer rechtsextremen Partei Front National (FN) bisher nichts zu tun haben.

Auch in der AfD-Spitze gibt es Funktionäre, die von einem Schulterschluss mit der FN nichts wissen wollen. Das ficht Pretzell und Petry aber nicht an. In der Einladung zu dem Treffen, zu dem auch der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders und Matteo Salvini von der italienischen Lega Nord erwartet werden, werden die Gäste als «Spitzenpolitiker des neuen Europa» angekündigt. Petry spricht von einem «europäischen Wahlkampfauftakt».

Den wollen ihr verschiedene Gruppen von Demonstranten vermiesen. Ein ungewöhnlich breites Bündnis ruft unter dem Motto «Koblenz bleibt bunt» zu einer Gegendemonstration am Samstag auf. Die CDU ist dabei, die SPD, die in Koblenz den Oberbürgermeister stellt, Grüne, Linke, die Kirchen und der DGB. Auch reichlich Prominenz hat sich angekündigt.

Als Redner werden Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn, die österreichische Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Ulrike Lunacek, und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) erwartet. Dreyer betont: «Wir stehen für ein buntes und ein offenes Europa und gegen Nationalismus, Rassismus und Hass.» Angesagt haben sich zudem SPD-Chef Sigmar Gabriel, Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) und die Grünen-Vorsitzende Simone Peter. Das Staatsorchester Rheinische Philharmonie will die von Ludwig van Beethoven vertonte «Ode an die Freude» im Freien darbieten - trotz Kälte.

Oberbürgermeister Joachim Hofmann-Göttig wäre heilfroh gewesen, die Rechtsausleger wären gar nicht erst nach Koblenz gekommen. Der SPD-Politiker sagt, die mit öffentlichen Mitteln finanzierte Rhein-Mosel-Halle habe aus rechtlichen Gründen an die ENF-Fraktion vermietet werden müssen. Denn deren Abgeordnete seien ja schließlich demokratisch gewählt. «Hätten wir das nicht gemacht, hätten sie sich eingeklagt», erklärt Hofmann-Göttig.

Warum sich die Rechtspopulisten Koblenz ausgesucht haben? Vielleicht wegen des symbolträchtigen Deutschen Ecks am Zusammenfluss von Rhein und Mosel. Aufgrund der nicht allzu großen Entfernung zu Le Pens Heimat Frankreich und der verkehrsgünstigen Lage? Die ENF-Fraktion schweigt dazu.

Für viel Wirbel sorgt, dass die Organisatoren «alle öffentlich-rechtlichen Medien», das «Handelsblatt», das «Compact-Magazin» sowie zwei Journalisten von «Spiegel» und «Frankfurter Allgemeiner Zeitung» von der Tagung ausschließen. Nur die Pressekonferenz sei für alle Medien zugänglich, heißt es. Im Internet werde es einen Livestream geben. Nicht nur die betroffenen Medien werten dies als einen Angriff gegen die Pressefreiheit, mit dem die Rechtspopulisten vielleicht nur mehr Aufmerksamkeit erregen wollen. ARD und ZDF haben angekündigt, sie wollten trotzdem in Koblenz präsent sein und berichten. Ein ARD-Sprecher sagt: «Wir werden versuchen, so nah wie möglich ranzukommen und idealerweise auch reinzukommen.»

Die Polizei setzt nach eigenen Angaben mehr als 1.000 Beamte aus mehreren Bundesländern ein. Sie will auf alles vorbereitet sein. Zum Vergleich: Bei Hochrisiko-Fußballspielen der Bundesliga in Rheinland-Pfalz sind laut Mainzer Innenministerium durchschnittlich 720 Polizisten präsent.

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Jürgen Franke 21.01.17 21:50
Was mit Europa in der Zukunft passiert,
werden die Menschen in diesem Jahr entscheiden. In Deutschland stehen drei Wahlen, einschließlich die Bundestagswahl an. Wenn sich die Bürger genau so wenig ernsthaft informieren, oder nicht zur Wahl gehen, werden die Ergebnisse genau chaotisch wie der Brexit oder die Trump Wahl. Als Sieger geht die Partei hervor, die, bedauerlicherweise, den besten Populisten in der Mannschaft hat.