Spannung vor Österreich-Wahl

Foto: epa/Christian Bruna
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WIEN (dpa) - Fünf Monate nach dem Ende der rot-schwarzen Koalition in Österreich sind die Bürger der Alpenrepublik am Sonntag zu einer Neuwahl aufgerufen. 6,4 Millionen Menschen sind stimmberechtigt. Insgesamt kandidieren 16 Parteien, zehn davon bundesweit.

Die konservative ÖVP mit ihrem erst 31 Jahre alten Spitzenkandidaten Sebastian Kurz hat gute Chancen auf einen Sieg. In Umfragen erreichte die ÖVP in den vergangenen Monaten stets mehr als 30 Prozent. Ein Fragezeichen steht hinter den Sozialdemokraten mit Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern an der Spitze. Ungeachtet der Verstrickung in eine Schmutzkampagne gegen den ÖVP-Spitzenkandidaten gibt es Anzeichen, dass die SPÖ keinen Absturz befürchten muss. 2013 lag die SPÖ bei 26,8 Prozent, das war ihr schlechtestes Ergebnis seit 1945.

Ziemlich sicher scheint ein deutliches Plus für die rechte FPÖ zu sein. Die Rechtspopulisten hatten 2013 etwas mehr als 20 Prozent der Stimmen und dürften sich nach Einschätzung von Experten nun mit der SPÖ ein Rennen um Platz zwei liefern.

Die Grünen, die Liste des Grünen-Abtrünnigen Peter Pilz und die liberalen Neos rangieren in den Umfragen um die fünf Prozent. Die Hürde für einen Einzug ins Parlament mit seinen aktuell 183 Sitzen liegt in Österreich bei vier Prozent. Wahlforscher gehen davon aus, dass die Wahlbeteiligung höher sein wird als 2013 mit damals 74,9 Prozent.

Das liegt auch an dem äußerst erbittert geführten Wahlkampf. Zwischen SPÖ und ÖVP war es in den letzten beiden Wochen vor der Wahl geradezu zu einer Schlammschlacht gekommen. Ausgangspunkt war die Enthüllung, dass zwei Facebook-Seiten, die auch mit antisemitischen und rassistischen Tönen Stimmung gegen den ÖVP-Kandidaten Kurz machten, aus den Reihen der SPÖ organisiert worden waren. Kern bestritt, davon gewusst zu haben. Zugleich ging er in die Offensive und warf der ÖVP dunkle Machenschaften vor. Höhepunkt der tagelangen gegenseitigen Vorwürfe waren Anzeigen gegen die jeweils andere Seite. Kern erwartet nach eigenen Worten ein «langes gerichtliches Nachspiel».

Die meisten Politik-Experten gehen davon aus, dass sich die beiden Volksparteien damit geschadet haben. Nutznießer dürfte die FPÖ sein.

Eines der Hauptthemen des Wahlkampfs war die Migrationskrise mit ihren Folgen. Vor allem FPÖ und ÖVP machen sich stark dafür, die Zuwendungen für Flüchtlinge zu kürzen oder gar auf Sachleistungen zu beschränken. Außerdem versprachen alle großen Parteien den Bürgern eine mehr oder weniger große Steuerentlastung. In Österreich bleibt den Menschen im europaweiten Vergleich nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben besonders wenig Geld in der Tasche.

Kurz will im Fall eines Wahlsiegs mit allen Parteien reden, um eine Regierung zu bilden. Als wahrscheinlichste Variante gilt ein Bündnis von ÖVP und FPÖ. Es wäre die dritte Regierungsbeteiligung der Rechtspopulisten in Österreich. Zentrale Koalitionsbedingung der FPÖ ist der Ausbau der direkten Demokratie durch Volksbefragungen. Außerdem will die Partei unbedingt den Innenminister stellen. Für Kurz wiederum ist eine grundsätzlich pro-europäische Haltung Bedingung für eine Koalition. Dabei verbindet ÖVP und FPÖ eine kritische Sicht auf die EU, die sich nach ihrer Meinung in zu viele Dinge einmischt.

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