Rajoy droht mit Zwangsmaßnahmen

Foto: epa/Manuel Podio
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BARCELONA/MADRID (dpa) - In Spanien sind fast alle Hoffnungen auf eine einvernehmliche Lösung des Katalonien-Konflikts geplatzt. Die Zentralregierung will am Samstag bei einem Treffen des Ministerrats über Zwangsmaßnahmen beraten, mit denen die Pläne der Katalanen für einen eigenen Staat gestoppt werden sollen. Ministerpräsident Mariano Rajoy reagierte damit am Donnerstag auf die Weigerung der Regionalregierung in Barcelona, sein Ultimatum zu erfüllen und das Streben nach Unabhängigkeit umgehend zu beenden.

Madrid will die im Verfassungsartikel 155 vorgesehenen Schritte einleiten, um in Katalonien die Rechtmäßigkeit wiederherzustellen. Dabei wird es nach Medieneinschätzung möglicherweise zunächst darum gehen, Schaltstellen in Polizei und Verwaltung mit loyalen Beamten zu besetzen, um dann vorgezogene Neuwahlen zu organisieren. Die Maßnahmen müssen vom Senat gebilligt werden, wo Rajoys konservative Volkspartei (PP) die Mehrheit hat.

Bei der Zurückweisung des Ultimatums schrieb Regionalpräsident Carles Puigdemont in einem Brief an Rajoy, Barcelona könne die Anwendung des Artikels 155 gegebenenfalls zum Anlass nehmen, die Unabhängigkeit zu erklären. Er warf dem Ministerpräsidenten vor, den Dialog zu verhindern und die Repression fortzusetzen. Als Beispiel für «Repression» nannte er die Inhaftierung von zwei führenden Aktivisten der separatistischen Bewegung, Jordi Sànchez und Jordi Ciuxart, die von der spanischen Justiz des «aufrührerischen Verhaltens» bezichtigt werden.

Die Organisationen Katalanische Nationalversammlung (ANC) und Omnium Cultural riefen ihre Anhänger in der Nacht zum Freitag aus Protest gegen die Inhaftierung ihrer jeweiligen Präsidenten Sànchez und Cuixart zu einem Sturm auf die Banken auf. Die Bürger sollen demnach zunächst vorrangig am Freitag zwischen acht und neun Uhr vormittags massiv Geld von Konten der fünf größten Banken abheben. Für das Wochenende sind Demonstrationen in Barcelona geplant.

Weitgehend vergeblich hat sich Barcelona bisher um Unterstützung aus dem Ausland bemüht. Der Präsident des EU-Parlaments, Antonio Tajani, warnte die Regionalregierung vor weiteren Bestrebungen zur Trennung von Spanien. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützt Rajoy, wie sie vor dem EU-Gipfel in Brüssel bekräftigte. EU-Ratschefs Donald Tusk sagte, es gebe keinen Spielraum für eine Intervention der EU. Er fügte hinzu: «Es lässt sich nicht verbergen, dass die Situation besorgniserregend ist.»

Der Konflikt spitzt sich schon seit Wochen zu. Barcelona setzte sich über ein Verbot der Justiz hinweg und organisierte am 1. Oktober ein Unabhängigkeitsreferendum. Dabei kam es zu einem massiven Polizeieinsatz gegen Wähler. Bei einer Beteiligung von 42,3 Prozent stimmten 90,1 Prozent für eine Loslösung von Spanien.

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