Linkspolitikerin oder Bananen-Unternehmer

​Präsidentenwahl 

Präsidentschaftsbewerber Daniel Noboa schließt seinen Wahlkampf in Quito ab. Foto: epa/Jose Jacome
Präsidentschaftsbewerber Daniel Noboa schließt seinen Wahlkampf in Quito ab. Foto: epa/Jose Jacome

QUITO: Das einst friedliche Land leidet unter einer Welle der Gewalt. Gangs ringen um die Kontrolle der Schmuggelrouten für Kokain. Kurz vor der ersten Wahlrunde wurde ein Kandidat auf offener Straße erschossen. Das wichtigste Thema für viele Ecuadorianer: Sicherheit.

Inmitten einer schweren politischen und sozialen Krise wählen die Ecuadorianer einen neuen Staatschef. Bei der Stichwahl am Sonntag treten die Linkspolitikerin Luisa González aus dem Lager des wegen Korruption verurteilten Ex-Präsidenten Rafael Correa (2007-2017) und der Bananen-Unternehmer Daniel Noboa gegeneinander an. Ein Novum wird die Abstimmung auf jeden Fall bringen: Entweder bekommt das südamerikanische Land die erste gewählte Staatschefin oder den jüngsten Präsidenten der Geschichte.

In den letzten Umfragen lagen die beiden Kandidaten in etwa gleich auf. González kündigte an, die öffentliche Sicherheit zu verbessern und die Wirtschaft mit staatlichen Investitionen anzukurbeln. «Mein wichtigster Berater wird Rafael Correa sein», sagte sie über den Ex-Präsidenten, der derzeit in Belgien im Exil lebt. «Wer könnte die Wirtschaft des Landes besser lenken als er, der bereits bewiesen hat, dass er dazu in der Lage ist.»

Noboa präsentiert sich als Vertreter der jüngeren Generation mit einem marktliberalen Programm für die angeschlagene Wirtschaft des südamerikanischen Landes. Er versprach, den Technologie- und Tourismussektor zu stärken und erneuerbare Energien zu fördern. Der 35-Jährige ist der Sohn des Bananen-Tycoons Álvaro Noboa, der sich selbst fünfmal um das Präsidentenamt bewarb.

Der Wahlkampf in dem einst friedlichen Land wurde von einer Welle der Gewalt überschattet. Kurz vor der ersten Wahlrunde war der Präsidentschaftskandidat Fernando Villavicencio nach einer Wahlkampfveranstaltung in der Hauptstadt Quito erschossen worden. Die Regierung machte das organisierte Verbrechen für die Tat verantwortlich. Villavicencio hatte angekündigt, hart gegen Korruption und Kriminalität durchzugreifen.

Ob das Attentat jemals aufgeklärt wird, ist fraglich: Vor wenigen Tagen wurden sieben Verdächtige, die nach dem Anschlag festgenommen worden waren, tot im Gefängnis aufgefunden. Ecuador dient als Transitland für Kokain, Verbrechersyndikate kämpfen um die Kontrolle der Routen für den Drogenhandel. Zuletzt fing die Polizei in der Hafenstadt Guayaquil 1,2 Tonnen Kokain ab, die nach Deutschland verschifft werden sollten.

«Sicherheit ist für die meisten Ecuadorianer bei weitem das wichtigste Thema», sagte der Politikwissenschaftler Will Freeman vom Forschungsinstitut Council on Foreign Relations zuletzt in einem Podcast der Zeitschrift «Americas Quarterly». Die Mordrate von 25 Tötungsdelikten je 100.000 Einwohnern war im vergangenen Jahr die höchste in der Geschichte des Landes und überstieg sogar jene von Mexiko und Brasilien.

In Ecuador ringen derzeit zwei Verbrechersyndikate um Macht und Einfluss: Die «Choneros», die mit dem mexikanischen Sinaloa-Kartell zusammenarbeiten, und «Los Lobos», die nach Angaben des Fachportals Insight Crime Beziehungen zum mexikanischen Kartell Jalisco Nueva Generación unterhalten. Auch albanische Drogenhändler sollen mittlerweile in Ecuador mitmischen.

Außerdem steckt das Land in einer politischen Krise: Die vorgezogene Präsidentenwahl war überhaupt nur nötig geworden, weil der konservative Staatschef Guillermo Lasso inmitten eines Amtsenthebungsverfahrens gegen ihn wegen mutmaßlicher Unterschlagung die Nationalversammlung aufgelöst hatte.

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