Neulich, am Strand: SMS = ILY I Love You

Neulich, am Strand: SMS = ILY I Love You

Als ich am frühen Abend in die Bar gekommen bin, hockt Lek wie ein Häufchen Elend in einer Ecke und flennt. „Was ist denn los?“, will ich wissen und fahre ihr tröstend über die Schulter. Doch Lek schluchzt nur noch lauter. Mit verweinten Augen schaut sie mich an. „Sie hat Probleme mit ihrem Farang“, klärt mich eine Kollegin auf. „Aha, das Übliche“, denke ich mir. „Ja, das wird vorbeigehen. Der nächste Farang kommt bestimmt", versuche ich zu beruhigen. Lek kommt aus ihrer Ecke, kramt einige Raucherstäbchen unter dem Tresen hervor, steckt sie an und beginnt vor dem Bar-Altar zu beten. Dann steckt sie die Stäbchen zum Altar hinzu. Sichtlich ist sie jetzt erleichtert. Es wird sie dieses Mal wohl wirklich erwischt haben, denke ich. Ich bestelle mir ein Bierchen.

Nach einer Weile setzt sich Lek neben mich. „Papa, was glaubst du, liebt er mich?“, will Lek von mir wissen. „Wen meinst du?“, frage ich zurück. „Na dein Freund. Du kennst ihn. Du hast auch schon mit ihm gesprochen“, versucht Lek mir zu erklären. „Lek, ich führe keine Buchhaltung über eure Liebhaber, auch keine über die Farangs, mit welchen Mädels sie umherziehen.“ Wie sollte ich beurteilen können, ob es einer wirklich ernst meint? „Ob er dich liebt, merkst du von alleine“, beschwichtige ich sie. Lek nimmt ihr iPhone hervor und zeigt mir Fotos von ihrem Angebeteten. Den Typ auf den Fotos kenne ich tatsächlich. Nur, dass er bei Lek ein Feuer entfacht hat, wußte ich bisher nicht. „Sami geht ins Krankenhaus. Er ist doch erst 38. Ich bin ganz verzweifelt. Schau, Papa: Die anderen Ladys nehmen immer so alte Säcke. Da kann schon Mal einer dahingehen. Ich bin nicht so. Ich will einen jungen Mann. Der wird mich heiraten und bis ans Lebensende auf Händen tragen. Dann werde ich für ihn sogar auch in die Schweiz gehen.“ Voller Überzeugung schaut mich Lek an. „Ja, die hat es erwischt“, durchfährt es mich. „Du träumst vom Prinzen auf einem weißen Ross“, versuche ich ein bisschen realis­tischer zu werden. „Nein, nein, er liebt mich, ganz bestimmt, er sendet mir auch Geld. Doch jetzt geht er ins Krankenhaus. Vielleicht muss er sterben. Oh, mein Buddha!“, Lek beginnt wieder zu verzweifeln. Sie nimmt das Telefon, und bevor ich begreife, was geschieht, hält sie mir das Ding ans Ohr. „Da, sprich mit ihm. Frag ihn, ob er mich liebt“, treuherzig, wie sie mich anguckt, kann ich nicht ablehnen. Ich überlege noch kurz, was ich sagen soll. Ich kann ja nicht sagen: Hallo, ich bin der, der sich mit deiner Lady vergnügt. Da meldet sich schon Sami mit Schweizer Dialekt. „Grüezi Lek, wie gaaht’s?“ Nach einer ersten Konsternation auf der Gegenseite, dass da eine Männerstimme kommt, schildere ich ihm das Drama von Lek. Doch zu meiner Verwunderung, löst das ein Lachen bei dem Schweizer aus. Na klar, gehe er ins Krankenhaus. Seit gestern habe er seine neue Stelle als Pfleger angetreten. Alles im grünen Bereich. Ich frage ihn dann noch, ob ich ihm die Arbeit abnehmen soll, Lek seine Liebe zu zeigen – doch das wolle er schon selber machen, meint Sami. Ich gebe das Telefon wieder Lek und lasse die beiden turteln. Dann widme mich wieder meinem Bier.

Pro Farang ein Bier!

Kurz darauf, das Telefonat ist beendet, hängt sich Lek mir an den Hals. „Oh Papa, du hast mich gerettet, Sami wird gar nicht sterben. Er hat mir gerade gesagt, dass er in 3 Monaten wieder zu mir kommt. Juhui! Und ein paar ‚Fränkli‘ schickt er mir auch noch gleich morgen.“ Allen Ladys erzählt Lek die neuesten Nachrichten. Freude, ja Euphorie, wohin man schaut. Gerade noch zu Tode betrübt, haut Lek nun die Glocke für eine Lokalrunde. Sowas muss gefeiert werden. Deswegen liebe ich die Thais, von einem Extrem ins andere, ohne Übergang. Natürlich bin ich, stellvertretend für Sami, der Hahn im Korb. Lek wird schon genügend ausgeschmückt geschildert haben, mit welcher Wundertat ich es mit ihrem Prinzen hingebogen habe. Auf jeden Fall ist mir nun ein hohes Ansehen bei den Damen garantiert. Und, einen Gratisdrink hat es mir auch noch eingebracht. Eine Lady nach der anderen kommt zu mir und stößt auf mein Wohl an. Da ist eine Lady, die vor langer Zeit Klassenschönste gewesen sein wird. Oder eine andere, hübsch und immer sehr nett, aber nicht mein Typ, die ich als Ferrari ohne Motor wahrnehme. Und viele weitere. Alle haben Spaß und freuen sich, so lassen sie eine Party steigen.

„Papa, kannst du mir auch helfen?“, will ein Mädchen wissen und setzt sich zu mir. „Wo ist das Problem?“, erkundige ich mich. „Kannst du auch meinen Farang zurückbringen? Oh, ich liebe ihn so sehr, ich vermisse ihn.“, die Lady macht ein langes Gesicht. „Schreib ihm doch SMS“, schlage ich vor. „Ja, mache ich. Doch er versteht nicht. Mein Englisch ist nur „little bit“, dazu zeigt sie mit Daumen und Zeigefinger vorm Auge, wie wenig das ist. „Ok, ich kann es ja versuchen, gib her das Ding.“ Wie auf Kommando kramt die Dame drei Telefone aus ihrer Tasche. „Was ist denn das?“, will ich wissen. „Norwegen, Schweden, Deutschland“, erklärt sie mir stolz. „Für jeden Farang ein separates Telefon, erleichtert das Auseinanderhalten.“, meint sie. „Ich kann nur Englisch oder Deutsch“, entschuldige ich mich. „Englisch ist ok. Er soll ja nichts merken, dass jemand anders schreibt“, meint sie schnippisch. „Er? Du meinst sie, alle drei“, stelle ich fest. „Klar, kannst jetzt?“, zwinkert sie mir zu. „Könnte ich schon, doch das ist eine große geistige Anstrengung. Einfach so, funktioniert das nicht. Da darf man sich keinen Fehler erlauben“, mache ich auf wichtig. „Oh, kann ich dir dabei helfen?“, sie rückt näher an mich heran. „Zuerst könntest du mir ein Bier bezahlen“, meine ich. „Mai pen rai!“, kommt prompt die Antwort. „Pro Telefon“, füge ich hinzu. „Oh, Papa, du bist teuer“, lacht sie. „Ja, aber ich bin gut. Schau Lek an, wie glücklich sie jetzt ist.“ Sie schaut zu ihr hinüber. „Ok, Papa, pro Farang ein Bier“, meint sie schnell. So beginne ich, SMS zu schreiben. Eine nach der anderen. Und ein Bier nach dem anderen rinnt die Kehle runter. Als ich endlich die letzte fertig geschrieben habe, steht da schon die nächste Dame vor mir: „Papa, kannst du mir auch…?“ Benebelt vom Bier, vertröste ich die Lady auf morgen. Soviel saufen kann ich nun doch nicht. Und morgen ist ja auch ein Tag. Wie ich nun mein einzig zu begleichendes Bier zahle, meint die Mama-san, ich könnte aber ein gutes Trinkgeld geben, ihr geben, natürlich. „Mama, du solltest mich gratis trinken lassen. Wenn alle Farangs kommen, denen ich

SMS schreibe, wirst du ein volles Haus haben, jeden Tag!“ Dann schwanke ich nach Hause.

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Jens Schlegel 22.04.17 13:56
SMS
Sehr schön geschrieben