Neulich, am Strand: Frühstück in Pattaya

Neulich, am Strand: Frühstück in Pattaya

Es ist früher Nachmittag, ich sitze in unserem Stammlokal und erwarte meinen Kollegen zur wöchentlichen Schachrunde. Wie gewohnt bin ich etwas verfrüht gekommen. Es liegt mir viel daran, meinen Wunschplatz zu haben. Ich bin nämlich dem Aberglauben verfallen, dass auf meinem „Glücksplatz“ mir die besten Einfälle kommen. Zudem habe ich den Überblick über das Geschehen im und um das Lokal. Doch das wird vermutlich vorbei sein, wenn mein Schachpartner das lesen würde. Erzählen sie es ihm bitte nicht weiter.

Während ich mich also mental vorbereite, wird die Bar auf der anderen Straßenseite geöffnet. Mit lautem Rattern wird der Metall-Rollladen hochgeschoben und zwei Ladys beginnen die verbliebenen Spuren der Party, die bis heute in die Früh dauerte, zu beseitigen. Einen ausgeschlafenen Eindruck vermitteln sie nicht. Die erste räumt die Gläser vom unteren Regal auf das obere und wischt den Tresen. Die zweite wäscht die Glasuntersetzer und legt sie zum Trocknen aus, als auch schon der erste Gast daherkommt und sich an ein Tischchen in der Mittagssonne setzt. Wie die Ladys wirkt auch er verkatert. Vermutlich haben sie gemeinsam gefeiert und er war bis vor einigen Minuten noch im Bett. Seine Augen bringt er kaum auf, und sie sind rot geadert. Er bestellt sich sein Frühstücksbier. Wie hier das erste Bier die Kehle runter rinnt, beginnt da die erste Lady den Boden aufzuwischen. Ihre Kollegin betreut den Hausaltar. Die Opfergaben von gestern werden entfernt und durch frische ersetzt. Ein gefülltes Schnapsglas, eine Limonade und etliche brennende Räucherstäbchen zieren nun den kleinen Schrein, der an der Wand hängt.

Das erste Bier ist schon durch und das zweite gleich bestellt. Wenigstens hat er gewartet, bis das Zeremonielle abgeschlossen war. Die Dame stellt ihm die Flasche hin und beginnt nun die Gläser, von ihrer Kollegin dahingestellt, vom oberen Regal wieder auf das, immer noch nicht geputzte, untere zu stellen. Hä? Ich werde Thailand nie verstehen. Derweil schrubbt die erste Dame mit gutem Hüftschwung den Boden. Schöner Anblick! Putzfrau in Hotpants – DAS ist Thailand! Eine weitere Schönheit beginnt ihre Schicht. Ihre Arbeitskleidung ist heute ein Baby Doll. Auch wenn sie ihren zweiten 20. Geburtstag schon vor einigen Jahren gefeiert haben muss, die Figur stimmt. Trotz Cellulite und der jahrzehntelangen Wirkung der Schwerkraft auf ihre Oberweite. Na, wenn es gefällt? Mai pen rai. Es wird Farangs geben, denen es egal ist.

Universität der Versuchungen

Unserem Farang in der Sonne wird es inzwischen heiß. Der Schweiß läuft ihm aus allen Poren herunter. Er behilft sich, in dem er sich seines T-Shirt entledigt und sich mit nacktem Oberkörper wieder hinsetzt. Die Damen begleiten es mit Applaus. Davon ermutigt, zieht er auch gleich seine Hose aus. Zum Glück trägt er eine Badehose drunter. Aber auch so ist er nicht wirklich eine Zierde. Die neu hinzugekommene Lady fängt an, sich um ihn zu kümmern. Der etwa 120 Kilogramm schwere Mittsechziger genießt die Aufmerksamkeiten der Dame. Bei jedem noch so doofen Spruch des Charmeurs lacht sie laut heraus. Obwohl sie ja eh nix versteht. Aber so funktioniert das Geschäft. Er fühlt sich als toller Hecht. Das zählt. Weitere Damen beginnen mit der Arbeit. Nach kurzer Zeit hängen alle auf und um den Krösus herum. Der Konkurrenzkampf der Damen unter sich ist in vollem Gange. Und ihm gefällt es, klar. Die Dame 40+ sieht sich bald in der Defensive, ob der jüngeren Konkurrenz. Unbemerkt von den anderen und dem Farang öffnet sie den Reißverschluss des Tops um gute 20 cm. Freie Sicht auf die Berge Thailands! So kann sich der Umworbene eine Vorstellung des Gebotenen machen und der Zugriff ist auch nicht durch lästige, störende Textilien verwehrt. Passanten auf der Straße amüsieren sich ob des Schauspiels. Auch wenn einige wenige empört den Kopf schütteln. „Wie kann man schon am Nachmittag so saufen?“, scheinen sie sich zu entrüsten. Doch, wie man sieht, es geht ganz gut. Dafür ist ja Pattaya die Universität für Versuchungen.

Müssen Männer schön sein?

„Na, der alte Glatzkopf da drüben lässt mächtig die Sau raus“, bemerkt mein Schachkollege, als er endlich eintrudelt. „Schön ist er nicht. Er könnte sich was überziehen“, setzt er nach. „Müssen Männer schön sein?“, gebe ich zu bedenken. „Es reicht doch seine Vorzüge unter den Mädels zu verteilen“, dazu reibe ich den Zeigefinger am Daumen. Wir lachen. „Ja, schon. Aber auch bei einigen Damen ist es von Vorteil, dass man den BH erfunden hat. Das würde bei einem Mann schon sehr blöd aussehen.“ Ich lehne mich nach vorne und begutachte meinen Freund von oben nach unten. „Ja, da hast du recht. Bei dir würde es tatsächlich blöd aussehen.“ In guter Laune machen wir das erste Spiel. Gegenüber haben sie schon längst von Bier auf Whisky umgestellt. Frühstücksnachspeise, sozusagen.

Einige Schachpartien später macht sich bemerkbar, dass Whisky saufen in der prallen Thailand-Sonne nicht jedem Farang bekommt. Unser „Studienobjekt“ versucht nämlich aufzustehen und sich die Hose anzuziehen. Doch, so sehr er sich auch bemüht und so sehr die Ladys Hand anlegen, der Besoffene bringt es nicht fertig. Die Dame mit dem offenen Ausschnitt beschließt schließlich, den Räuschling, so wie er ist, ins Zimmer zu verfrachten. Mit vereinten Kräften schleppen die Damen, eine links, eine rechts, dem Farang unter die Arme greifend, die dritte mit seinen Klamotten hinterher, die Straße hinunter, zu ihm nach Hause. Ein schönes Bild: Inmitten der Straßenhändler, Touristen mit Klappstühlen, Kinder mit aufblasbaren Schwimmkrokodilen ein Trupp leichtbekleideter Mädels, die eine Alkoholleiche heimbringen. Eine ganz neue Art des „home delivery service“. Einige Minuten später kommen die jungen Mädels zurück. Die Dame mit langjähriger Erfahrung wird sich noch um den „armen Herrn“ bemühen, denke ich. Aber auch sie kommt wenig später. Wütend kommt sie auf ihren High Heels daher gestampft. Ihre Oberweite hüpft auf und ab. Beinahe fallen die wippenden Gefangenen in die Freiheit. „Tja, siehst du. Wer zu viel säuft, der mag nicht mehr“, meint mein Kollege. „Das glaube ich auch. Das hat sich die Dame sicher anders vorgestellt“, zwinkere ich. „Komm, wir gehen mal rüber und trös­ten die Mädchen“, sagt er und schnippt mit den Fingern. „Gut, gleichen wir unsere geistige Arbeit da drüben aus“, folge ich lachend und sehe gerade noch, wie sich die Dame den Reißverschluss wieder hochzieht.

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