Naumann: Habe keine Angst vor dem Tod

Scheidender Honorarkonsul auf Phuket – Trotz Krebsleiden noch auf Kommandobrücke

Der unbequeme Konsul sagt ‚Good bye‘.
Der unbequeme Konsul sagt ‚Good bye‘.

Honorarkonsul Dirk Naumann (72) ist der ältestgediente Konsul auf der Insel Phuket. Seit elf Jahren nimmt er im Auftrag der deutschen Botschaft die Interessen hier lebender Landsleute und Urlauber wahr. Wegen einer schweren Krankheit gibt Naumann im Frühsommer 2014 sein Amt auf. Seine Nachfolgerin steht bereits fest und soll bis spätestens Mai vom thailändischen Auswärtigen Amt und König Bhumibol Adulyadej bestätigt werden. Im FARANG-Gespräch gibt Dirk Naumann offen Einblicke in seine Arbeit und die Probleme auf Phuket und in Thailand – ein Abschiedsinterview der sehr bewegenden Art.

Wie ist das, wenn man Phuket gleichzeitig liebt und stark kritisiert? Welche Gefühle bewegen einen ‚Diplomaten der alten Schule‘, wenn nach elf Jahren eine Amtszeit endet – und in absehbarer Zeit auch das eigene Leben? Honorarkonsul Dirk Naumann (72), gebürtiger Hamburger und seit 40 Jahren in Thailand beheimatet, nimmt im FARANG-Gespräch kein Blatt vor den Mund. Der ältestgediente Konsul auf der Ferieninsel hat oft seine Stimme gegen Missstände erhoben, und dies konform mit den Regeln seines Gastgeberlandes. Meistens, aber doch nicht immer…

Der Konsul ordnet selbst den Nachlass

Dirk Naumann hat Krebs. Er spricht offen darüber. Dass seine Lebensuhr abläuft, erwähnt er fast protokollarisch. Mit großer Gefasstheit und nicht ohne Würde sagt Naumann: „Ich habe keine Angst vor dem Tod, ich hatte Angst vor Schmerzen.“ Seit neun Jahren leidet der deutsche Honorarkonsul für Südthailand unter der heimtückischen Krankheit. Auch wenn eine hervorragende medizinische Behandlung im BumrungradKrankenhaus Bangkok sein Leben lange verlängern konnte – „nun habe ich den Kampf verloren“, sagt der 72-Jährige.

„Meine Lebensdauer ist begrenzt. Ich bin ziemlich am Ende.“ Es klingt nicht resignativ, wenn Dirk Naumann so resümiert. Es ist die Wahrheit, und der norddeutsche Diplomat ordnet seine Nachfolge. Das muss er, denn unerledigte Dinge kann ein Mann seiner Qualität nicht hinterlassen.

Thailands größte Insel Phuket lockt mit ihren schönen Stränden immer mehr Urlauber an – trotz vieler Kritikpunkte bleibt die Anziehungskraft noch ungebrochen.
Thailands größte Insel Phuket lockt mit ihren schönen Stränden immer mehr Urlauber an – trotz vieler Kritikpunkte bleibt die Anziehungskraft noch ungebrochen.

Obwohl er den Namen seiner Nachfolgerin noch nicht nennen darf, verrät Naumann zumindest, dass es sich um eine hochqualifizierte Frau mit sehr guten Voraussetzungen handeln wird: 45 Jahre alt, eine Deutsche mit Thaipass, als Kind deutscher Eltern in Thailand aufgewachsen und der Landessprache mächtig. Bis April 1973 war jedes im Königreich geborene Kind automatisch thailändischer Staatsbürger. Das kommt der neuen Honorarkonsulin zugute.

Gauck hat bereits Nachfolger ernannt

Bundespräsident Joachim Gauck hat am 16. Oktober die Ernennungsurkunde persönlich überreicht. In Thailand dauert diese Prozedur länger. Dirk Naumann hofft, dass das Auswärtige Amt Thailands und dann abschließend König Bhumibol Adulyadej bis spätestens April 2014 ihren offiziellen Segen geben werden. „Erst dann kann ich mich zurückziehen und meine eigenen Dinge regeln.“

Nicht nur die eigene Krankheit verpflichtet Dirk Naumann zur Warnung an alle Landsleute. „Bitte schließen Sie eine ausreichende Krankenversicherung ab! Ich wäre längst tot, wenn ich nicht selbst vorgesorgt hätte.“ Naumann warnt vor den Konsequenzen. Ohne professionelle medizinische Versorgung könne das Leben und Sterben hier zur Hölle werden.

Er selbst hat seine Krankenversicherung ausgeschöpft. Weil er immer pünktlich die Prämien bezahlt und bei Vertragsabschluss nicht falsche Angaben gemacht hatte und eine Klausel zur einseitigen Kündigung durch den Krankenversicherer streichen ließ. „Es ist eine ausgesprochene Dummheit, hier ohne Krankenschutz leben zu wollen.“

Die Arbeitsfähigkeit seines Büros auf Phuket und für Südthailand bleibt erhalten. Naumann beschäftigt als Honorarkonsul zwei thailändische Mitarbeiterinnen, die fließend deutsch sprechen und ihn sehr entlasten. Anders hätte er in den vergangenen Jahren auch nicht so aktiv am Leben auf Phuket teilnehmen können. Durch seinen kritischen Geist eckte Dirk Naumann dabei oft an. Zuletzt auch öffentlich mit seiner Verurteilung der Taxi-Mafia in Phuket im Magazin ‚Stern‘ (www.stern.de/reise/fernreisen/thailand-tuk-tuk-mafia-hat-phuket-fest-im-griff-1732287.html) und in der Washington Post.

Dem Gouverneur gefiel Kritik nicht

Das hat dem Gouverneur von Phuket nicht gefallen. Da in Thailand niemals direkt Kritik geübt wird, kam die Zurechtweisung über Umwege bei Dirk Naumann an, und er kann damit gut leben. „ Ihr Ehemann kann jederzeit mit seinen Problemen zu mir kommen“, ließ ihm der Gouverneur ausrichten. Als ‚Postbotin‘ benutzte er die thai-chinesische Ehefrau Naumanns, die Innenarchitektin Zhu, mit der Naumann in zweiter Ehe seit 16 Jahren glücklich verheiratet ist.

Seit 40 Jahren in Thailand, seit elf Jahren Honorarkonsul auf Phuket: Dirk Naumann.
Seit 40 Jahren in Thailand, seit elf Jahren Honorarkonsul auf Phuket: Dirk Naumann.

Als Dirk Naumann 1966 als Geschäftsführer Thailand für den deutsch-schweizerischen Pharmakonzern Boehringer Ingelheim ins Königreich geschickt worden war, hatte dieser gerade mal einen Jahresumsatz von zwei Millionen Baht. Das änderte sich, und Naumann übergab das Unternehmen als größten pharmazeutischen Vertrieb Südostasiens mit 14 Milliarden jährlichem Revenue. Seit 1982 lebt der Hamburger permanent in Thailand und hat sich in seiner zweiten, unfreiwilligen Karriere als Honorarkonsul ein kleines Denkmal geschaffen.

Mit seiner unermüdlichen Kritik an den mafiösen Zuständen auf Phuket (siehe auch Kasten) hat Dirk Naumann den Finger in die Wunde gelegt. Keiner der anderen Honorarkonsuln ist so lange im Amt wie er, und damit ist er auch gleichzeitig der Koordinator aller Landesvertreter. Hoffnung macht ihm die junge Garde von Honorarkonsuln aus Estland, Norwegen und der Tschechoslowakei. Diese vertraten ebenso unerschrocken die Interessen ihrer Landsleute bei Übergriffen der Taxi- und Jetski-Mafia, und das gab Naumann doch ein Gefühl der Solidarität.

Viel ändern wird sich so schnell nichts, da macht sich der scheidende Honorarkonsul nach elf Dienstjahren nichts vor. Auch seine warnende Stimme wegen der Wasserverschmutzung auf Phuket ging den Behörden mehr auf den Geist als in den Kopf. Die Wasserqualität wird weiter drei Kilometer vor der Küste gemessen und nicht am Strand. Naumann hat oft lamentiert: „Resultate von glaubwürdigen Messungen habe ich bis heute nicht erhalten.“

Dass sich auch die Zeiten für die verantwortlichen Thais auf Phuket ändern werden, davon ist Dirk Naumann überzeugt, der Druck werde wachsen, wenn der Schutz der Touristen derart vernachlässigt werde. 500.000 Chinesen kamen in diesem Jahr auf die größte Insel Thailands. Nächstes Jahr soll die Millionengrenze durchstoßen werden. Naumann weiß, dass demnächst sogar ein eigenes chinesisches Generalkonsulat auf Phuket etabliert wird. Dann sitze ein mächtiger Interessensvertreter mit direktem Zugang zur thailändischen Politik mit im Boot.

Taximafia auf Phuket – Bilanz der Ohnmacht

Warteschlangen von Tuk-Tuks auf Phuket: Die Fahrer verlangen oft Spitzenpreise und sind nicht immer freundlich.
Warteschlangen von Tuk-Tuks auf Phuket: Die Fahrer verlangen oft Spitzenpreise und sind nicht immer freundlich.

Regelmäßig krankenhausreif geprügelte Touristen, Blockaden gegen Kreuzfahrtschiff-Besucher und ihre Minibusse am Hafen, Einschüchterungen von Taxifahrgästen an den Krankenhäusern und großen Shoppingcentern – die Bilanz der Übergriffe von organisierten Taxi-Mafiosi auf Phuket ist erschreckend und ein Signal der Ohnmacht.

Bei einer Sitzung in Phuket-Stadt wurde jüngst vorgeschlagen, dass Thailands Armee helfen sollte, der Abzocke der Taxi- und Tuk-Tuk-Mafia ein Ende zu setzen. Das Problem kann nicht auf andere Weise gelöst werden, sagte Trakul Jullanon, Vertreter eines Tour-Unternehmens, direkt an die Adresse von Vize-Gouverneur Dr. Sommai Preechasin.

Ein Mitarbeiter aus dem internationalen Club Med Marke, Wijid Dasandhat, erzählte, dass vor Kurzem der Sohn eines ehemaligen Premierministers aus Frankreich mit Freunden von Taxifahrern gestoppt wurde, die 800 Baht verlangten, damit sie passieren konnten. Für Wijid Dasandhat ist es bemerkenswert, dass diese Leute machen können, was sie wollen.

Seit September ist die Polizeispezialeinheit DSI (Department of Special Investigation) aus Bangkok verstärkt auf Phuket gegen mafiöse Strukturen im Einsatz. Das DSI soll mit der lokalen Verwaltung und Polizei sowie dem Tourismusministerium zusammenarbeiten und einer Beschwerdekampagne von Botschaftern aus Europa, Australien und China die Spitze nehmen.

Zwei Notruf-Zentralen sind am Phuket-Flughafen und bei der Kathu-Polizeistation in Patong eingerichtet worden. Bis auf einzelne Festnahmen und Kontrollen konnte kein messbarer Erfolg registriert werden. Geschädigte Anrufer beklagten, dass nicht einmal das Telefon abgenommen worden sei, als sie in Not gerieten. Honorarkonsul Dirk Naumann verwundert das nicht. „Die Dreistigkeit dieser Zunft ist nicht mit Appellen und halbseidenen Einsätzen zu bekämpfen. Da bräuchte es schweres Geschütz.“

Phuket in Kürze:

Die Insel Phuket liegt in der Andamanensee im Süden von Thailand. Mit einer Länge von 50 km und einer Breite von 22 km ist sie 543 km² groß und Thailands größte Insel. Sie besitzt als einzige Insel den Status einer Provinz (Changwat).

Der Flughafen ist der zweitgrößte Thailands, hier kommen jährlich mehr als drei Millionen Touristen bei registrierten 28.000 Flügen an. Zehn Airlines fliegen hier ein, das Frachtaufkommen liegt bei fast 15.000 Tonnen. Aus dem deutschsprachigen Raum wird Phuket durch Condor, Air Berlin und Edelweiß Air direkt erreicht.

Laut einer Volkszählung von 2012 leben auf Phuket offiziell 525.000 Menschen, 20 Prozent sind Ausländer. Da das thailändische Meldewesen nicht mit westlichem Standard vergleichbar ist, wird die tatsächliche Einwohnerzahl doppelt so hoch geschätzt. Vor allem die vielen myanmarischen Bauarbeiter – ihre Zahl geht in den fünfstelligen Tausenderbereich – werden kaum registriert und als billige Arbeitskräfte ausgebeutet.

Am 26. Dezember 2004 wurde Phuket von einem Tsunami mit riesiger Zerstörungskraft heimgesucht, der in der ganzen Region 6.000 Todesopfer forderte. Ursprung war ein starkes Erdbeben im Indischen Ozean vor der Nordwestküste Sumatras. Heute sind nur noch wenige Auswirkungen zu sehen.5555

tern aus Europa, Australien und China die Spitze nehmen.

Zwei Notruf-Zentralen sind am Phuket-Flughafen und bei der Kathu-Polizeistation in Patong eingerichtet worden. Bis auf einzelne Festnahmen und Kontrollen konnte kein messbarer Erfolg registriert werden. Geschädigte Anrufer beklagten, dass nicht einmal das Telefon abgenommen worden sei, als sie in Not gerieten. Honorarkonsul Dirk Naumann verwundert das nicht. „Die Dreistigkeit dieser Zunft ist nicht mit Appellen und halbseidenen Einsätzen zu bekämpfen. Da bräuchte es schweres Geschütz.“

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theo kleine 23.05.14 15:55
Honorarkonsul Dirk Naumann
Ich schliesse mich voller Ueberzeugung an. Da Herr Naumann schon mehr als verdientermassen fuer seinen aussergewoehnlichen Einsatz waehrend des Tsunamis das Bundesverdienstkreuz erhalten hat,
sollte es die naechst hoehere Klasse sein und Botschafter Dr. Schulze sollte anlaesslich der Ueberrreichung ein Verabschiedungsdinner oder zumindest ein Zusammentreffen der deutschen Community von Phuket veranlassen, wie es Dr. Bruemmer bei seiner eigenen Verabschiedung gemacht hat. Das waere fuer den Botschafter auch eine gute Gelegenheit Mitglieder der deutschen Community kennenzulernen.