Lichtblick für den Euro

Foto: dpa/Tobias Kleinschmidt
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FRANKFURT/LISSABON (dpa) - Wenn es um die Wirtschaft der südeuropäischen Euro-Länder geht, sind gute Nachrichten Mangelware. Aber es gibt sie: Während Italien wegen baldiger Neuwahlen als Euro-Wackelkandidat in den Fokus der Finanzmärkte gerät und der Streit um Griechenlands Schulden ungelöst bleibt, mausert sich Portugal zu einem Hoffnungsstern. Das Land glänzt mit robustem Wachstum und Fortschritten bei den Staatsfinanzen.

Ausgerechnet unter einer sozialistischen Minderheitsregierung wird Portugal jetzt zum Liebling der Finanzmärkte. Seit Mitte März sinken die Marktzinsen auf portugiesische Staatspapiere immer weiter. Die Rendite zehnjähriger Anleihen fiel jetzt sogar unter drei Prozent und erreichte am Freitag den niedrigsten Wert seit September. Portugal konnte sich zuletzt wesentlich günstiger Geld leihen, weil Gläubiger größeres Vertrauen haben. Inzwischen sei Portugal gar zu einem «sicheren Hafen» für Anleger geworden, sagt Christopher Jeffery, Experte beim Vermögensverwalter LGIM.

Nicht nur die Gläubiger und die Experten freuen sich. In Portugal herrsche Euphorie, schrieb die Renommierzeitung «Público». Bejubelt wird vor allem Finanzminister Mário Centeno. Der 50-jährige Ökonom wurde nach Medienberichten von seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble in Anspielung auf den Weltfußballer aus Portugal als «Ronaldo der Eurogruppe» gelobt. Das Massenblatt «Correio da Manha» titelte: «Centeno Superstar.»

Der Aufschwung Portugals kommt dabei zu einer Zeit, in der andere südeuropäische Länder wie Italien und Griechenland mit zunehmendem Druck an den Finanzmärkten zu kämpfen haben - Italien vor allem wegen eines möglichen Wahlsiegs der eurokritischen Fünf-Sterne-Bewegung bei den anstehenden Neuwahlen und Griechenland wegen des immer noch ungelösten Schulden-Streits mit den Gläubigern.

Am Tejo-Fluss sorgen unterdessen vor allem die Staatsfinanzen für Optimismus. Weit zurück scheint das Jahr 2011, als das Land von der EU und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) mit einer Hilfe von 78 Milliarden Euro vor dem Bankrott bewahrt werden musste.

Nach jahrelangen Spar- und Reformmaßnahmen und gut drei Jahren unter dem EU-Rettungsschirm steht das Land seit Mai 2014 finanziell wieder auf eigenen Beinen. 2016 wurde mit 2,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts das niedrigste Haushaltsdefizit seit 1974 registriert. Portugal blieb damit erstmals unter der im Maastricht-Vertrag vorgegebenen Grenze von 3 Prozent.

In Brüssel reibt man sich die Augen. Denn solche eine Entwicklung hatte die EU-Kommission nicht erwartet, zumal in einem Land mit einer Minderheitsregierung, die von Kommunisten, Marxisten und Grünen mitgetragen wird. Das Defizitverfahren gegen Portugal soll nun eingestellt werden.

Rückenwind bekommt Lissabon von der neuen wirtschaftlichen Stärke des Landes. Der Tourismus boomt wie noch nie, und in den ersten drei Monaten des Jahres ist die Wirtschaft im Vergleich zum entsprechenden Vorjahreszeitraum mit 2,8 Prozent so stark gewachsen wie seit Beginn der Finanzkrise nicht. Zudem ist die Arbeitslosenquote nach acht Jahren erstmals wieder unter 10 Prozent gefallen. Regierungschef António Costa sieht sich auf seinem Weg bestätigt, den harten Sparkurs der konservativen Vorgänger-Regierung zu entschärfen und die Steuerlast etwas zu verringern.

Doch Experten warnen vor zu viel Optimismus, und auch die führenden Rating-Agenturen sahen bislang noch keinen Grund, etwas an ihrer schlechten Einschätzung zur Kreditwürdigkeit Portugals zu ändern. Standard & Poor's, Moody's und Fitch stufen Portugal allesamt auf «Ramschniveau» ein. Nur die weniger bekannte kanadische Agentur DBRS sieht die Dinge positiver, und nur deshalb darf die Europäische Zentralbank (EZB) ihren eigenen Regeln folgend zur Ankurbelung der Wirtschaft weiterhin portugiesische Staatspapiere kaufen - auch das drückt die portugiesischen Zinsen.

Rating-Experten verweisen derweil auf den immer noch riesigen Schuldenberg von 130 Prozent der Wirtschaftsleistung, erlaubt sind eigentlich maximal 60 Prozent. Hinzu kommen weiter schwelende Probleme mit faulen Krediten in den Büchern der Banken. Zwar habe es zuletzt Fortschritte gegeben, sagt Commerzbank-Experte Ralph Solveen. «Aber es besteht die Gefahr, dass der Staat sich zu weiteren Hilfsmaßnahmen gezwungen sehen wird, was die Staatsfinanzen noch einmal spürbar belasten würde.»

Und es ist auch nicht so, dass alle Portugiesen sich von der Begeisterung anstecken lassen. «Wenn die internationale Konjunktur schwächer wird, rutscht man schnell von der Euphorie in die Depression», warnte «Público» jüngst.

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Jürgen Franke 04.06.17 00:39
Eigentlich wäre es zu schön, um wahr zu sein
wenn der wirtschaftliche Erfolg Portugals nachhaltig ist. Die wirtschaftliche Situation in Italien ist jedoch noch nicht entschieden.