Jahrhundertbeben lässt Mexiko erzittern

Foto: epa/Pedro Rasgado
Foto: epa/Pedro Rasgado

MEXIKO-STADT/SAN CRISTÓBAL (dpa) - Ein so starkes Erdbeben hat Mexiko schon lange nicht mehr erlebt. Der Erdstoß der Stärke 8,2 lässt das halbe Land beben. Viele Gebäude stürzen ein, Dutzende sterben. Angesichts der Stärke ist Mexiko aber wohl noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen.

Es ist kurz vor Mitternacht, als in San Cristóbal die Erde bebt. Der Strom fällt aus, Hunde jaulen und Menschen rennen in Panik auf die Straße. «Ich habe gedacht: Das war es jetzt, ich werde sterben. Es hat mein Herz zusammengedrückt», sagt Ricarda Jiménez Cordero. Die 70-Jährige räumt gerade die Küche auf, als das Beben der Stärke 8,2 die malerische Kolonialstadt San Cristóbal im südlichen Bundesstaat Chiapas erschüttert. «Gott hat uns eine zweite Chance gegeben», sagt Jiménez als das Beben abgeklungen ist. «Das Beben war sehr stark, aber Gott sei Dank wir leben noch.»

Das Beben der Nacht zum Freitag ist das stärkste in Mexiko seit fast einem Jahrhundert. Selbst das verheerende Erdbeben von 1985, bei dem mindestens 10.000 Menschen ums Leben kamen, war etwas schwächer. Damals lag das Zentrum allerdings deutlich näher an der Millionenmetropole Mexiko-Stadt.

Luis Gómez rennt im Schlafanzug mit seiner Frau und seinen drei Töchtern auf die Straße. «Das Beben war sehr schlimm, so ein starkes Erdbeben habe ich noch nie erlebt», sagt der Familienvater aus San Cristóbal. «Wir konnten nicht im Haus bleiben, weil es mit Stahlelementen gebaut ist und wir Angst hatten, dass sie uns erschlagen.»

Auch in Mexiko-Stadt ist das heftige Beben zu spüren. In vielen Vierteln fällt der Strom aus, Schranktüren springen auf und Bücher fallen aus den Regalen. Das Unabhängigkeitsdenkmal im Zentrum der Hauptstadt mit seinem goldenen Engel an der Spitze schwankt bedenklich. Am Flughafen tun sich Risse in den Gängen auf, eine Glastür zerschellt in Tausende Splitter.

«Das war ein sehr starkes Beben. Hier sind Sachen aus den Regalen gefallen», sagt Liliana Rubio, die in der Nacht in einem kleinen Geschäft an der Kasse stand. «Ich habe im Lagerraum Schutz gesucht. Ich hatte große Angst.» Auch dem Straßenverkäufer José Escalante steckt der Schreck noch in den Knochen: «So ein heftiges Erdbeben hatte wir hier seit 1985 nicht mehr.»

Konstantin Stöhr betreibt die Metzgerei «Selva Negra» (Schwarzwald) in Mexiko-Stadt. «Wir haben den Alarm gehört. Meine Familie und ich haben uns angezogen und sind auf die Straße. Alle waren draußen, ich habe da 50 bis 60 Leute gesehen. Die Stimmung war eigentlich ruhig», erzählt der deutschstämmige Unternehmer.

Präsident Enrique Peña Nieto eilt noch in der Nacht ins Katastrophenzentrum, um sich über die Aufräum- und Rettungsarbeiten zu informieren. «Das war ein starkes Beben, 50 Millionen Mexikaner konnten es spüren», sagt der Staatschef. «Natürlich hat es Schäden verursacht und leider haben wir auch Tote zu beklagen.»

Mindestens 58 Menschen kommen bei dem Erdbeben ums Leben, die Zahl könnte noch weiter steigen. Im Bundesstaat Tabasco stirbt ein Baby, weil sein Beatmungsgerät wegen des Stromausfalls nicht mehr funktioniert. Zahlreiche Menschen werden von herabstürzenden Trümmerteilen erschlagen. In Matías Romero fällt ein ganzes Hotel in sich zusammen.

Besonders stark wird die Stadt Juchitán im Bundesstaat Oaxaca getroffen. Dort stürzt das Rathaus ein. «Über 100 Häuser sind zerstört. Ich bitte das Innenministerium darum, dass es den Notstand für unsere Ortschaft erklärt», sagt die Bürgermeisterin im Radio.

Nach dem schweren Beben geht in Mexiko die Angst vor Nachbeben um. Diese sind häufig gefährlicher als der erste Erdstoß, weil sie beschädigte Gebäude endgültig zum Einsturz bringen können. «Bis jetzt haben wir 185 Nachbeben registriert, davon zwölf heftiger als Stärke 5», sagt mittags der Leiter des Katastrophenschutzzentrums.

In den besonders stark betroffenen Bundesstaaten Oaxaca, Chiapas und Tabasco suchen die Rettungskräfte am Morgen nach Verschütteten. Zahlreiche Mauern und Gebäude sind eingestürzt, darunter könnten noch mehr Opfer begraben sein. In den Regionen wurden Sammelstellen für Lebensmittel, Kleidung und Hygieneartikel eröffnet.

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