G20 in Hangzhou: «Gastgeberrolle enorm wichtig für China»

Foto: epa/Mark Schiefelbein
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PEKING (dpa) - Straßen werden ausgebaut, U-Bahnen modernisiert, hunderte Fabriken geschlossen: China betreibt für das erste G20-Treffen im eigenen Land einen gewaltigen Aufwand. Mit einem perfekten Gipfel will Peking seinen Führungsanspruch in der Welt untermauern.

Schon im 13. Jahrhundert soll Marco Polo auf seinen Reisen die ostchinesische Stadt Hangzhou, in der China am Wochenende erstmals einen G20-Gipfel austrägt, als einen der schönsten Orte der Welt bezeichnet haben. Ein chinesisches Sprichwort beschreibt die Metropole mit ihren zahlreichen Flüssen und Brücken gar als ein Paradies auf Erden. Doch auf die alten Loblieder will sich Chinas Führung lieber nicht verlassen.

Dass sich die Gastgebernationen des politischen Spitzentreffens der größten Industrienationen und Schwellenländer kräftig bei der Planung ins Zeug legen, ist nichts besonderes. Auch in Hamburg, wo im kommenden Jahr den G20-Gipfel steigt, haben die Vorbereitungen längst begonnen.

Die Hanseaten werden allerdings nicht mal ansatzweise ein so großes Rad drehen, wie die Chinesen in Hangzhou: Die Regierung gab gewaltige Summen aus, um die Infrastruktur der Stadt in Schuss zu bringen. Straßen wurden ausgebaut, das U-Bahnnetz erweitert und eine neue Flotte elektrischer Busse in Betrieb genommen. Für den Gipfel wurden eigene Briefmarken veröffentlicht, es finden sich auch neue «Denkmäler»: Mit Reis, Mais, Peperoni und Sesam wurden die chinesische Flagge und ein G20-Schriftzug als Mosaik nachgebaut. Hangzhou soll glänzen, wenn es am Sonntag und Montag zur Bühne der Staats- und Regierungschefs wird.

Obwohl die meisten Großstädte Chinas unter chronischem Smog leiden, dürfte das obligatorische Gruppenfoto von Obama, Putin, Merkel und Co. problemlos unter blauem Himmel gelingen. Ähnlich wie schon bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 sollen Fabriken in einem Umkreis von 300 Kilometern rund um den Tagungsort schließen. Die Menschen in Hangzhou bekommen Sonderurlaub und werden mit Reisegutscheinen dazu motiviert, die Stadt zu verlassen.

Hinter den akribischen Vorbereitungen steckt mehr als typisch chinesische Gastfreundschaft. «Die Gastgeberrolle beim G20-Gipfel ist enorm wichtig für die chinesische Führung», sagt Mikko Huotari vom China-Institut Merics in Berlin: «Sie bietet nach innen für die eigene Bevölkerung gute Nachrichten und beeindruckende Bilder von den Mächtigen der Welt, die China den Hof machen.» Aber auch nach außen solle der Gipfel zeigen: «China ist definitiv auf der Weltbühne angekommen.»

Ähnlich demonstrierte die zweitgrößte Volkswirtschaft seinen Führungsanspruch bereits vor zwei Jahren. Als China damals den APEC-Gipfel organisierte, einem Treffen der pazifischen Anrainerstaaten, wurde am Tagungsorts am Yanqi-See bei Peking extra ein verglastes Kempinski-Hotel in Kugelform gebaut. Mit der Ankündigung, viele Milliarden Dollar in der Region investieren zu wollen, sorgte China damals bei seinen Nachbarn für Begeisterung.

Auch in Hangzhou will China die Wirtschaft und mögliche Impulsen zur Stabilisierung der krisengeschüttelten Weltwirtschaft zum Hauptthema machen. «Es wird sich so gut wie alles um die Wirtschaft drehen», sagt Shi Yinhong, Professor für Internationale Beziehungen an der Pekinger Volksuniversität. Chinas Führung wolle vorzeigbare Ergebnisse, um so die Handlungsfähigkeit der G20 zu demonstrieren.

Schließlich ist China schon seit langer Zeit schmerzfrei, wenn es darum geht, gegen die G7-Staaten zu poltern. Die Gruppe der alten Industriestaaten Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan und Großbritannien ist aus Sicht der Chinesen überholt. Peking ist der Ansicht, dass diese Staaten, die gerade einmal zehn Prozent der Weltbevölkerung ausmachen, nicht in der Lage sind und auch nicht das Recht haben, globale Probleme alleine zu managen. Für Peking ist es deshalb besonders wichtig, dass der diesjährige G20-Gipfel zu einem Erfolg wird.

Dabei besteht allerdings die Gefahr, dass wichtige Themen unter den Tisch fallen. «China versucht als Gastgeber den Raum für Themen mit Sprengstoff so klein wie möglich zu halten», sagt ein westlicher Diplomat. Der Konflikt im Südchinesischen Meer, wo sich China mit Nachbarn um Gebiete streitet, die von großer Bedeutung für den globalen Schiffsverkehr sind, dürfte so bestenfalls in bilateralen Randgesprächen thematisiert werden. «Am liebsten wäre es den Chinesen, wenn das Thema ganz unter den Tisch fällt.»

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