Erste Verfahren nach Tuifly-Flugausfällen - Bisher über 600 Klagen

Foto: epa/Julian Stratenschulte
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HANNOVER (dpa) - Der Herbsturlaub ist für Tausende Kunden der Fluggesellschaft Tuifly vergangenes Jahr ausgefallen: Rund eine Woche lang kämpfte das Unternehmen mit massiven Flugausfällen, weil sich die Besatzungen reihenweise krankmeldeten. Für die entgangene Urlaubserholung will Tuifly den Kunden bisher keine Entschädigungen zahlen, lediglich der Reisepreis wurde erstattet. Nun werden die ersten Entscheidungen erwartet, ob das Unternehmen mit dieser Linie durchkommt.

Viele Betroffene reichten Klage ein, beim Amtsgericht Hannover sind bereits mehr als 600 Zivilverfahren anhängig. An diesem Dienstag (14. Februar) werden einige der ersten Klagen verhandelt. Unter anderem will eine fünfköpfige Familie 4.000 Euro auf Basis der EU-Fluggastrechteverordnung, weil sie nach eigenen Angaben erst am Flughafen Düsseldorf erfuhr, dass der Flug nach Kos und auch der Rückflug storniert wurden. Eine Entscheidung in dem Verfahren könnte noch am selben Tag oder etwa drei Wochen später verkündet werden, sagte Richterin Catharina Erps.

Bevor es zu der ungewöhnlichen Häufung von Krankmeldungen kam, war bekanntgeworden, dass Tuifly zusammen mit der österreichischen Air-Berlin-Tochter Niki in eine neue Dachgesellschaft unter Führung der arabischen Fluglinie Etihad integriert werden soll. Arbeitnehmervertreter befürchteten daraufhin Job-Verluste.

Das Unternehmen beruft sich nach Gerichtsangaben darauf, dass die hohe Zahl an Krankmeldungen ein wilder Streik war. Um welche Schadenssummen es für das Unternehmen geht, ist unklar, Tuifly will dazu keine Angaben machen. Die Gesellschaft argumentiert damit, dass die massenhaften Krankmeldungen ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne von höherer Gewalt gewesen seien. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind Fluggesellschaften bei einem Streik zwar von Entschädigungszahlungen befreit. Ob die Krankmeldungen als Streik aufzufassen sind, ist rechtlich aber strittig.

Wie die Richter entscheiden, ist völlig offen. Reiserechtler glauben, dass Tui eher schlechte Karten hat, Ausgleichszahlungen nach der EU-Fluggastrechteverordnung zu verweigern.

Bei einer mehr als dreistündigen Flugverspätung haben Reisende je nach Flugstrecke Anspruch auf eine Entschädigung von 250 bis 600 Euro, wenn die Fluggesellschaft für die Verspätung verantwortlich ist. Wer gar nicht fliegen kann, obwohl er pünktlich am Abfertigungsschalter war, hat Anspruch auf eine Entschädigung von bis zu 600 Euro pro Person.

Bis es eine endgültige Entscheidung gibt, kann es aber dauern. Gegen die Entscheidungen eines Amtsgerichtes in erster Instanz kann die unterlegene Partei Berufung einlegen, wenn der Streitwert höher als 600 Euro ist.

Tuifly hatte im Streit um die Zukunft des Unternehmens schließlich eingelenkt und war den Forderungen der Arbeitnehmer mit einer mindestens dreijährigen Standort- und Tarifgarantie entgegengekommen.

Anfang Dezember hatte Tui-Sprecher Kuzey Esener mitgeteilt, eine vergleichbare Ausnahmesituation wie im Oktober habe es in Deutschland noch nie gegeben. «Es handelte sich um außergewöhnliche Umstände, die außerhalb des Einflussbereichs unserer Fluggesellschaft lagen. Für eine solche unvorhersehbare Situation kann die Fluggesellschaft keine Vorsorge treffen.» Tui-Konzernchef Fritz Joussen sagte zwar: «Natürlich werden die Passagiere gemäß den gesetzlichen Vorgaben entschädigt.» Er ließ aber offen, was dies konkret bedeutet.

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Leserkommentare

Vom 10. bis 21. April schließen wir über die Songkranfeiertage die Kommentarfunktion und wünschen allen Ihnen ein schönes Songkran-Festival.

Jürgen Franke 14.02.17 23:08
Es ist zu hoffen, dass die Familie
die nun nicht ihren Flug antreten konnte, die Ausgaben für ihre vergebliche Reise erstattet bekommt, da eine Fluggesellschaft dafür Sorge tragen muß, der der Flieger auch abhebt. Man kann nicht ein Auto verkaufen, wo der Motor fehlt. Offensichtlich haben die Arbeitnehmervertreter die Interessen der Piloten nicht optimal vertreten können, so dass die Krankmeldung für sie die Möglichkeit war, um eine Regelung ihrer Situation herbei zu führen. Grundsätzlich werden wilde Streiks auch in Deutschland geahndet.
Jack Norbert Kurt Leupi 14.02.17 22:18
Streikrecht in der Schweiz /Herr L.de Ruiter
Geehrter Herr de Ruiter , in der Bundesverfassung der Confoederatio Helvetica werden unter der Präambel : Im Namen Gottes des Allmächtigen (für viele unwichtig ) , das Schweizervolk gibt sich folgende Verfassung : Art.22 Versammlungsfreiheit ; Art.23 Vereinigungsfreiheit ; Art.36 ,Absatz 4 : Der Kerngehalt des Grundrechtes ist u n a n t a s t ba r ! Somit besteht die Gewerkschaftsfreiheit ,alle dürfen sich einer Gewerkschfat anschliessen und das Streikrecht ist in der Verfassung garantiert ! Und trotzdem haben leider verschiedene Vorfälle gezeigt , dass diese Rechte in der Realität nicht immer gewährleistet wurden ! Streikende wurden bestraft und in gewissen Vorfällen sogar gekündigt ! Erinnern wir uns noch an den Generalstreik 1918 und die Zeiten in den 30 iger Jahren , wo es teilweise sogar Tote gab ! So gesehen heisst es schlussendlich , dass bei einigen Streikunregelmässigkeiten ein "grelles " Licht auf das Schweizer Streikrecht fällt oder gefallen ist !