Bisher größter Protest gegen Präsident Saied

Protestaktion gegen den tunesischen Präsidenten Kais Saied in Tunis. Foto: epa/Mohamed Messara
Protestaktion gegen den tunesischen Präsidenten Kais Saied in Tunis. Foto: epa/Mohamed Messara

TUNIS: In Tunesien haben sich Tausende zum bisher größten Protest gegen die umstrittenen Maßnahmen von Präsident Kais Saied versammelt. Die Teilnehmer riefen am Sonntag Parolen wie «Nieder mit dem Putsch» und wandten sich auf Schildern gegen die «Spaltung des Volks», wie Augenzeugen berichteten. An der Demonstration in der Hauptstadt Tunis nahmen unter anderem Anhänger der islamistischen Ennahda und der neu gegründeten Bewegung «Muatinun dida al Inkilab» («Bürger gegen den Putsch») teil. Eine Woche zuvor hatten Saieds Unterstützer im Zentrum von Tunis demonstriert.

Die politische Krise in dem kleinen Land in Nordafrika spitzt sich immer weiter zu. Hintergrund sind umstrittene Maßnahmen von Staatschef Saied, der das Parlament vergangenen Monat auflöste. Zuvor hatte er den Regierungschef abgesetzt. Der Ex-Juraprofessor Saied, der seit Oktober 2019 im Amt ist, hat seine Schritte gegen Kritik verteidigt und erklärt, sich im Rahmen der Verfassung zu bewegen. Seine Gegner sprechen dagegen von einem Staatsstreich.

Saied hat für Juli eine Volksabstimmung über die Verfassung sowie einen «nationalen Dialog» angekündigt. Es ist aber unklar, über welche Änderungen die Tunesier dabei abstimmen und welche Themen im Dialog verhandelt werden sollen. Teile der Opposition behaupten, Saied wolle Parteien im Land auflösen und ihre Chefs sowie andere politische Führungsfiguren unter Hausarrest stellen lassen.

Unterdessen geraten auch Journalisten offenbar zunehmend unter Druck. Im jährlichen Ranking der Hilfsorganisation Reporter ohne Grenzen zur Pressefreiheit weltweit fiel Tunesien zuletzt um mehr als 20 Plätze und liegt nun auf Platz 94 von 180.

Tunesien kämpft seit Jahren mit einer Wirtschaftskrise und hoher Arbeitslosigkeit vor allem bei Jugendlichen. Es galt lang Zeit als einziges Land, das nach den arabischen Aufständen ab 2010 den Übergang zur Demokratie geschafft hat.

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Ingo Kerp 16.05.22 12:00
Es war wohl die naive Meinung des "einfachen Mannes der Straße", das sich nach einem polit. Putsch alles zum Besseren wenden würde. Was man hatte, das wußte man, was man bekam, das wußte keiner. Das gilt außer für Tunesien natürlich auch für z.B. Libyen und / oder Ägypten.