Zwölf Jahre Haft für Ullrich

Der Deutsche soll mit seinen Helfern mindestens 54 Millionen Mark veruntreut haben

Wolfgang Ullrich, begleitet von thailändischen Polizeibeamten, wird in Bangkok zu einer Vernehmung gebracht. Das war vor rund drei Jahren. Jetzt muss der Deutsche wegen Untreue zwölf Jahre in Haft.
Wolfgang Ullrich, begleitet von thailändischen Polizeibeamten, wird in Bangkok zu einer Vernehmung gebracht. Das war vor rund drei Jahren. Jetzt muss der Deutsche wegen Untreue zwölf Jahre in Haft.

Der langjährige Vorsitzende des Deutschen Tierhilfswerks, Wolfgang Ullrich, ist wegen Untreue zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt worden. Er habe mindestens 54 Millionen Mark auf seine eigenenKonten abgezweigt, für den Tierschutz sei nur eine „unwesentliche Grössenordnung“ übrig geblieben, stellte das Landgericht München am Dienstag dieser Woche in der Urteilsverkündung fest.

Ullrichs Stellvertreter Eduard Baumann wurde zu achteinhalb Jahren, sein Steuerberater Udo Lischka zu vier Jahren Haft verurteilt. Die Verteidiger kündigten Revision an. Der Prozess hatte fastzwei Jahre gedauert.

Der Vorsitzende Richter sagte weiter, das Trio habe ab 1994 ein kaum mehr durchschaubares Firmengeflecht aufgebaut, um die Veruntreuung der Gelder zu verschleiern. Über 54 Millionen Mark ausSpenden und Mitgliedsbeiträgen für das Deutsche Tierhilfswerk (DTHW) seien über eine so genannte „Stiftung Europäisches Tierhilfswerk“ an die Scheinfirma Chartex und letztlich „auf die Kontendes Angeklagten Ullrich“ geflossen.

Der aus dem Drückermilieu stammende Ullrich habe die Summen zum Teil in Firmen investiert, eine Jacht für 1,5 Millionen Mark gekauft und seiner Freundin sowie seinem „persönlichen Handlanger“ Baumann je sechs Millionen geschenkt.

Das Finanzamt hatte dem DTHW schon 1994 die Gemeinnützigkeit aberkannt, die Stadt München verhängte ein Spendensammelverbot. Aber die DTHW-Vereine seien von dem Trio an der Nase herumgeführtworden. Die meisten Mitglieder hätten „Katzenfutter verteilen können, aber nicht solche Organisationen kontrollieren“, sagte der Vorsitzende Richter.

Steuerberater Lischka sei der „geistige Urheber“ der verschachtelten Strukturen gewesen. Dabei habe er ausgenutzt, „dass die Stiftungsaufsicht in der Schweiz ja sehr flapsig gehandhabt wird“.

Bei Ullrich und Baumann wurden rund 20 Millionen Mark sichergestellt. Wegen eines „misslungenen Gesetzes“ hätten Geschädigte allerdings nur drei Monate Zeit, darauf zuzugreifen, sagte der Richter.

Die Staatsanwaltschaft hatte das Trio ursprünglich wegen Spendenbetrugs angeklagt. Die Vereine seien aber nicht zu dem Zweck gegründet worden, um an die Spendengelder und Mitgliedsbeiträge zukommen. Deshalb seien die Angeklagten wegen Untreue zu verurteilen gewesen, erklärte der Richter.

Die Wirtschaftsstrafkammer am Landgericht München hatte in dem zweijährigen Prozess über 70 Zeugen und Gutachter vernommen, über 1.000 Aktenordner mussten ausgewertet werden. Ullrich undLischka hatten die Vorwürfe bis zum Schluss bestritten, lediglich Baumann legte ein Teilgeständnis ab.

Der wegen Betrugs und Totschlags vorbestrafte Baumann sei seinem Chef Ullrich als „Vasall und Knecht“ bedingungslos ergeben gewesen, sagte der Vorsitzende Richter. Ullrich, der früher für Verlage und eine Ambulanz Geld gesammelt hatte, hatte den Vorsitz des DTHW 1994 von seiner Mutter übernommen.

Der einfallsreiche und smarte Geschäftsmann Wolfgang Ullrich war Anfang der 80er Jahre nach Thailand gekommen. Er investierte im Touristenzentrum Pattaya Millionen, wohlgemerkt Deutsche Mark: in Restaurants wie das Bavaria House I (Beach Road) und Bavaria House II (Second Road/Soi Diana Inn), die die Einkaufspassage an der Soi Diana Inn, in eine Fabrik, in Hotel und Bars, in einen Schönheitssalon für seine thailändische Frau Rosalin sowie zwischen der Soi 17 und der Thappraya Road in eine luxuriöse Wohnanlage für Senioren, die jetzt verfällt.

Ullrich schien zu jeder Zeit aus prallen Geldtöpfen zu schöpfen. Kein Wunder, denn der heute 53-jährige Deutsche bediente sich beim Deutschen Tierhilfswerk. Im Badeort Pattaya fiel Ullrichnicht nur der Polizei durch seine Verschwendungssucht auf.

Sein luxuriöses Leben endete abrupt am 14. September 1998. Ullrich wurde in Pattaya festgenommen und als „Persona non grata“ in Abschiebehaft genommen. Später erfuhr die Öffentlichkeit, dassder Deutsche bereits am 31. Dezember 1997 von thailändischen Behörden zur unerwünschten Person erklärt worden war.

Dennoch schob Thailand den Inhaftierten nicht ab. Die Justiz warf ihm Steuerhinterziehung und illegale Einfuhr einer Luxusjacht vor, die den Namen „Last Money“ trug. Im Herbst 1999 verurteilteihn das Kriminalgericht in Bangkok zu einer Geldstrafe von 79 Millionen Baht. Als hätte Ullrich seinen letzten Baht in die Jacht investiert, weigerte er sich zu zahlen. So musste er einezweijährige Gefängnisstrafe antreten.

Am 15. Dezember kam er Dank einer Amnestie des Königs frei, wurde aber gleich wieder in Abschiebehaft genommen. Denn inzwischen war bei der Justiz ein internationaler Haftbefehl eingetroffen. Die Münchner Staatsanwaltschaft hatte Ullrich wegen Unterschlagung von Spendengeldern angeklagt und das Auslieferungsverfahren erwirkt.

Ullrichs Versuche, sich gegen eine Abschiebung zu wehren, schlugen fehl. Am 27. Dezember 2000 entschieden die Richter letztinstanzlich, Ullrich müsse innerhalb von drei Monaten deutschenBehörden übergeben werden. Am 15. Februar des folgenden Jahres nahmen Polizeibeamte ihn am Münchner Flughafen in Empfang.

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