Was bringt das Schneller-Drankommen-Gesetz?

«Wartezimmer» ist auf einer Tür eines leeren Wartezimmers in einer Hausarztpraxis zu lesen. Foto: Daniel Karmann/Dpa
«Wartezimmer» ist auf einer Tür eines leeren Wartezimmers in einer Hausarztpraxis zu lesen. Foto: Daniel Karmann/Dpa

BERLIN (dpa) - Die Abkürzung klingt wie ein Sportverein: TSVG. Das nun beschlossene «Terminservice- und Versorgungsgesetz» soll Millionen Kassenpatienten voranhelfen, wenn es um Arzttermine geht. Wie gut kann es wirken?

Für viele gesetzlich Versicherte ist es ein immer wieder frustrierender Kassen-Unterschied: Ein Termin beim Facharzt ist für sie erst Monate später frei, Privatpatienten kommen aber schon nächste Woche dran. So etwas passiere nicht überall, sagt auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Aber zu oft. Just zum ersten Jahrestag ihres Bestehens hat die große Koalition nun eine Palette konkreter Maßnahmen besiegelt, um gegenzusteuern - ohne das ganze System umzustürzen. Finanzielle Verlockungen sollen die Ärzte ins Boot holen. Patientenschützer befürchten aber auch neue Tücken.

Wo ist das Problem?

Lange Wartezeiten sind ein Aufreger, auch wenn Ärztevertreter schon mal von «gefühlten Problemen» sprechen. Dabei ist die Situation nicht überall gleich, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) in einer Studie ermitteln ließ: Auf Facharzttermine musste fast ein Drittel der Befragten nach eigener Auskunft mehr als drei Wochen warten. Dagegen kam beim Hausarzt gut jeder Zweite binnen drei Tagen dran. Bei Hals-Nasen-Ohren-Ärzten geht es schneller als bei Urologen und Frauenärzten. Unterschiede nach der Kasse gibt es vor allem beim Facharzt: Da mussten sich 34 Prozent der Kassenpatienten mehr als drei Wochen gedulden, aber nur 18 Prozent der Privatpatienten.

Was soll sich in den Praxen ändern?

Kassenärzte müssen künftig 25 statt 20 Stunden in der Woche für gesetzlich Versicherte da sein - in der Praxis oder bei Hausbesuchen. Dabei sagen viele, dass sie das längst tun und im Schnitt schon mehr als 50 Stunden arbeiten. Diese Ärzte sollten vor Kollegen geschützt werden, die ihren Arztsitz nicht voll ausfüllen, argumentiert Spahn. Bei Augen-, Frauen- und HNO-Ärzten muss es künftig fünf Stunden pro Woche offene Sprechzeit geben - auch als eine Art Überlaufventil für spontane Fälle. Mediziner warnen, das könne zu langem Rumsitzen im Wartezimmer führen. «Staatliche Vorgaben zur Praxisführung helfen niemandem, sie halten aber junge Ärztinnen und Ärzte von einer Niederlassung ab», moniert Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery.

Was ist bei der Terminvermittlung vorgesehen?

Schon seit 2016 gibt es «Terminservicestellen» der Kassenärztlichen Vereinigungen, die telefonisch Termine bei Fachärzten binnen vier Wochen vermitteln. Je nach Bundesland haben sie aber andere Nummern und sind an unterschiedlichen Tagen zu diversen Uhrzeiten erreichbar. Ab 1. Januar 2020 soll bundesweit gelten: Jeden Tag, rund um die Uhr, unter der Nummer 116 117, auch online und per Handy-App. Zusätzlich ins Angebot kommen sollen zudem Termine bei Haus- und Kinderärzten. Linke-Gesundheitspolitiker Achim Kessler meldete aber schon Zweifel an, ob die Stellen wirklich nachts um 4.00 Uhr Vermittlungen machen.

Wie sollen Ärzte angespornt werden?

Entscheidender Hebel für Verbesserungen sollen Anreize für die Ärzte sein. Zum Beispiel mindestens 10 Euro extra, wenn ein Hausarzt bei der Überweisung gleich dafür sorgt, dass man einen dringenden Termin beim Facharzt bekommt. Extra honoriert werden soll auch, wenn Ärzte neue Patienten in der Praxis aufnehmen. Dadurch könnte aber die Höhe des Arzthonorars über Wartezeiten entscheiden, warnt der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Klaus Müller. Chronisch Kranke und alte Menschen, die schon in Behandlung sind, bräuchten ihren Arzt oft häufiger, mahnt auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Sie könnten schwieriger Termine bekommen, wenn sich Ärzte nur auf Neupatienten konzentrierten.

Was kostet das alles?

Auf die gesetzlichen Krankenkassen, die bisher schon 40 Milliarden Euro im Jahr für Arzt-Honorare zahlen, dürften Mehrausgaben von bis zu 800 Millionen Euro zukommen. Grüne und Linke wettern, das sei zu teuer und Klientelpolitik für Mediziner. «Wer mehr behandelt, soll auch entsprechend besser vergütet werden», rechtfertigt das Spahn und verweist auf dicke Finanzpolster vieler Kassen. SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach erläutert, bisher hätten Ärzte teils nichts verdient, wenn sie neue Patienten aufnehmen, was auch noch aufwendiger ist. Für Praxen auf dem Land sind künftig garantierte Zuschläge vorgesehen.

Was soll sich bei der Digitalisierung tun?

Mit dem Gesetz will Spahn auch Tempo für neue digitale Angebote machen. Es schreibt die Einführung freiwilliger E-Patientenakten bis spätestens 2021 fest - nachdem das Gezerre um mehr Funktionen für die elektronische Gesundheitskarte so etwas wie «der Berliner Flughafen des Gesundheitswesens» geworden sei. Das Ministerium übernimmt dafür nun 51 Prozent der Gematik-Gesellschaft, die sich auch um den Aufbau einer Datenautobahn kümmert - unter Protest der bisherigen Träger aus der Branche. Ab 2021 soll es auch Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen («gelbe Scheine») bei längerer Krankheit in digitaler Form geben.

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Mike Dong 17.03.19 17:48
@Herr Franke
Das was Sie als Duktus bezeichnen, hatte ich wohl fälschlicherweise als Anus interpretiert. Ist aber kein Problem, der Tipp war ja nicht für Sie gedacht.
Jürgen Franke 17.03.19 12:38
Grundsätzlich ist davon auszugehen,
dass sich die Mehrkosten auf die Versicherten auswirken wird, trotzt des dicken Finanzpolsters auf das Spahn hinwies. Eine digitale Patientenakte sollte schnellstens eingeführt werden, damit ein Facharzt sofort auf seinem PC sehen kann, wer vor ihm sitzt.
Jürgen Franke 17.03.19 09:04
Herr Dong, wenn Sie meine Zeilen als Lob
werten, haben Sie den Duktus des Kommentars nicht erkannt.
Mike Dong 16.03.19 19:32
@Herr Franke
Danke, ein Lob aus Ihrem Munde ist ja überraschend. Ich versuche zu helfen, wo ich kann, auch wenn ich nicht betroffen bin.
Jürgen Franke 16.03.19 14:58
Herr Dong, das ist ja eine super Idee von Ihnen.
Möglicherweise gibt es jedoch auch Menschen, die diese einfache Satzkombination nicht über die Lippen bringen, da sie auch dafür das Geld nicht aufbringen können. Ratschläge von Menschen, die von der eigentlichen Situation nicht betroffen sind, werden immer gerne beachtet.
Mike Dong 16.03.19 13:46
Ich bin zwar seit Anfang meines Berufslebens privat versichert, wenn ich aber gesetzlich versichert wäre u eine kurzfristige Untersuchung bräuchte, würde ich eben die Differenz eben selbst bezahlen. Einfach sagen: Ich zahle privat, Bitte Rechnung schicken. Um welche Summe geht es denn ? Ein MRT kostet privat 750 €, die gesetzliche Kasse wäre wohl 250 €, ich habe es aber am nächsten Tag. Die gesetzliche KK zahlt einem dann den Anteil.
Hammer 16.03.19 13:14
Kardiologe und Hautarzt
also 6 bis 9 Monate als Kassenpatient sind da in Stuttgart und Umgebung ganz normal,
Und das auch als Patient, welcher schon öfters da war.

Eigenerfahrung:
Letzter Termin beim Kardiologe war Juli 2018 und der Arzt sagte mir, nächste Kontroll Untersuchung in 1 Jahr.
Bei den Damen an der Terminvergabe die Antwort bekommen, sorry Termine für nächstes Jahr können Wir erst ende Dezember 2018, Anfang Januar 2019 vergeben.
Gut, ende November angerufen, da im Dezember im Urlaub und e-Mails werden dort eh NICHT beachtet oder beantwortet.
Termin habe ich dann nicht für Juli 2019, sondern November 2019 bekommen, früher war kein Termin mehr möglich.
Ich hätte ko... können

Dies einem Bekannten erzählt und er hat nur gelacht.
Er hat eigentlich kein Problem, ist aber Privatpatient,
Nun hat er mal angerufen, war ja noch nie in der Praxis, und wollte mal einen Termin für eine Untersuchung im Januar 2019. Nebenbei erwähnte er, das er noch nie da war, aber Privatpatient sei.
Er bekam seinen Termin genau zu dem Tag und der Uhrzeit, wo er wollte.

Und dies wird sich auch nie ändern