Steinmeier würdigt friedliche Revolution

Erinnerung an Mauerbau

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nimmt zum Auftakt der Gesprächsreihe
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nimmt zum Auftakt der Gesprächsreihe "Geteilte Geschichte(n)" des Bundespräsidenten zu 30 Jahre friedliche Revolution im Schloss Bellevue teil und hält eine Rede. Foto: Wolfgang Kumm/Dpa

BERLIN (dpa) - Vor 58 Jahren beginnt in Berlin der Bau der Mauer, vor 30 Jahren bahnt sich die friedliche Revolution an, die sie zu Fall bringt. Hat sich der Kampf für Freiheit und Demokratie damit erledigt? Der Bundespräsident gibt eine klare Antwort.

Dreißig Jahre nach der friedlichen Revolution hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Mut der Menschen in der DDR gewürdigt und mehr Anerkennung dafür eingefordert. Nötig sei ein «Solidarpakt der Wertschätzung», sagte er am Dienstag in Berlin. Die friedlichen Revolutionäre von 1989 hätten historische Verdienste erworben. «Sie haben deutsche Demokratiegeschichte geschrieben.» Zugleich betonte Steinmeier, der Kampf für Freiheit und Demokratie habe sich ganz offensichtlich nicht erledigt. «Wir müssen an den Freiheitskampf von 1989 nicht nur erinnern, sondern wir müssen ihn, in unserer Zeit, aufs Neue führen.»

In Berlin wurde am Dienstag auch an den Mauerbau vor 58 Jahren erinnert und der Opfer der deutschen Teilung gedacht. In der zentralen Mauer-Gedenkstätte wurde dazu bei einer Andacht in der Kapelle der Versöhnung auf dem früheren Todesstreifen eine Kerze entzündet. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und andere Politiker legten am Mauer-Denkmal Kränze nieder.

Am 13. August 1961 hatte die SED-Führung unter Walter Ulbricht mit dem Bau begonnen. Das rund 155 Kilometer lange Bollwerk zerschnitt Berlin mehr als 28 Jahre. Die Teilung endete erst mit dem Fall der Mauer am 9. November 1989. In Berlin starben nach dem Mauerbau nach wissenschaftlichen Erkenntnissen mindestens 140 Menschen durch das DDR-Grenzregime. Eine Studie, wonach an der etwa 1400 Kilometer langen deutsch-deutschen Grenze mindestens 327 Menschen ums Leben kamen, steht in der Kritik.

In seinem Amtssitz Schloss Bellevue nannte Steinmeier die Mauer ein «Schandmal aus Beton und Stacheldraht». Sie habe Leid und Unglück über viele Menschen gebracht. Aber: «Stacheldraht und Schießbefehl konnten die Fluchtbewegung aus der Diktatur und den Freiheitswillen niemals ersticken.»

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), meinte, die Erinnerung mache auch deutlich, dass eine freie Gesellschaft keine Selbstverständlichkeit sei. «Wir schulden all denen Dank, die beigetragen haben, diese Mauer zum Einsturz zu bringen.»

Die CDU-Bundesvorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer dankte ebenfalls den Bürgern der ehemaligen DDR. Sie hätten 1989 mit viel Mut den Fall der Mauer erkämpft. Es gebe keinen Grund auch nur für den Ansatz eines Zweifels, dass die Menschen in Ostdeutschland genau so gestandene Demokraten seien wie sonst wo in Deutschland, sagte sie bei einer CDU-Gedenkveranstaltung an der Glienicker Brücke. «Von ihrem Mut, von ihrem Rückgrat, können manche auch im westlichen Teil Deutschlands sich eine Scheibe abschneiden.»

Steinmeier eröffnete im Schloss Bellevue eine Gesprächsreihe mit dem Titel «Geteilte Geschichte(n)». Er rief dazu auf, im 30. Jahr der friedlichen Revolution persönliche Geschichten der Wendezeit und der folgenden Jahre miteinander zu teilen.

Wertschätzung bedeute auch, die Lebensleistung der Menschen in der früheren DDR anzuerkennen, die den gewaltigen Umbruch nicht nur erlebt, sondern angenommen, geschultert und gestaltet hätten, sagte der Bundespräsident. Zur Wertschätzung gehöre ferner, die Fehler im Prozess der Wiedervereinigung nicht zu verschweigen.

Steinmeier betonte, Gewaltherrschaft sei nicht verschwunden. «Autoritäre Systeme erheben ihr Haupt mit neuer Selbstgewissheit, und eine neue Faszination des Autoritären ist auch in westliche Gesellschaften eingedrungen.» In der Gesellschaft hätten sich neue Mauern aufgetan. Sie spiegelten sich auch in Wahlergebnissen wider.

«Wer die Menschenwürde mit Füßen trat, der stand 1989 auf der falschen Seite der Geschichte», betonte Steinmeier. Und: «Wer Mitmenschen verunglimpft oder bedroht, wer das Gift des Hasses in die Sprache und in die Gesellschaft trägt, der steht auch heute wieder auf der falschen Seite.»

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