Steinmeier fliegt nach Israel

Gedenken an Auschwitz-Befreiung

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender steigen auf dem militärischen Teil des Flughafen Tegel in ein Flugzeug der Flugbereitschaft der Bundeswehr, um nach Tel Aviv (Israel) zu fliegen. Foto: Bernd von Jutrczenka/Dpa
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender steigen auf dem militärischen Teil des Flughafen Tegel in ein Flugzeug der Flugbereitschaft der Bundeswehr, um nach Tel Aviv (Israel) zu fliegen. Foto: Bernd von Jutrczenka/Dpa

BERLIN/JERUSALEM (dpa) - Weltweit werden Juden bedroht. Auch in Deutschland, wie zuletzt der Anschlag auf die Synagoge in Halle in brutaler Weise gezeigt hat. Vor diesem Hintergrund fliegt der Bundespräsident zum Holocaust-Gedenken nach Israel. Es ist der 75. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier fliegt an diesem Mittwoch nach Israel, um dort am internationalen Holocaust-Gedenken in Yad Vashem teilzunehmen. Dazu werden am Donnerstag Staatsgäste aus fast 50 Ländern in Jerusalem erwartet, unter ihnen die Präsidenten Frankreichs und Russlands, Emmanuel Macron und Wladimir Putin, US-Vizepräsident Mike Pence und der britische Thronfolger Prinz Charles.

Anlass ist der 75. Jahrestag der Befreiung des deutschen Vernichtungslagers Auschwitz am 27. Januar 1945 durch die Rote Armee. Die Großveranstaltung mit dem Titel «An den Holocaust erinnern, Antisemitismus bekämpfen» findet auch vor dem Hintergrund einer weltweiten Welle antisemitischer Vorfälle statt.

Steinmeier wird nach seiner Ankunft zunächst vom israelischen Staatspräsidenten Reuven Rivlin begrüßt und mit diesem ein Gespräch führen. Beide werden sich am Montag kommender Woche, dem eigentlichen Jahrestag, auch in Auschwitz treffen. Zwei Tage später wollen sie in einer Gedenkstunde des Bundestags reden.

Steinmeier wird auch in Yad Vashem eine Rede halten - als erstes deutsches Staatsoberhaupt überhaupt. Er will mit seinen Besuchen in Israel und Polen nach Darstellung des Bundespräsidialamts die bleibende Verantwortung Deutschlands für den millionenfachen Mord an Juden zum Ausdruck bringen - und das bewusst gegen alle Forderungen, endlich einen Schlussstrich zu ziehen.

Der Bundespräsident will demnach deutlich machen, dass die Lehre aus dem Holocaust sein muss, eine bessere Gegenwart und Zukunft zu gestalten. Das Gedenken dürfe sich nicht in einer schlichten Wiederholung der Formel «Wir haben verstanden» erschöpfen. Steinmeier treibt um, dass heute viele Menschen und Politiker die Lösung der Probleme in neuem völkischen Denken, übersteigertem Nationalismus und Antisemitismus sehen. Dies seien neue Herausforderungen, die es zu bewältigen gelte, heißt es im Bundespräsidialamt.

In Jerusalem will Steinmeier zudem ein Bekenntnis der unverbrüchlichen Solidarität Deutschlands zum Staat Israel und seinen Menschen ablegen. Zu erwarten ist, dass der Bundespräsident die Bühnen in Jerusalem, Auschwitz und Berlin nutzen wird, um sich in deutlichem Ton zu diesen Themen zu äußern.

Das nationalsozialistische Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau im von Deutschland besetzten Polen gilt weltweit als Symbol für den Holocaust. Nach Schätzungen wurden dort mehr als eine Million Menschen ermordet, zumeist Juden. Als Soldaten der Roten Armee das Lager am 27. Januar 1945 erreichten, fanden sie in ihm noch etwa 7000 überlebende Häftlinge. Viele von ihnen starben innerhalb kurzer Zeit an den Folgen von Hunger, Krankheiten und Erschöpfung.

Wegen des Näherrückens der Roten Armee hatte die SS am 18. Januar Zehntausende Häftlinge von Auschwitz aus auf Todesmärsche in Richtung Westen geschickt. Viele der kranken, ausgehungerten und nur spärlich bekleideten Menschen starben in der eisigen Kälte oder wurden von ihren Bewachern erschossen. Die Nazis und ihre Helfer ermordeten während des Holocaust insgesamt rund sechs Millionen Juden.

EU-Parlamentspräsident David Sassoli sagte vor Beginn des Holocaust-Forums, die Europäische Union sei im Schatten von Auschwitz gegründet worden, um Europa wieder zu vereinen «und dafür zu sorgen, dass sich die Schrecken des Zweiten Weltkriegs niemals wiederholen». Alarmierenderweise scheine es so, als würden die Lehren aus der Geschichte in Vergessenheit geraten. «Wir beobachten ebenso ungläubig wie wütend, dass der Dämon des Antisemitismus in Europa und auf der ganzen Welt zurückkehrt.»

In Deutschland hatte zuletzt vor allem der Anschlag auf die Synagoge in Halle (Sachsen-Anhalt) für Entsetzen gesorgt. Anfang Oktober hatte ein schwer bewaffneter Mann versucht, gewaltsam in das Gotteshaus einzudringen, in dem Gläubige den höchsten jüdischen Feiertag begingen. Er scheiterte, weil die Tür seinem Beschuss stand hielt. Daraufhin erschoss der Attentäter in der Nähe zwei Menschen und verletzte auf der Flucht ein Paar schwer, bevor er festgenommen wurde. Der 27 Jahre alte Deutsche räumte rechtsextreme und antisemitische Motive ein.

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