Polens Besetzung des Obersten Gerichts könnte rechtswidrig sein

Die Richter des Gerichtshofs der Europäischen Union haben ihren Sitz am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Foto: epa/Julien Warnand
Die Richter des Gerichtshofs der Europäischen Union haben ihren Sitz am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Foto: epa/Julien Warnand

LUXEMBURG: Das Verfahren zur Besetzung des Obersten Gerichts in Polen könnte nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen EU-Recht verstoßen. Es könne die Verpflichtung der EU-Staaten verletzen, erforderliche Rechtsbehelfe und somit einen wirksamen Rechtsschutz für den Einzelnen zu schaffen, urteilten die EuGH-Richter am Dienstag in Luxemburg. Dies könne dazu führen, dass ernannte Richter des Obersten Gerichts parteiisch erscheinen. Polens Regierung wies das Urteil harsch zurück (Rechtssache C-824/18). Eine Entscheidung darüber muss nun noch das polnische Gericht treffen, das den EuGH angerufen hatte.

Die nationalkonservative PiS-Regierung baut das Justizwesen des Landes seit Jahren trotz internationaler Kritik um und setzt Richter damit unter Druck. Die EU-Kommission klagte schon mehrfach gegen die Reformen; zum Teil wurden sie vom EuGH gekippt.

Im konkreten Fall geht es um eine Neuerung von 2019. Sie besagt unter anderem, dass Richter keinen Widerspruch mehr einlegen können, wenn der Landesjustizrat (KRS) sie beim Auswahlverfahren für die Besetzung von Richterstellen am Obersten Gericht nicht berücksichtigt. Fünf Richter erhoben dagegen vor Gericht Beschwerde.

Sollte das polnische Gericht urteilen, dass der Landesjustizrat nicht mehr hinreichend unabhängig sei, müsse den erfolglosen Kandidaten ein gerichtlicher Rechtsbehelf offenstehen, betonten die EuGH-Richter nun. Falls das polnische Gericht dem EuGH in seiner Beurteilung folgt, müsste es die polnische Gesetzesänderung künftig ignorieren und stattdessen EU-Recht anwenden, wie der EuGH betont.

Kritiker der nationalkonservativen PiS-Regierung argumentieren, dass der Landesjustizrat kein politisch unabhängiges Gremium mehr ist, seit seine ursprüngliche Zusammensetzung 2018 mithilfe der PiS-Parlamentsmehrheit geändert wurde. Vor der Reform wurde die Mehrheit der Mitglieder des Landesjustizrates nicht vom Parlament, sondern von anderen Richtern ernannt.

Die Regierung in Warschau reagierte ablehnend auf die Entscheidung des EuGH. «Das ist für uns unannehmbar«, sagte Justizminister Zbigniew Ziobro. Er könne keinen Gerichtsentscheid anerkennen, der in seiner Begründung die Anweisung enthalte, man solle sich nicht an die landeseigene, verfassungsmäßige Rechtsordnung halten. Oppositionsführer Borys Budka vom liberalkonservativen Bündnis «Bürgerkoalition» (KO) hingegen nannte die Entscheidung des EuGH einen «Sieg der Rechtsstaatlichkeit über die Gesetzeswidrigkeit».

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