Wie die Moselfähre Deutschland und Luxemburg verbindet

​Gelebtes Europa  

Foto: Pixabay/Monika1607
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Die deutsch-luxemburgische Moselfähre ist ein gutes Beispiel, wie Europa im Kleinen tagtäglich funktioniert. Ein Problem gibt es aber.

Oberbillig/Wasserbillig (dpa/lrs) - Dieter Feldmann ist einer der ganz wenigen Menschen, die ihren Arbeitsplatz gleichzeitig in Deutschland und in Luxemburg haben. Als Schiffsführer steuert er die Fähre auf der Mosel zwischen Oberbillig in Deutschland und Wasserbillig in Luxemburg bis zu 100 Mal am Tag hin und her. «Hier auf dem Wasser gibt es keine Grenze. Das ist deutsch-luxemburgisches Hoheitsgebiet», sagt der 61-Jährige im Steuerhaus der «Sankta Maria II». Erst am Ufer betritt man jeweils das andere Land.

Vorn an Bord der Autofähre weht die deutsche Flagge, hinten die luxemburgische. «Damit weiß ich immer, wo ich anlege», sagt der gebürtige Franke lachend, der seit 16 Jahren dabei ist. Drei Minuten dauert eine Überfahrt. Es sind gerade mal gut 100 Meter Luftlinie, die den festen Boden der gegenüberliegenden Gemeinden trennen, schätzt Feldmann und begrüßt immer wieder bekannte Fahrgäste.

Viele Berufspendler

Jean Schiltz aus dem luxemburgischen Grevenmacher steht mit seinem Fahrrad auf der Fähre. «Wir sind hier in Deutschland wie zu Hause und die Deutschen sind drüben in Luxemburg wie zu Hause», sagt er. Er habe eine Dauerkarte und nutze die Fähre ein bis zweimal pro Tag. Auch Anneliese aus Oberbillig fährt fast jeden Tag nach Wasserbillig. «Da gibt es noch einen Supermarkt», sagt sie. Und: «Ich kenne da viele Leute. Meine Großmutter ist von dort. Das ist wie daheim.»

Morgens sind es Berufspendler, die von der deutschen Seite auf die «Sankta Maria II» zur Arbeit nach Luxemburg fahren. Wie Ingenieur Dinesh Babu. «Es fühlt sich nicht nach Grenze an», sagt er auf seinem Weg von Trier nach Mertert. Um die 150 bis 200 Autos pro Tag sind es laut Fährmann. Darunter auch viele Luxemburger, die in Deutschland wohnten.

Die Fähre erspare Autofahrern eine gute halbe Stunde Zeit - denn über die Brücke in Grevenmacher seien es rund 14 Kilometer und über die Brücke in Trier rund 20 Kilometer nach Wasserbillig, sagt der Ortsbürgermeister von Oberbillig, Andreas Beiling. Maximal sechs Autos und 45 Personen haben auf der vollelektrischen Solarfähre Platz.

Zu wenig Fährleute

Die Fähre ist auch bei Touristen beliebt. Doch es gibt es Problem: «Weil wir zu wenige Steuerleute haben, können wir den Fährbetrieb seit Längerem nur noch halbtags anbieten», sagt Beiling. Das führe zu Einbußen: «Wir bieten noch 50 Prozent der Betriebszeiten an, aber der Umsatz ist mehr als 50 Prozent eingebrochen.» Es gebe etliche Berufspendler, die die Fähre nun nicht mehr nutzten. «Dabei ist der Bedarf da.»

Die 28 Meter lange Fähre haben Ober- und Wasserbillig gemeinsam gekauft. Kosten und Ertrag des Fährbetriebs werden geteilt, den Betrieb hat die deutsche Gemeinde übernommen. «Die Fähre kann über Nacht nur auf der Oberbilliger Seite liegen, weil wir da in einer Binnenkurve sind», erklärt Beiling. Als die «Sankta Maria II» 2017 startete, sei sie die weltweit erste vollelektrische Autofähre für Binnengewässer gewesen.

Lange Historie

Die Fährverbindung gehe mindestens bis ins Mittelalter zurück, erzählt Beiling. Ober- und Wasserbillig seien früher eine luxemburgische Gemeinde gewesen. Nach dem Wiener Kongress sei Oberbillig an Preußen gefallen und seit 1816 von Wasserbillig getrennt. «Es hat immer gute Gründe gegeben, dass eine Verbindung über die Mosel da war. Die Familien haben auf beiden Seiten des Flusses gewohnt. Und die Kirche stand in Wasserbillig.»

Die Fähre habe eine sehr lange Tradition, die beide Ortschaften grenzüberschreitend miteinander verbinde, sagt der Wasserbilliger Bürgermeister Jérôme Laurent. «Selbstverständlich trägt die Fähre auch dazu bei, den Austausch zwischen zwei Nationen zu fördern. Das ist ganz klar.»

Vor der Kanalisierung der Mosel von 1958 bis 1964 habe es eine Gierseilfähre gegeben: Die Fähre habe an einem Drahtseil gehangen und wurde von der Strömung auf die jeweils andere Seite gezogen. Mit den Staustufen kam das Seil weg - die Gemeinde übernahm den Betrieb mit einer frei fahrenden Fähre, der «Sankta Maria I», die von 1966 bis 2017 fuhr.

Das letzte gute Betriebsjahr sei 2021 gewesen, da man dort noch volle Zeiten habe fahren können, sagt Beiling. Rund 86.000 Autos und 162.000 Fahrgäste standen da in der Statistik. Wegen Personalmangels und der gekürzten Betriebszeiten sei man nun im Minus.

Erste Fährfrau wird ausgebildet

Dass die Fähre unter der Woche nur noch bis 13.30 Uhr fahre, sei «eine Katastrophe», sagt eine Luxemburgerin im Auto nach Oberbillig. Sie müsse oft nach Konz im Kreis Trier-Saarburg fahren und einen größeren Umweg einplanen. Auch die Geschäfte litten darunter.

Ortsbürgermeister Beiling setzt jetzt auf eigene Ausbildung. Und zwar einer ersten Fährfrau. Andrea Greif aus Wiltingen (Kreis Trier-Saarburg) lenkt die Fähre schon souverän. 2025 könnte sie ihr Patent bekommen. «Es macht schon Spaß», sagt die 54-jährige gelernte Landschaftsgärtnerin. «Ich bin an der frischen Luft und muss körperlich nicht hart arbeiten.»

Bürgermeister Laurent sagt, es gebe noch einen anderen Plan, mit dem der Fährbetrieb wieder ausgeweitet werden könnte: Gerade habe der Gemeinderat beschlossen, mit Oberbillig ein Interreg-Programm auf den Weg zu bringen, um eine Teilautomatisierung der Fähre hinzubekommen. «Das An- und Ablegen und das Fahren sollen automatisch gehen, aber mit einer Person an Bord, die dann aufpasst, aber vielleicht nicht die vollwertige Qualifikation braucht, woran es ja hapert», sagt der Luxemburger.

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