Fiaker in Wien

Eine ungewünschte Tradition?

Foto: epa/Christian Bruna
Foto: epa/Christian Bruna

WIEN (dpa) - Um die Fiaker in Wien ist ein Streit entbrannt. Aus Sicht der Stadt erzeugen sie zu viele Schäden, Tierschützer halten sowieso nichts von den Kutschfahrten. Die Sommerhitze heizt den Konflikt weiter an.

«Sie gehören zu Wien wie der Stephansdom und das Riesenrad», heißt es auf der Website der Stadt Wien. Gemeint sind die Fiaker, die täglich in der Altstadt unterwegs sind und mit zwei Pferdestärken Touristen zu den Sehenswürdigkeiten kutschieren. Eine Idylle für den Städtereisenden - doch im Hintergrund wird gerade heftig gestritten. Die Stadt und die Tierschützer gegen die Fiaker - und die Fiaker für das historische und gemütliche Image der Stadt?

«Ich denke, dass es schon ein Touristenmagnet ist, ganz sicher», sagt Ursula Chytracek. Die Fiaker-Unternehmerin ist Sprecherin ihrer Branche in der Wirtschaftskammer Wien. 38 Pferde arbeiten für ihr Unternehmen, dazu 12 Kutscher und 5 Stallburschen. Zuletzt wollten die Fiaker mit ihr an der Spitze einen Protest vor dem Rathaus abhalten und ließen sich erst mit einem Last-Minute-Gesprächsangebot des Bürgermeisters beruhigen. Denn ihr Gewerbe steht unter Druck.

Die Bezirksvertretung des ersten Wiener Gemeindebezirks, sprich der Altstadt, beklagt sich über zu hohe Kosten durch Straßenschäden, die durch die Hufe entstünden. Genannt wurde eine Summe von bis zu 750 000 Euro jährlich. Zudem will der Bezirk die Zahl der Standplätze verringern und diese zum Teil verlegen. Die Aktivisten vom engagierten «Verein gegen Tierfabriken» (VGT) wiederum fordern, dass die Pferde schon bei 30 statt bisher 35 Grad hitzefrei bekommen sollen, insgesamt weniger arbeiten müssen (bisher maximal 18 Tage pro Monat) und langfristig die Fiakerei gleich ganz abgeschafft wird.

«Das hat mit Tierschutz nichts mehr zu tun», sagt Chytracek. «Wenn ein Pferd, oder egal welches Tier, sein Zuhause hat, seine Pflege, und sein Futter und seinen Tierarzt - wozu genau brauche ich einen Tierschützer?» Hitzefrei ab 30 Grad, das sei schlicht nicht machbar. «Der Sommer hat einfach 30 Grad», sagt Chytracek. 2018 hätten die Fiaker mit einer strengeren Regel an 43 Tagen den Betrieb bei Erreichen der 30-Grad-Marke einstellen müssen, dieses Jahr wären es schon 10 Tage gewesen. Die 35-Grad-Marke wurde 2018 derweil nur zweimal geknackt.

Für Georg Prinz vom VGT wäre eine 30-Grad-Regel dagegen genau das richtige. «Das sind große Tiere mit viel Muskelmasse im Vergleich zu ihrer Körperfläche. Sie heizen sich dadurch schneller auf.» Dabei verweist er auf Berlin. Die wenigen Fiaker-Pferde dort haben ab 30 Grad im Schatten seit kurzem Feierabend.

Tierärztin Isabella Copar, die drei große Fiaker-Betriebe medizinisch betreut, hält dagegen: «90 Prozent der Tiere sind auch nach einem warmen Tag nicht einmal im Bereich der Zügel nass vom Schweiß.» Das Pferd sei ein Steppentier, die Kutschfahrten in der Stadt vergleichbar mit einem Spaziergang. Besonders ärgerlich sei es, dass die Pferde nach einem heißen Tag auch am Abend keine Fahrten mehr übernehmen dürften. «Eine Fuhr am abgekühlten Abend nach einem heißen Tag, etwas Bewegung, wäre für die Pferde gut», erklärt Copar.

Dem Problem mit den Straßenschäden wollen Stadt und Fiaker-Unternehmen derweil mit Gummi-Hufbeschlägen für die mehr als 300 Pferde beikommen. Mehrere Anbieter sind bereits mit solchen Produkten auf dem Markt, hinsichtlich der Gesundheit der Tiere und auch der Schadensminimierung sind aber noch einige Fragen offen.

2018 hat der Bezirk daher eine Studie begonnen, auch Chytraceks Pferde waren in der ersten Phase daran beteiligt. Doch: «Das hat nicht funktioniert», erklärt Chytracek. Vor allem die Haltbarkeit der Beschläge war demnach ein großes Problem. «Drei Tage und sie waren weg.» Eisenbeschläge halten laut Chytracek mindestens fünf Wochen, meist auch sechs bis sieben. Tierärztin Copar erklärt, dass die Entwicklung hier schlicht noch nicht weit genug und eine allgemeine Lösung für alle Tiere auch nicht sinnvoll sei.

Haben die Fiaker in Wien, die laut der Stadt schon seit den 1670er Jahren unterwegs sind, dann aber überhaupt noch eine Zukunft? «Man muss bei allen Lösungen, die besprochen werden, darauf achten, dass man den Fiakern nicht die Erwerbsgrundlage entzieht», sagt dazu Wien-Tourismus-Sprecher Walter Straßer. Laut einer Analyse der Tourismus-Experten sei das imperiale Erbe der Stadt für Besucher das wichtigste Element der «Marke» Wien. «In dieses imperiale Erbe fallen die Fiaker.»

Die Medienberichterstattung jedenfalls kommt den Kutschern entgegen, erklärt Chytracek. So könne man zumindest Aufklärung über die Branche betreiben. Letztlich fühlen sich die Fiaker in vielen Situationen aber vom ersten Wiener Bezirk schikaniert und haben große Sorge, dass sie künftig verteilt in den Gassen statt auf zentralen Plätzen hinter der Hofburg oder am Stephansdom stehen müssen.

«Es bringt mir nichts wenn ich irgendwo in einer Seitengasse stehe», klagt Chytracek. Die Unternehmen lebten zu 90 Prozent von Laufkundschaft, «davon, dass wir gesehen werden. So verdienen wir unser Geld.»

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