Baerbock sichert Polen deutschen Beistand zu

​Und ganz Osteuropa

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in Berlin. Foto: epa/Clemens Bilan
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock in Berlin. Foto: epa/Clemens Bilan

WARSCHAU: Heikler Besuch für Außenministerin Baerbock: Beim Treffen mit ihrem Amtskollegen Zbigniew Rau dürfte es neben der Ukraine-Hilfe auch um die Reparationsforderungen Polens gehen. Streit ist programmiert.

Hilfe für die Ukraine und Streit um Reparationsforderungen in Billionenhöhe: Beim Treffen von Außenministerin Annalena Baerbock mit ihrem polnischen Kollegen Zbigniew Rau an diesem Dienstag stehen kontroverse Themen an. Am Vorabend würdigt die Grünen-Politikerin in Warschau die polnischen Verdienste um die deutsche Wiedervereinigung. Zugleich sichert sie Polen und ganz Mittel- und Osteuropa Beistand zu angesichts des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Die Ministerin will ihren polnischen Amtskollegen Zbigniew Rau am Dienstagvormittag treffen. Anschließend plant sie eine Teilnahme am Warschauer Sicherheitsforum, an einer Diskussion zur Lage im Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und dessen Folgen.

Baerbock an Polen: Wir werden für euch da sein

Baerbock sagte am Montagabend bei einer Feier der deutschen Botschaft in der polnischen Hauptstadt zum Tag der Deutschen Einheit: «Wir werden für euch da sein, so wie ihr für uns da wart, als wir euch am dringendsten brauchten.» Die Sicherheit Osteuropas sei Deutschlands Sicherheit. «Darauf können Sie sich verlassen», rief sie.

Der 3. Oktober erinnert an die deutsche Vereinigung 1990, knapp ein Jahr nach der friedlichen Revolution in der DDR im Herbst 1989. Die Polen hatten in den 80er Jahren mit Protesten das kommunistische Regime überwunden und damit die Wende in Osteuropa eingeleitet.

«Wir werden in unserer Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen» - gemeinsam mit den Partnern in EU und Nato, versicherte Baerbock. «Denn wir Deutsche werden nie vergessen, dass wir unser Leben in Freiheit, in einem wiedervereinigten Land im Herzen Europas, auch und gerade unseren Verbündeten und Nachbarn zu verdanken haben.»

Baerbock: Handlungsfähige EU gemeinsame Lebensversicherung

Seit sieben Monaten erlebe man in Europa «einen Krieg, der mit brutaler Feder ein neues Kapitel unserer Geschichte schreibt», sagte Baerbock. Die Ukrainer kämpften nicht nur um das Überleben ihres Landes, sondern für ein freies Europa. «Gerade jetzt erleben wir, wie eine handlungsfähige Europäische Union eben kein Selbstzweck ist, sondern unsere gemeinsame Lebensversicherung.»

Deutschland und Polen seien auf ewig miteinander verbunden, sagte Baerbock. «Was wir haben, ist eine Herzensfreundschaft zwischen Millionen von Menschen, eine Freundschaft und Partnerschaft, die stärker ist als politische Meinungsverschiedenheiten.» An dieser Freundschaft müsse immer wieder neu gearbeitet werden, «so herausfordernd das auch manchmal sein mag».

Appell an Polens PiS-Regierung: Partnerschaft bewahren

Schon vor ihrem Abflug hatte Baerbock nach den Reparationsforderungen und scharfen Tönen der nationalkonservativen Regierung an Polen appelliert, die partnerschaftliche Zusammenarbeit zu bewahren. «Als Partner in einem gemeinsamen Europa haben wir die Chance, unsere Zukunft zum Wohl unserer Kinder zu gestalten», erklärte sie. «Wir haben aber auch die Verantwortung, das Vertrauen, das wir über die letzten dreißig Jahre gemeinsam aufgebaut haben, zu bewahren.» Aufarbeitung und Erinnerung an «das unermessliche Leid, das Deutschland über die Menschen in Polen gebracht hat» würden wichtige Aufgaben bleiben. «Hier kann und wird es keinen Schlussstrich geben.»

Reparationsforderungen von 1,3 Billionen Euro

Polens PiS-Regierung hatte ihren Reparationsforderungen an Deutschland kurz vor Baerbocks Besuch Nachdruck verliehen: Außenminister Rau unterzeichnete eine entsprechende diplomatische Note, die Berlin übergeben werden soll. PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski hielt der Bundesregierung zudem am Sonntag vor, sie strebe eine «deutsche Vorherrschaft» in der EU

Baerbock erwähnte die von Rau unterzeichnete diplomatische Note über die Reparationsforderungen am Montag nicht. Rau hatte erklärt, die Note «bringt die Überzeugung des polnischen Außenministers zum Ausdruck, dass die Parteien unverzüglich Schritte zu einer dauerhaften, umfassenden und endgültigen rechtlichen und materiellen Regelung der Folgen der deutschen Aggression und Besatzung von 1939 bis 1945 einleiten sollten».

Zum 83. Jahrestag des Beginns des Zweiten Weltkriegs am 1. September hatte eine Parlamentskommission in Warschau ein Gutachten vorgelegt, in dem die Weltkriegs-Schäden in Polen auf mehr als 1,3 Billionen Euro beziffert werden.

Rau nannte nun keine konkrete Summe. Er machte aber deutlich, dass nach Vorstellung Warschaus eine Regelung unter anderem «die Zahlung von Entschädigungen durch Deutschland für die materiellen und immateriellen Schäden, die dem polnischen Staat durch diese Aggression und Besetzung entstanden sind» umfassen muss. Auch Opfer der deutschen Besatzer und ihre Familienangehörigen müssten entschädigt werden. Ebenso müsse eine Regelung für die geraubten Kulturgüter und Archive gefunden werden.

Die Bundesregierung lehnt die Forderung nach Reparationen ab. Sie beruft sich dabei auf den Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 über die außenpolitischen Folgen der deutschen Einheit.

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