Ampel diskutiert über letzte Corona-Maßnahmen

Ein Schild weist auf das Tragen einer Schutzmaske hin. Foto: Federico Gambarini/dpa
Ein Schild weist auf das Tragen einer Schutzmaske hin. Foto: Federico Gambarini/dpa

BERLIN: Für den Virologen Christian Drosten ist die Corona-Pandemie vorbei. Nun wird in Berlin diskutiert, ob auch die letzten Corona-Maßnahmen fallen sollen. Die FDP macht Druck, Gesundheitsminister Lauterbach ist dagegen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat Forderungen nach einem schnellen Ende der noch bestehenden Corona-Maßnahmen zurückgewiesen. «Ein sofortiges Beenden aller Maßnahmen wäre leichtsinnig und wird auch von Christian Drosten nicht gefordert», sagte der SPD-Politiker am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

Drosten, der Leiter der Virologie an der Berliner Universitätsklinik Charité, hatte im Interview mit dem «Tagesspiegel» unter anderem gesagt, nach seiner Einschätzung sei die Pandemie vorbei. Als Reaktion hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gefordert, «die letzten Corona-Schutzmaßnahmen» zu beenden.

Die FDP machte am Dienstag weiter Druck und bekam Unterstützung aus der Union, die eine Sonderkonferenz mit den Ministerpräsidenten der Länder und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zum Jahresauftakt forderte. Ärzte-Vertreter appellierten an die Bevölkerung, sich vorsichtig zu verhalten.

Lauterbach sagte: «Christian Drosten hat Recht, dass wir in den endemischen Zustand der Coronawellen übergegangen sind, die Wellen betreffen nur Teile der Bevölkerung.» Trotzdem gelte es, jetzt noch die besonders gefährdeten Menschen zu schützen, etwa durch Masken in Pflegeeinrichtungen oder durch die Isolation am Arbeitsplatz. «Die Kliniken sind voll, das Personal überlastet, die Übersterblichkeit ist hoch und der Winter ist noch nicht zu Ende.»

FDP-Politiker sehen dagegen keinen Grund mehr für verpflichtende Maßnahmen. Mit der Erklärung von Drosten werde «jeglicher Grundrechtseinschränkung zur Eindämmung des Coronavirus die Grundlage entzogen», sagte FDP-Vize Wolfgang Kubicki dem «Tagesspiegel».

Justizminister Buschmann wies am Dienstag bei Twitter daraufhin, dass es dafür auch gar keine Gesetzesänderung bräuchte. Die im Infektionsschutzgesetz bis zum 7. April verankerten Maßnahmen, wie die Maskenpflicht in Fernzügen und Fernbussen oder in medizinischen und Pflegeeinrichtungen, könnten demnach auch einfach per Verordnung durch die Bundesregierung aufgehoben werden. «Von dieser Möglichkeit sollten wir jetzt Gebrauch machen», schrieb Buschmann in einem vom 26. Dezember datierten Brief an Lauterbach, über den der «Tagesspiegel» berichtete.

Gegen kurzfristige Änderungen stellten sich neben Lauterbach aber auch andere Politiker von SPD und Grünen: Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Baehrens, sprach sich dafür aus, «den Pfad bis zum Ende der Regelungen Anfang April» beizubehalten. Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen wandte sich im Sender ntv dagegen, «jetzt übers Knie gebrochen» Änderungen auf den Weg zu bringen. Es gehe darum, nicht auf den letzten Metern das Spiel zu vergeben.

Unterstützung bekam die FDP aus der Union. Deren gesundheitspolitischer Sprecher Tino Sorge sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): «Europa geht zur Normalität über, nur die Ampel-Regierung hat nicht den Mut, die meisten Corona-Maßnahmen endlich zu beenden.» Er forderte dazu ein Treffen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten der Länder Anfang Januar.

Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, der Bund solle «dringend» die Notwendigkeit seiner noch bestehenden Maßnahmen überprüfen. Das verpflichtende Maskentragen in der Bahn sei immer schwerer vermittelbar.

Ärztevertreter riefen zu gegenseitiger Rücksichtnahme auf. «Entspannung heißt ja nicht, dass man alle Vorsichtsmaßnahmen fahren lassen kann, man muss noch ein kleines bisschen auf sich und seine Umwelt achten», sagte der Vorstandsvorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, dem Bayerischen Rundfunk. Er sprach sich für das Tragen von Masken in Arztpraxen und engen und schlecht belüfteten Innenräumen aus. Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, appellierte an «Umsicht». Er stellte im Deutschlandfunk aber auch infrage, «inwieweit wir noch rechtliche Maßnahmen im Sinne des Infektionsschutzgesetzes brauchen».

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