Die geheimnisvolle Ebene der Tonkrüge in Laos

Rätsel der Archäologie  

Riesige Steingefäße stehen in der Ebene der Tonkrüge, Site 3. Nur die Lagerstätten 1, 2 und 3 sind für Besucher zugänglich. Foto: Carola Frentzen/dpa
Riesige Steingefäße stehen in der Ebene der Tonkrüge, Site 3. Nur die Lagerstätten 1, 2 und 3 sind für Besucher zugänglich. Foto: Carola Frentzen/dpa

PHONSAVAN: Selbst Indiana Jones wäre fasziniert von diesem Rätsel der Archäologie: Die Ebene der Tonkrüge ist eine Art südostasiatisches Stonehenge - und ein Mysterium. Wurden hier Leichen gelagert?

Wie aus der Zeit gefallene Riesen liegen sie mitten in der Landschaft. Gewaltige Steingefäße, manche gekippt, manche aufrecht stehend, in verschiedenen Größen von einem bis zu imposanten drei Metern Höhe. Einige sind von Moos überwuchert, andere von Streubomben durchlöchert: Seit 2000 Jahren trotzen sie der tropischen Witterung und blutigen Kriegen. Die «Plain of Jars» (Ebene der Tonkrüge) nahe der Stadt Phonsavan im Nordosten von Laos ist eine der rätselhaftesten archäologischen Stätten der Welt. Das beginnt damit, dass die Gefäße gar nicht aus Ton gefertigt sind, sondern aus Stein.

Wer den Weg hierher findet, spürt sofort eine Magie, die solchen geheimnisumwobenen Orten eigen ist. Der Wind raschelt durch die dichten Laubbäume, und fast hat es den Anschein, als würden die uralten Artefakte flüstern und etwas von dem preisgeben wollen, was sie über die Jahrhunderte erlebt haben.

Seit 2019 gehört die «Plain of Jars» zum Weltkulturerbe der Unesco. Die Stätte wurde vermutlich zwischen 500 v. Chr. und 500 n. Chr. angelegt - und soll neuesten Forschungen zufolge sogar bis ins 12. Jahrhundert genutzt worden sein. «Die Krüge und die dazugehörigen Elemente sind das prominenteste Zeugnis einer Zivilisation aus der Eisenzeit (...), über die jedoch nur wenig bekannt ist», schrieb die UN-Behörde. Und daran hat sich auch in den vergangenen fünf Jahren kaum etwas geändert.

Knochenfragmente und Zähne

Auf Dutzenden Hügeln rund um das Zentralplateau wurden bislang zahlreiche Gruppen von insgesamt rund 2000 Gefäßen entdeckt sowie Steinscheiben, die vermutlich als Deckel dienten. Die meisten «Jars» sind aus Sandstein. Aber wofür wurden sie verwendet? Und wie wurden sie hierher transportiert? Trotz eingehender Forschungen gibt es darauf noch immer keine eindeutige Antwort.

Die französische Archäologin Madeleine Colani entdeckte in den 1930er-Jahren Knochen in und rund um die Steinriesen sowie Zähne, Glasperlen und Keramikvasen. Die gängigste Theorie lautet, dass die Steinkrüge für aufwendige Bestattungszeremonien verwendet wurden. Noch heute würden immer wieder Knochenfragmente auf den Feldern gefunden, erzählt der Reiseleiter Vongha Souk, der seit seiner Jugend großes Interesse an der «Plain of Jars» hat und sich regelmäßig mit Forschern austauscht. «Wahrscheinlich wurden Tote einige Jahre in den Krügen aufbewahrt, bevor die Überreste später in einer Höhle eingeäschert wurden», sagt er. Eine Art Leichenlagerstätte also.

Das zumindest glauben viele Experten, aber einen endgültigen Beweis dafür gebe es nicht, sagt die Archäologin Louise Shewan vom australisch-laotischen «Plain of Jars Archaeological Project», das das Mysterium seit 2016 erforscht. Sicher scheine aber, dass die Gefäße sehr lange eine wichtige rituelle Bedeutung hatten. «Aber wir wissen noch so wenig über die Kultur, die sie hervorgebracht hat.» Weitere Ausgrabungen sollen 2025 beginnen.

Eine Art südostasiatisches Stonehenge

Als wahrscheinlich gilt, dass es über die Jahrhunderte verschiedene Verwendungszwecke gab. So könnten auch Lebensmittel oder Wasser in den Gefäßen gelagert worden sein. Eine Legende besagt hingegen, dass König Khun Chuang vor 1500 Jahren Wein in die Krüge füllen ließ, um damit den Sieg über Feinde zu feiern. Manche glauben gar, es handele sich um Trinkbecher von Riesen.

Während andere megalithische Stätten wie Stonehenge in Süd-England oder Carnac in der Bretagne weltberühmt sind, haben die meisten Menschen von den mystischen Steingefäßen in Laos noch nie etwas gehört. Nur wenige Touristen finden ihren Weg hierher.

Überall Blindgänger im Dschungel

Das hat mehrere Gründe. Der wohl wichtigste: Die gesamte Region musste in den vergangenen Jahrzehnten mühsam von den gefährlichen Überresten des geheimen Krieges der USA befreit werden, die zwischen 1964 und 1973 mehr als zwei Millionen Tonnen Bomben über Laos abwarfen. Neun Jahre lang ging - unbemerkt von der Welt - alle acht Minuten eine Flugzeugladung über dem südostasiatischen Land nieder. Laos gilt als das meist bombardierte Land der Welt.

Besonders schlimm traf es die Provinz Xiang Khuang an der Grenze zu Vietnam, wo sich die meisten Krüge befinden. Dass so viele Artefakte überlebt haben, ist ein Wunder. Allein im Feld 1 wurden 127 nicht explodierte Kampfmittel (UXO) entschärft. Heute gelten die Stätten 1, 2 und 3 - die für Besucher zugänglich sind - als bombenfrei. Aber Bombenkrater sind allgegenwärtig, und viele Krüge sind beschädigt und weisen Spuren des Beschusses auf. Zudem konnten bisher nur zehn Prozent aller Fundstätten von Blindgängern befreit werden. Bei ihrer Arbeit müssten sie extrem vorsichtig vorgehen, erzählen beteiligte Archäologen.

Ein weiteres Hindernis: Die Provinz mit ihren archäologischen Wundern ist nicht ganz leicht zu erreichen. Die Straßen sind schlecht. Als einfachste Anreise-Möglichkeit gilt ein Flug von der Hauptstadt Vientiane, der meist mit Propellermaschinen durchgeführt wird.

Untergegangene Zivilisation voller Geheimnisse

Einer, der das weltweite Interesse an den mysteriösen Gefäßen ankurbeln will und diese seit Jahren erforscht, ist der Archäologe Nicholas Skopal. Im Auftrag der University of Sydney und der Australian National University leitet er ein Projekt, das die Rätsel der Steinkrüge lüften soll. «Wer wäre nicht fasziniert? Diese Megalithen, von denen einige mehrere Tonnen wiegen, sind über Hunderte von Standorten im Norden von Laos verteilt», sagt er. «Viele Fundorte befinden sich in Bergregionen, die von dichtem Dschungel bedeckt und noch weitgehend unerforscht sind.»

Ähnliche Steinkrüge seien auch in Indonesien, Malaysia, Myanmar und Indien entdeckt worden, erzählt er. «Man darf annehmen, dass es einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen Megalithen gibt, aber dazu sind weitere Untersuchungen erforderlich.» Auch ist nicht klar, wo die Menschen gelebt haben, die die Krüge hergestellt haben. «Das deutet darauf hin, dass es viele weitere Stätten gibt, die erst noch gefunden werden müssen.» Das Geheimnis um den Wohnort zu lüften, würde ganz neue Einblicke in diese untergegangene Kultur eröffnen, ist Skopal überzeugt.

Er hofft, dass die Megalith-Stätten von Laos eines Tages die weltweite Aufmerksamkeit erhalten, die sie verdienen. Er selbst kann es kaum abwarten, die Puzzleteile rund um die enigmatischen Steinkrüge weiter zusammenzusetzen. «Wer wandert nicht gerne durch den Dschungel und sucht nach verlorenen archäologischen Wundern?», fragt der junge Forscher - und klingt dabei ein wenig wie Indiana Jones.

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