Schweizer Krisenmanagerin in Thailand

Im Gespräch mit der Schweizer Botschafterin I.E. Helene Budliger Artieda

Zusammenhalt in Krisenzeiten. Fotos: Swiss Embassy Bangkok
Zusammenhalt in Krisenzeiten. Fotos: Swiss Embassy Bangkok

BANGKOK: In Corona-Zeiten hat die Schweizer Botschafterin in Thailand Frau Helene Budliger Artieda alle Hände voll zu tun. Als perfektes Gastgeschenk in Krisenzeiten überreichte die Schweizer Diplomatin Thailands Premierminister Prayut Chan-o-cha einen Nasen-Mund-Schutz mit dem Schweizer Kreuz. DER FARANG unterhielt sich mit Ihrer Exzellenz über die diplomatischen Herausforderungen in der „neuen Realität“.

Seit Oktober 2019 bekleidet Ihre Exzellenz Frau Helene Budliger Artieda das Amt der Schweizerischen Botschafterin in Thailand, Laos und Kambodscha. In ihrer knapp 35-jährigen Karriere im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) bekleidete die 1965 in Zürich geborene Schweizer Diplomatin ganz unterschiedliche Funktionen und hat bereits viel von der Welt gesehen. Zu ihren beruflichen Stationen gehören Lagos (Nigeria), Havanna (Kuba), San Francisco (USA), Straßburg (Frankreich), Lima (Peru) und Bogotá (Kolumbien). Von 2015 bis 2019 leitete sie die Schweizerische Botschaft in Südafrika und war in dieser Position auch in Botswana, Eswatini (früher Swaziland), Lesotho, Mauritius und Namibia akkreditiert.

Im letzten Jahr meinte es der Einsatzgott erneut gut mit ihr und schickte die Schweizer Diplomatin nach Bangkok. Auch in der thailändischen EDA-Vertretung ist Ihre Exzellenz für viele Botschaftsmitarbeiter keine Unbekannte. Sie kennen sie bereits aus ihrer Dienstzeit in der EDA-Zentrale in Bern, wo sie zuerst als CFO und anschließend für sieben Jahre als erste weibliche Amtsdirektorin im Außenministerium wirkte. Als Direktorin für Ressourcen war Frau Budliger Artieda für Finanzen, Personal, Informatik Logistik, Immobilien, Rechtsdienst sowie für die Bundesreisezentrale zuständig und leitete eine Organisation mit rund 380 Mitarbeitenden. Ihren Dienst in Thailand trat sie zu einem denkbar schwierigen Zeitpunkt an: Auf die Transition zurück zur Demokratie folgte der Ausbruch der Coronavirus-Pandemie, die bis heute anhält. DER FARANG unterhielt sich mit Ihrer Exzellenz über die diplomatischen Herausforderungen, die sich aus der Corona-Krise ergeben, die von der Botschaft organisierten Repatriierungsflüge für Schweizer Urlauber in Thailand und die Schweizerisch-thailändischen Beziehungen.

Sehr geehrte Frau Botschafterin Budliger Artieda. Bitte erzählen Sie uns ein wenig über Ihre heimatlichen Wurzeln und über Ihre Ausbildung.

Botschafterin Helene Budliger Artieda an ihrem Arbeitsplatz in der Schweizer Botschaft in Bangkok. Seit ihrem Amtseintritt im Oktober 2019 hat sie alle Hände voll zu tun.
Botschafterin Helene Budliger Artieda an ihrem Arbeitsplatz in der Schweizer Botschaft in Bangkok. Seit ihrem Amtseintritt im Oktober 2019 hat sie alle Hände voll zu tun.

Sehr gerne. Ich bin zusammen mit meiner jüngeren Schwester Karina in der Agglomeration von Zürich aufgewachsen, inzwischen aber wieder zu den Wurzeln meiner Familie im Kanton Luzern zurückgekehrt, genauer gesagt an den idyllischen Sempachersee. 1997 heiratete ich meinen Mann Alex Artieda, den ich während eines Einsatzes im peruanischen Lima kennen und lieben gelernt hatte. An der Kantonsschule Hottingen/ Zürich erhielt ich das eidgenössische Handelsdiplom und studierte berufsbegleitend Betriebswirtschaft an der Universität Externado in Kolumbien. Das Studium beendete ich im Jahre 2000 mit einem Masterabschluss.

Was hat Sie dazu bewogen, das Amt der Schweizer Botschafterin in Thailand zu übernehmen?

Ich suche immer eine Aufgabe, die mich auf Trab hält, wo ich Neues lernen und bei der ich als Person wachsen kann. Bangkok hat diesen geschäftigen Ruf und bis jetzt muss ich sagen, dass mich Thailand und die Region nicht enttäuscht haben. Ganz im Gegenteil.

In Bangkok angekommen mussten Sie von Anfang an Ihre Fähigkeit als Krisen-Managerin unter Beweis stellen. Hätten Sie jemals damit gerechnet, dass Ihr Einsatz in Thailand so anspruchsvoll sein würde?

Bei einem neuen Postenantritt stellt man sich auf einiges ein und meine ersten fünf Monate in Bangkok waren so lebhaft, abwechslungsreich und interessant, wie ich es mir vorgestellt hatte. Am 16. März rief ich den Krisenmodus in der Botschaft aus und seither ist vieles nicht mehr wie zuvor. Verfolgten wir anfangs noch angestrengt die Infektions- und Todesraten, beschäftigen mich heute die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte dieser Krise viel mehr. Bei geschätzten sieben Millionen Arbeitslosen in Thailand kommen mehr als klamme Gefühle auf. Nein, mit einer solch drastischen Entwicklung habe ich tatsächlich nicht gerechnet.

Welches Zielgebiet war bisher Ihr schwierigster Fall?

Meine größte Herausforderung bis jetzt war und ist tatsächlich die derzeitige Krisenbewältigung. Als Leiterin der Krisenzelle ist es mir ein Anliegen, das Botschaftsteam sicher und gesund durch diese Zeiten großer Unsicherheiten zu führen. Gleichzeitig gilt es, unsere Fähigkeit zur Dienstleistung möglichst uneingeschränkt aufrechtzuerhalten, damit wir für die vielen Schweizerinnen und Schweizer da sein können, die entweder in Thailand leben oder vorübergehend hier gestrandet sind. Dieser Balanceakt war zum Höhepunkt der Krise nicht ganz einfach. Ich konnte nicht alle Teammitglieder gleichzeitig einfach von zu Hause aus arbeiten lassen. Schließlich mussten weiterhin Pässe ausgestellt und die Repatriierungsflüge vorbereitet werden, bei gleichzeitiger Verarbeitung und Aufbereitung einer Fülle von Informationen, die wir an unsere Kunden herantragen mussten. Persönlich beschäftigen mich jeweils auch Einzelschicksale, Mitbürgerinnen und Mitbürger, die verunfallen, krank oder Opfer eines Gewaltverbrechens werden.

Wie bewerten Sie den Umgang der thailändischen Regierung mit der Krise?

Premierminister Prayut Chan-o-cha überreicht Botschafterin Budliger Artieda vor der Presse ein Geschenk.
Premierminister Prayut Chan-o-cha überreicht Botschafterin Budliger Artieda vor der Presse ein Geschenk.

Was die Gesundheitskrise betrifft, leistet Thailand im weltweiten Quervergleich meiner Meinung nach gute Arbeit. Ich stand persönlich mehrere Male mit dem Gesundheitsministerium, Departement of Disease Control und WHO-Vertretern in Kontakt und erlebte engagierte, fokussierte Teams, die von Experten angeführt und getrieben sind. Diese im positiven Sinne technokratische Krisenbewältigung scheint mir wichtig. Man sieht weltweit andere Beispiele, wo Politik Expertise übersteuert und dies überzeugt mich weniger. Deutlich schwieriger ist die Beurteilung in Bezug auf die noch viel größere soziale und wirtschaftliche Krise. Erst der Blick zurück wird beispielsweise zeigen, wie lange der Tourismussektor in Thailand benötigen wird, um sich von einer monatelangen Sperre des Luftraums für ankommende Passagierflugzeuge zu erholen. Aus einem reinen Pandemie-Betrachtungswinkel handelt es sich um eine sehr effektive Maßnahme. Für Menschen, die ihr Brot im Tourismussektor verdienen, ist der Preis jedoch sehr hoch. Es liegt mir absolut fern, den Stab über irgendeine Regierung auf dieser Welt zu brechen. Die Güterabwägungen sind äußerst schwierig und es gibt keine verlässlichen Regieanweisungen.

Die Schweizer Botschaft hat sehr viel Energie aufgebracht, um ihre Landsleute in Thailand per Repatriierungsflüge in ihr Heimatland zurückzuführen. Was stellten die größten Schwierigkeiten oder Hürden dar?

Am Schwierigsten war es, rechtzeitig an die richtigen Informationen zu gelangen und diese so rasch als möglich in vier Sprachen an unsere Kundschaft weiterzugeben. Die Botschaft in Bangkok ist in konsularischen Belangen auch noch für Kambodscha, Laos, Malaysia und Myanmar zuständig. Es gab Tage, da änderten sich die Rahmenbedingungen laufend. Zweitens war es eine Herausforderung für uns herauszufinden, wie viele Schweizerinnen und Schweizer sich tatsächlich in unserem Konsularkreis aufhalten. Die Schweiz ist ein liberales Land; wir überwachen unsere Staatsangehörigen nicht und wissen deshalb nicht, wer wo seine Ferien verbringt. Zu Beginn der Rückholaktion waren wir deshalb unsicher in Bezug auf das Mengengerüst. Ich darf aber den Schweizern ein Kränzchen winden. Diejenigen, die auf Unterstützung oder Rat angewiesen waren, haben sich nach unseren ersten Aufrufen sehr diszipliniert entweder auf dem Reisetool „Travel Admin“ eingeschrieben oder uns auf anderen Kanälen kontaktiert.

An wen richtet sich die App „Travel Admin“?

Als Zeichen der Hoffnung und der Solidarität beleuchtete der Lichtkünstler Gerry Hofstetter im März das Matterhorn im schweizerischen Zermatt in den thailändischen Nationalfarben. Foto: Light Art by Gerry Hofstetter / Foto Michael Portmann
Als Zeichen der Hoffnung und der Solidarität beleuchtete der Lichtkünstler Gerry Hofstetter im März das Matterhorn im schweizerischen Zermatt in den thailändischen Nationalfarben. Foto: Light Art by Gerry Hofstetter / Foto Michael Portmann

An Schweizerinnen und Schweizer, die sich vorübergehend ins Ausland begeben und in der Schweiz angemeldet sind. Für Schweizerinnen und Schweizer, die ihren Lebensmittelpunkt ins Ausland verlegen, besteht eine gesetzliche Registrierungspflicht bei der zuständigen Botschaft. Diese Personen kennen wir somit und können sie durch ein Instrument namens „eVERA“ mit Nachrichten erreichen. Ich benutze diese Gelegenheit, um bei uns registrierte Mitbürger zu bitten, ihre Kontaktangaben jederzeit aktuell zu halten. Von einigen besitzen wir keine E-Mail-Adresse. Es macht heutzutage Sinn, Kontaktinformationen mit einer E-Mail-Adresse zu ergänzen.

Im Gegensatz zur Deutschen Botschaft, die von Anfang an die Rückführungsaktion von dem privaten Flugdienst Condor durchführen ließ, zeichnete die Schweizer Botschaft persönlich verantwortlich für das Chartern von Maschinen für die Repatriierungsflüge. Warum hatte man sich für diese Variante entschieden?

Das „Warum“ kann ich nicht beantworten. Dieser Entscheid wurde in Bern von unserem Krisenmanagementzentrum gefällt. Wir befinden uns momentan in einer Phase der Retrospektive und werden Vor- und Nachteile der verschiedenen Systeme beurteilen. Was meiner Meinung nach gut bei uns funktioniert hat ist, dass wir nach Einstellung der Swiss-Linienflüge nahtlos unsere ersten Charterflüge anbieten konnten. Dies hat viel Druck aus der Situation genommen. Um den tatsächlich nicht unwesentlichen Arbeitsaufwand zu bewältigen, bildeten wir innerhalb der Botschaft ein Repatriierungsteam, das 15 Tage lang rund um die Uhr ausgezeichnete Arbeit leistete. Im persönlichen Kontakt konnten wir auch schwierige Probleme lösen. Ich denke dabei an den peruanischen Mitarbeiter einer schweizerischen Firma in Laos, der von Vientiane aus via Zürich, Frankfurt, Paris, Mexiko nach Peru zurückreisen konnte. Keine Ahnung, ob man diesen Fall mit dem Reservationssystem einer Fluglinie hätte erfolgreich abwickeln können.

Die Corona-Krise hat auch den Arbeitsablauf in der Schweizer Botschaft maßgeblich verändert. Wie gestaltet sich die sogenannte „neue Normalität“ in der Schweizer Auslandsvertretung?

Botschafterin Budliger Artieda zelebriert mit ihrem Ehemann das traditionelle thailändische Songkranfest.
Botschafterin Budliger Artieda zelebriert mit ihrem Ehemann das traditionelle thailändische Songkranfest.

Glücklicherweise bildeten wir bereits im Februar eine botschaftsinterne Arbeitsgruppe, um unsere Abläufe zu beurteilen und – wo notwendig – anzupassen. Wir waren also bereit, so gut man für eine solche Situation bereit sein kann. Die Liste der Anpassungen ist lang. Ich konzentriere mich deshalb auf Aspekte, die für Ihre Leserschaft möglicherweise von Interesse sind. Um unsere Kunden zu schützen, versuchen wir nun noch mehr Dienstleistungen digital und bargeldlos anzubieten. Bangkok ist eine Pilotbotschaft für einen konsularischen Online-Schalter. Seit dem 11. Mai kann man gewisse Dienstleistungen (Staatsangehörigkeit- und Anmeldebestätigung sowie Bestätigungen für Rente, Führerschein und Schweizer Pass) digital bestellen sowie auch bezahlen und erspart sich somit den Weg zur Botschaft. Muss oder will man trotzdem persönlich vorsprechen, kann man neu seit 20. Mai 2020 mit Kreditkarte bezahlen. Da die Botschaft vor über 60 Jahren gebaut wurde, ist unsere Schalterhalle leider zu klein für einen Besucherverkehr mit genügend persönlichem Abstand. Generalkonsul Pierre Chabloz und sein Team arbeiten deshalb an einem neuen Terminvereinbarungssystem, das lange Wartezeiten und somit Menschenansammlungen im Besucherraum verhindern soll.

Zu normalen Zeiten nehmen mein Team und ich regelmäßig an Anlässen der verschiedenen Schweizer Klubs, der Schweizer Schule und der bilateralen Handelskammer teil. Diese Kontakte fehlen uns im Moment und wir arbeiten deshalb an einem Konzept, wie wir fortan als Botschaft digitale Gemeindeversammlungen abhalten könnten. Solche Gemeindeversammlungen haben in schweizerischen Dörfern und Städten große Tradition. Fernab der Heimat sind wir eine Auslandschweizergemeinde und mir ist diese Tradition des Zusammenkommens, um Anliegen zu diskutieren, sehr wichtig.

Für den Kontakt mit Ihren Landsleuten in Thailand nutzen Sie auch Facebook, um sie per Video über wichtige Belange der Botschaft informieren. Welche Vorteile bieten Ihnen soziale Netzwerke?

Botschaftsmitarbeiter bei der Registrierung ihrer Landsleute beim Check-in für die Repatriierungsflüge.
Botschaftsmitarbeiter bei der Registrierung ihrer Landsleute beim Check-in für die Repatriierungsflüge.

Ohne soziale Netzwerke wäre es unmöglich gewesen, zeitnah so viele Betroffene zu erreichen. Menschen verarbeiten zudem Informationen sehr unterschiedlich und in Zeiten von großer Anspannung ist dies sicherlich noch ausgeprägter. Gewisse Personen lesen Informationen gerne in Ruhe, andere hören lieber einer persönlichen Nachricht zu. Sehr effektiv ist auch die Kombination. Zu den Videonachrichten hatte ich mich entschlossen, weil es mir wichtig war, ein Gefühl von Ruhe und Ordnung zu vermitteln. Viele haben mir geschrieben, dass es ihnen sehr geholfen hat zu sehen, dass auf der Botschaft kein Chaos herrscht und ich zwar durchaus eindringlich, aber gleichzeitig auch mit einer Prise Optimismus Informationen vermittelte. Ich weiß nicht, ob man solche Eindrücke schriftlich ausdrü­cken kann.

Neben ihren administrativen Aufgaben engagierte sich die Botschaft auch an wohltätigen Projekten. Wie kam es dazu?

Wir waren beeindruckt von den Solidaritätsbewegungen, die in verschiedenen Teilen des Landes spontan organisiert wurden und an denen sich auch die Auslandschweizergemeinde großzügig beteiligte. Seitens der Botschaft wurden kleine Aktionen durchgeführt, um Organisationen der Zivilgesellschaft finanziell zu unterstützen, die den von der Krise am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppen dringende Hilfe leisten. Wir konnten auch einen Beitrag an das thailändische Rote Kreuz leisten. Schließlich wurde unter unseren Mitarbeitern eine Spendensammlung zugunsten gefährdeter Gemeinschaften in Thailand durchgeführt.

Abgesehen von der Corona-Krise: Welchen Schwerpunkt legen Sie bei Ihrer Arbeit als Botschafterin in Thailand?

15 Tage lang war das Repatriierungsteam im Einsatz, um in Thailand gestrandete Landsleute nach Hause zu bringen.
15 Tage lang war das Repatriierungsteam im Einsatz, um in Thailand gestrandete Landsleute nach Hause zu bringen.

Der Aufgabenkatalog unserer Botschaft ist sehr breit angelegt, auch, weil wir eine regionale Verantwortung haben. Ich beschränke mich deshalb auf unsere beiden wichtigsten Schwerpunkte:

1. Die Förderung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen: Meine thailändischen Ansprechpartner und ich sind uns einig, dass wir das Handelsvolumen in beide Richtungen erhöhen möchten. Zusammen mit unseren EFTA-Partnerländern hat die Schweiz Thailand signalisiert, dass wir die 2014 eingestellten Freihandelsverhandlungen wieder reaktivieren möchten. Eine erste technische Sondierungsrunde hat bereits in digitaler Form stattgefunden. Schweizerische Direktinvestitionen spielen bereits eine gewichtige Rolle in Thailand. Für mich wird es eine Priorität sein, thailändische Investoren für die Schweiz zu gewinnen. Was die Zielerreichung betrifft, war ich vor einigen Monaten noch optimistischer als heute. Trotzdem wird das Wirtschaftsdossier eine Priorität bleiben.

2. In Thailand lebt die größte Auslandschweizergemeinde auf dem asiatischen Kontinent. Zudem besuchten im vergangenen Jahr über 200.000 Schweizerinnen und Schweizer Thailand. Das Interesse beruht auf Gegenseitigkeit. 2019 reisten weit über 150.000 thailändische Touristen in die Schweiz. Wir betreiben deshalb auch eine große Visasektion. Das Konsulargeschäft genießt somit eine hohe Priorität in Bangkok. Ich hoffe sehr, dass dies auch nach der Corona-Krise noch der Fall sein wird.

Wie gestaltet sich der Austausch mit den beiden anderen deutschsprachigen Botschaften in Thailand?

Der deutsche Botschafter und die österreichische Kollegin haben mich sehr herzlich aufgenommen und der Kontakt ist geprägt von einer pragmatischen und unkomplizierten, nachbarschaftlichen Freundschaft. Die gemeinsame Sprache verbindet. Deshalb pflege ich auch einen ebenso guten Kontakt mit meinen französischen und italienischen Kolleginnen und Kollegen. Gerade in der aktuellen Situation fühlt man sich auf natürliche Art und Weise nahe.

…und mit den thailändischen?

Thailand und die Schweiz verbindet eine nahezu 90-jährige enge Freundschaft. Ich stoße auf viel guten Willen und Interesse im Umgang mit den thailändischen Behörden. Man kennt und schätzt die Schweiz. Dies vereinfacht meine Arbeit wesentlich.

Der Zugang ist überall sehr gut. Ich versuche, sorgfältig mit der Zeit meiner Ansprechpartner umzugehen und verlange deshalb nur Termine, wenn es tatsächlich etwas zu besprechen gibt. So habe ich mich seit meiner Ankunft vor allem mit Ministerien und Behörden des Wirtschafts- und Finanzclusters getroffen. Einen sehr engen Austausch pflegen wir mit dem Europageneraldirektor im Außenministerium, der gerade bei den Repatriierungsflügen eine äußerst nützliche Stütze war. Aus aktuellem Anlass hatte ich Kontakt mit dem Gesundheitsminister, der uns wertvolle Informationen zur Lage gab und mit dem die Schweiz über das Thema Corona hinaus zusammenarbeitet.

Bei welchen Anliegen kann Thailand von der Erfahrung der Schweiz profitieren und umgekehrt?

Das Schweizer Pharmaunternehmen Novartis unterstützt COVID-19-Behandlungszentren mit 7,75 Mio. Baht.
Das Schweizer Pharmaunternehmen Novartis unterstützt COVID-19-Behandlungszentren mit 7,75 Mio. Baht.

Wir begegnen unseren Freunden grundsätzlich gerne auf Augenhöhe und da ist dieses von Ihnen angesprochene gegenseitige Lernen sehr wichtig. Thailand interessieren die schweizerische Innovationskraft, das gut verankerte Berufsbildungssystem, schweizerische Technologien und unsere Expertise in Themen wie Wirtschaft und Menschenrechte. Uns interessiert Thailands Rolle in der Region, als Befürworterin der nachhaltigen Entwicklung, in der ASEAN und auf dem Kontinent. Wir würden bei unserer Entwicklungszusammenarbeit in der Mekong-Region beispielsweise gerne enger mit Thailand kooperieren. Auch in der multilateralen Diplomatie ist Thailand ein wichtiger Partner für die Schweiz.

Welche Eigenschaften der Thailänder beeindrucken Sie?

Ich bewundere die Ruhe und Gelassenheit der Bevölkerung. Im größten Verkehrschaos in Bangkok wird praktisch nie gehupt und es kommt kaum Hektik auf. Dies habe ich schon ganz anders erlebt in anderen Metropolen dieser Welt. Ich erzähle meinen Freunden in der Schweiz, dass bei mir wegen dem Lebensgefühl in Thailand praktisch nie Stressgefühle aufkommen.

Wie verbringen Sie Ihre knappe Freizeit?

Das relevante Wort bei dieser Frage ist tatsächlich „knapp“! Mein Mann und ich besitzen drei Hunde. Ich verbringe gerne Zeit mit ihnen. Wir sind zudem Fernwanderer, sind schon von der Schweiz nach Spanien und Italien gewandert. Man erzählt mir, dass es in Thailand wunderschöne Wanderrouten gibt. Darauf freuen wir uns. Weil wir zu normalen Zeiten viel eingeladen sind oder selbst als Gastgeber auftreten, verbringe ich offen gesagt auch ganz gerne einmal einen Abend oder einen Wochenendtag auf dem Sofa, schaue mir einen guten Film an, lese oder puzzle, eine weitere große Passion.

Bitte beenden Sie nachfolgenden Satz: Eine vorbildliche Auslandsvertretung ist stets darum bemüht…

…für die Interessen und Werte des eigenen Landes einzustehen und dabei mit Wertschätzung und Respekt auf das Gegenüber zuzugehen.

Ihr Abschlusswort:

Ich möchte dem Magazin und Newsportal DER FARANG herzlich danken für die ausgezeichnete Zusammenarbeit bei der groß angelegten Repatriierungsaktion. Verläss­lich haben Sie relevante Informationen der Botschaft an Ihre Leserschaft weitergetragen und waren deshalb ein wichtiges Sprachrohr für uns. Ich finde dies nicht selbstverständlich. In der Schweiz würden wir dies als einen gut funktionierender „Service publique“ bezeichnen. Merci vielmal!

Sehr geehrte Frau Botschafterin Budliger Artieda, im Namen des Magazins DER FARANG möchte ich mich bei Ihnen ebenfalls recht herzlich für die ausgezeichnete Zusammenarbeit bedanken und dass Sie sich die Zeit für das Interview genommen haben.

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